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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0094
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88

seinen "Antiquitates", die Cuspinian in seiner Bibliothek be-
sessen hat, heilige Bilder seien solche, die den Beschauer da-
zu zwingen, dass er nach ihrer Bedeutung frage (219). Daraus ent-
springt die humanistische Theorie der Hieroglyphik, der sich
Dürer auf Veranlassung seiner Humanistenfreunde und des auftrag-
gebenden Kaisers Maximilian stark verpflichtete.

Cranachs Ehebildnis des Cuspinian ist kein hieroglyphisches Bil-
derrätsel, doch es ist erfüllt von "figurae", die einen höheren,
heiligen Sinn der Landschaft zugleich andeuten und vor dem "pro-
fanum vulgus" verbergen und die auch zum Auslegen anspornen.
Wer ausser Cuspinian selber hat aber die Bilder je verstanden?
Tieferes Verständnis für die heiligen Symbole gewannen in der
Antike wie auch wieder in der Renaissance die eingeweihten Mit-
glieder von Mysterienbünden. Dieselben Humanisten, die die ver-
borgene Weisheit der orphischen Texte, der jüdischen Kabbala
oder der ägyptischen Hieroglyphen in christlichem Sinne als hei-
lige Wahrheiten zu begreifen suchten, hatten naturgemäss eine
Tendenz zur Absonderung von der profanen Menge, zur Gründung
von Geheimbünden, von Akademien und Mysterienvereinigungen (22o).
Auch Celtis unternahm es, in Deutschland "sodalitates" nach dem
Muster der italienischen Akademien, d.h. letztlich der plato-
nischen Akademie oder der pythagoräisehen Bünde, ins Leben zu
rufen. Bei der Gründung der ersten Sodalität durch Celtis in
Heidelberg 1495 war Cuspinian möglicherweise zugegen (221). Im

(219) L. Volkmann, Bilderschriften der Renaissance, 1923, 13.
Cuspinian hat von dem Geschichtsfälscher Annius von Viterbo
die Schrift "De Commentariis Antiquitatum" im Erstdruck
von 1498 besessen und vertrauensvoll konsultiert: Wiener
Ink. 23 B lo, mit der niedrigen, den frühzeitigen Erwerb
verratenden Bibliotheksnummer 78 (damit geben wir übrigens
die Antwort auf eine Frage von Ankwicz-Kleehoven 1959,

3o8 Anm. 35).Zum scholast. "vierfachen Schriftsinn" vgl.Anm.74a

(220) Wind 1958; L. Keller, Die römische Akademie und die alt-
christlichen Katakomben im Zeitalter der Renaissance, 1911;
G.F. Hartlaub, Giorgiones Geheimnis .... 1925; ders.,
Giorgione und der Mythos der Akademien, in; Rep. f. Kunst-
wissenschaft XLVIII, 1927, 233-257; ders., in: Pantheon
XVIII, lJ6o, 76-85.

(221) Ankwicz-Kleehoven 1959, 16. Die Sodalitas litteraria
Rhenania wird ausdrücklich eine platonische Akademie ge-
nannt: Rupprich 1934, 32, 164 f. u. 27o; vgl. auch Forster
1948, 99.
 
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