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i8

M E T H Y M N A.

Die Stadt bezieht ihr frisches und verhältnifsmäfsig reichliches
Trinkwasser ans einer Quelle, welche etwa sieben Kilometer (vergl. Karte)
östlich von Molivo von den nördlichen steilen Abhängen des Ajios Ilias
herabkommt. Die Leitung geht von dort an den Hängen hin in sanf-
tem Gefälle und überschreitet die Niederung zum Stadtberg in einer
Hochdruckleitung, welche in einem kleinen Reservoir (C im Plan) endigt,
um von hier aus in ziemlich bedeutendem Gefälle durch die Stadt ver-
theilt zu den verschiedenen Laufbrunnen geführt zu werden.
Die Leitung ist meist unterirdisch geführt, sodafs nur hier und da kleinere Stücke sichtbar werden.
An den Gebirgsabhängen besteht die Leitung aus Thonröhren von acht Centimeter lichtem Durch-
messer und etwa 35 Centimeter Länge, die in Lrde gebettet und mit Erde und flachen Steinen bedeckt nur
in gröfseren Zwischenräumen von etwa vierzig Schritt frei liegen und dann eine Öffnung besitzen, welche das
fliefsende Wasser mit der frischen Luft in Berührung bringt.

Die Hochdruckleitung dagegen, so wie ich sie am Stadtberg sah, fliefst in starkummauerten Thon-
röhren von etwa vier Centimeter Wandstärke, ist in jüngster Zeit ausgebessert mit gufseisernen Rohren und
enthält ein kleineres Stück einer alterthümlichen Constructionsweise, das vielleicht noch an Ort und Stelle der
antiken Methymnäischen Leitung liegt.

Dieses Stück, dicht beim Reservoir C
im Plan, besteht aus sechs ineinandergreifenden
etwa kubischen Trachytblöcken, die äufserlich
wenig bearbeitet, an den Stofsfugen mit glatter
Fläche, einem vorspringenden Rand auf der
einen und einer vertieften Muffe auf der ande-
ren Seite sich zusammenfügen, sodafs sich der
beistehende Längs- und Querschnitt ergiebt.
Angesichts der vielfachen und verschiedenartigen Ausbesserungen innerhalb und des im übrigen,
namentlich in der Niveauleitung an dem Gebirgsabhange verhältnifsmäfsig modernen Charakters der ganzen
Leitung, müfste man an dem ursprünglichen hohen Alter dieses kleinen Stückes zweifeln, wenn nicht ähnliche
Anlagen an anderen Orten1) die Constructionsweise als eine schon in alter griechischer Zeit übliche erken-
nen liefsen.

Man mufs daher annehmen, dafs die antike Wasserleitung von Methymna zu den trotz- ihrer Monu-
mentalität bisher in ihrer Bedeutung nicht erkannten Steinrohrwasserleitungen gehörte, welche, wie es scheint,
vom 4. Jahrhundert v. Ch. an sich einer hohen, wenn auch vorübergehenden Blüthe erfreuten.

Näheres über das System antiker Steinrohrleitungen wird meine für das Jahrbuch des Instituts
beabsichtigte Behandlung derselben enthalten.

Die moderne Leitung ist etwa in der Mitte der Senkung über einen Wasserthurm geführt. Das Wasser
steigt in demselben in die Höhe, fliefst oben in ein kleines Becken frei aus und von dort weiter in die Lei-
tung, woraus folgt, dafs die Spitze eines solchen Thurms höher liegen mufs als das Ende der Hochdruckleitung.
Die Anlage solcher Wasserthürme, die häufig in türkischen Städten, zum Beispiel Mytilene, und in
besonderer Grofsartigkeit in Constantinopel, vorkommen, hat den Zweck, das Wasser innerhalb der Hochdruck-
leitung nicht allzulange Strecken hindurch in den verschlossenen Röhren fliefsen zu lassen, sondern es durch
Berührung mit der Luft mit dem nöthigen Sauerstoff zu erfrischen. Ich halte diese Wasserthürme für die
spätere Weiterbildung derjenigen Anlagen, welche Vitruv (VIII 7, 6) colluviaria nennt, per qitac vis Spiritus
relaxetur, und welche nach seiner Vorschrift in den Niederungen (zoilia, venter) der Hochdruckleitungen ange-
bracht werden sollen.

Dafs die Leitung auch im Alterthum niemals anders als unter Hochdruck die Senkung zwischen dem
Eliasberge und dem Stadthügel überschritten haben kann, läfst sich aus dem gänzlichen Fehlen von Aquaeduct-
resten mit Sicherheit annehmen.

Die Reste einer anderen Leitung, welche Raczinsky -) und Conze3) auf dem Wege nach Petra gesehen
haben, konnte ich nicht wieder auffinden. Vielleicht sind sie durch den in letzter Zeit umgebauten und zum
Theil verlegten Fahrweg nach Petra vernichtet.

') Unter anderen die bei Kalamaki in Lykien : Texier Asie niineure III. S. 192.

-) Raczinsky a. a. 0. S. 148: »Ich bemerkte etwas seitwärts venu Wege einen unterirdischen, etwa IOO Klafter langen Kanal, der aller Ver-
muthung nacli eine Wasserleitung gewesen ist, vermittelst welcher man Trinkwasser nach der Stadt Methymna geführt hat: dieser in
einen ungemein harten Felsen gehauene Kanal ist gegen 24 J''ufs tief und an mehren Stellen mit Erde und Steinen zugeliillt. Wir ver-
loren seine Spur an einem Hügel, der aller Wahrscheinlichkeit nach durch ein Erdbeben eingestürzt ist und den Kanal verschüttet hat.«

5) Conze a. a. O. S, 24: »Wo eine steinige bis ans Meer vorspringende Höhe im Süden diese Ebene begrenzt, bemerkte ich eine nach Mo-
lieos zulaufende trocken liegende unterirdische Wasserleitung, die aber höchstens dem Mittelalter angehören kann.«
 
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