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20 ANTISSA.

Im Norden aber, wo die: I lohe steil zum Meere abfällt (A im Plan Taf. 6) ist noch ein gutes' Stück
ganz alten Mauerwerks erhalten (Taf. 7, 1).

Die Mauer, offenbar eine Stützmauer zur Gewinnung eines kleinen Plateaus auf der Spitze, gehört
zu den ältesten in Lesbos bekannten, ist aus unbehauenen grofsen Blöcken mit Zwischenfügung kleinerer

f Stücke errichtet und ähnelt der Stadtmauer von Arisba (Taf. 14, 5) und einer Stützmauer in Pyrrha
(Taf. 12,2). Aus dem Inneren der Mauer zog ich ein kleines Stück röthlicher Scherbe von beistehen-
dem Profil hervor.

Von der antiken Stadtmauer ist hier auf der Halbinsel Nichts mehr sichtbar, ebensowenig an den
Küstenlinien. Sie tritt erst in deutlichen Spuren auf der Höhe des Landhügels hervor. Die Mauer ist hier
(B im Plan) fast ausschliefslich in den Spuren auf bearbeitetem Fels erhalten, nur hier und da stehen noch
einige Blöcke: auf ihrem Platz. Aus diesen Resten geht hervor, dafs die: Mauer dieselbe technische Beschaf-
fenheit hatte wie die von Mytilene, auch was die Fugung anbetrifft; über die Art der Schichtung kann man
allerdings nicht mehr urtheilen.

Die Mauer krönt den Landhügel und verliert sich nach Westen hinab, so dafs die Begrenzung
der Stadt hier zweifelhaft bleiben mufs; Ziegel und Scherben kommen in grofser Masse bis an den Bach
heran vor. Im Süden der Mauer schliefst sich ein kleines Plateau an, das innerhalb der Befestigung gelegen
haben wird. Nach Osten hin erkennt man an Spuren und dem von früher her (S. 4) bekannten Steinwall die
Lage der Mauer noch gut. Sie zog sich auf der Höhe des nach Süden hin steilen, wenn auch nicht hoch
abfallenden Hügels bis zu dem Punct hinunter, wo der natürliche Fels in abgelösten Stücken ins Meer vortritt
und dort den Ansatz für den alten Hafendamm bildet.

Der Hafendamm selbst ragt hakenförmig nach Südosten vor. Er zeigt dieselbe Technik des Grund-
baus wie der von Mytilene:, nur fehlt hier der Quaderaufbau fast ganz, da er bis zu etwa einem Meter unter
Wasserspiegel zerstört ist, nämlich bis zu der Schicht eles Mörtelconcrets, we:lche zur Aufnahme: ele:s Quader-
baus abgeglichen ist.

An das durch diesen Hafendamm eingeschlossene Hecken schliefst sich auf eler Landseite ein nur
1 Vj Meter über Meer liegendes Feld an, welches durch eine jetzt in Flugsanddünen meist versteckte mittel-
alterliche Mauer nach dem Meere zu abgeschlossen ist. Dieses Feld macht in seiner ebenen Gestalt und seiner
Einfassung durch niedrige Felsgelände sei sehr dem Eindruck jungen Erdreichs, dafs die Vermuthung gerecht-
fertigt ist, es habe ursprünglich den inneren Theil des antiken Hafens gebildet. Es scheint, als wenn zur Zeit
der Erbauung der Burg auf eler Halbinselakropole dieser innere Theil des antiken Hafens schon so weit ver-
sandet war, elafs man durch Vorlegung der erwähnten Mauer den Versandungsprocefs beschleunigen wollte,
um einen unbrauchbaren Theil des Hafens zu beseitigen.

l)e:r Hafendamm wird bei der Zerstörung der Stadt (167 v. Ch.) durch die Römer (vergl. Conze
a. a. O. S. 26) vermuthlich nicht verschont geblieben sein. Von einer Ausbesserung ist nirgends etwas zu sehen.

Genuesische Gebäudereste ziehen sich von dem alten I tafendamm am Strande bis zur Burg. Diese
selbst ist durch einen Graben, ele:r jetzt kaum über eleu Meeresspiegel reicht, vom Festlande getrennt. Der
Graben war gewifs als wasserführend angelegt; wo er ins Meer mündet ist auf beiden Seiten unter Wasser
ein halbkreisförmiger Wall angelegt, eler wohl das Einfahren von feindlichen bahrzeugen verhindern sollte. So
haben späte Geschlechter den vorphaetontischen Zustand, in welchem Antissa e:ine: Insel war, wieder hergestellt.

Die Befestigung mit Graben, Thurm am Mittelthor und der elicke'n runden Bastion, deren hinter
drei Schiefsscharten aufgestellte Kanone:n ele:n Graben bestrichen, scheint jünger (alttürkisch) zu sein als die
obere, wohl schon in der ersten Ze:it der Genuesischen Herrschaft (im 14. Jahrhundert) angelegte Hochburg
mit ihrer dicken Mauer und den fünf vielfach aus antiken Quadern bestehenden Thürmen.

Die: Lage ele:r Stadt ist vetrtrefflich gewählt. An der ganzen Nordküste findet sich kenn Hafen, der
sich mit dem antiken hier messen könnte. Der östlich dicht elabe:i gelegene Dschamur-Liman1), »Schlamm-
häfen«, ist seicht und wird es immer gewesen sein. Methymna hatte:, wie: wir sahen, nur einen kleinen Kriegs-
hafen. An das Stadtterrain schliefst sich nach Süden zu ein bedeutender Hügel an, den die Staelt, wenn sie
wuchs, wohl noch in sich hätte aufnehmen können. Die Stadt hatte: also eleu grofsen Vorzug vor den
übrigen Städten mit Ausnahme von Mytilene:, elafs sie ausdehnungsfähig war; während Methymna, Eresos
und Pyrrha immer nur auf ihre zum Theil recht kleinen Stadthügel beschränkt bleiben mufsten, wenigstens in
der Zeit, als man die Stadtmauern noch nicht in die Ebene hinabzuführen oder aufzugeben waffte.

Das westliche Flufsthal ist fruchtbar und <4're)fs. Der Flufs Vulgaris zieht sich bis zu den Höhen von
Agra und Phterunta hinauf.

So war Antissa gewifs eine furchtbare: und gehafste Rivalin von Methymna. Von Antissa aus konnte
man die stolzen Mauern von Methymna sehen und dieser Umstand mag nicht wenig dazu beigetragen haben,
die Zwistigkeiten der beiden Städte immer wieder in blutigen Begegnungen zum Austrag zu bringen.

') Der »Dschamur-Liman« i>t auf der englischen Karte nicht angegeben,
 
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