Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kraus, Theodor
Hekate: Studien zu Wesen und Bild der Göttin in Kleinasien und Griechenland — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, N.F. 5: Heidelberg: Carl Winter, Universitätsbuchhandlung, 1960

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57160#0028
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II.

Die kleinasiatische Hekate
Es fehlt nicht an Versuchen, Hekates früheste Darstellungen in der bilden-
den Kunst zu erschließen. So hat man in dem Schulterbild einer böotischen
Amphora aus Theben im Athener Nationalmuseum78 die Göttin erkennen wol-
len.79 Es ist der wohlbekannte Typus der πότνια θηρών, den das Vasenbild
wiedergibt, doch mit einigen besonderen Zügen versehen: Die Göttin, flankiert
von zwei Löwen, steht mit ausgebreiteten Armen da, über denen zwei Vögel
erscheinen, während unter dem rechten Arm ein Stierkopf, unter dem linken
ein Tierschenkel sitzt. Der Fisch auf ihrem Gewände vervollständigt das Reich
der abgebildeten Tiere. Dies hat O. Kern dazu verführt, die Vorstellung der
hesiodischen Theogonie von Hekates Herrschaft über Himmel, Erde und Meer
in das Bild hineinzudeuten.
Die Gleichung geht aber nicht ganz auf. Was sollen der Stierkopf und der
Rinderschenkel in diesem Vorstellungskreis? Sie hatten schon in der ältesten
Behandlung den Anlaß dazu gegeben, die Figur als die „Schlächterin“ Artemis
zu verstehen.80 Dabei ist jedoch daran zu erinnern, daß die Verbindung des
Namens Artemis mit αρταμος und άρταμεύω keineswegs sicher ist. Und selbst
wenn sich die Etymologie halten ließe, ist damit noch lange nicht gesagt, daß
ein Vasenmaler um die Wende vom achten zum siebenten Jahrhundert v. Chr.
sie jemals ins Bild gesetzt hat. Der Erklärungsversuch sieht mehr nach moderner
Gelehrsamkeit aus denn nach frühgriechischem Denken und Gestalten. Doch hat
die Herrin der Tiere auch sonst so viel mit Artemis zu tun, daß deren Name
hier wenigstens mit größerem Gewicht genannt werden kann.81
78 Athen, N. Μ. 5839: Wolters, Έφημ. 1892 Taf. 10. Collignon-Couve 462 Taf. 19.
Kern, AM. 50, 1925, 160 Abb. 1. Harnpe, Sagenbilder Taf. 17,2 (Dat. gegen 700
v. Chr.: ebenda 21). K. Hoenn, Artemis 24f. Abb. 1.
78 Kern, AM. 50, 1925, 160 ff. (ohne freilich „präzis die Benennung Hekate vorzu-
schlagen“: ebenda 164). Wilamowitz, GdH. I 179. Picard, RA. 6. ser. 8, 1936, 208.
Laumonier, Cultes 98. Die Deutung abgelehnt von Nilsson, GGRel. I2 723 Anm. 1.
Das im gleichen Zusammenhang von Kern herangezogene Elfenbeinrelief aus Smyr-
na (AM. 50, 1925 Taf. 7) ist von J. D. Beazley und P. Jacobsthal als Fälschung an-
gesprochen worden: Nilsson, Min.-Myc. Rel.2 508 Anm. 86. Ebenso bezeichnet
Hampe, Sagenbilder 108 Anm.4 (vgl. Kunze, GGA. 1937, 281) die von Charbon-
neaux, Prehistoire 1, 1932, 195 ff. Abb. 3 Taf. 7 veröffentlichten geometrischen
Fibeln, in denen der Autor ähnliche Vorstellungen wiedergegeben sehen wollte
(214 ff.), als gefälscht.
80 Wolters, Έφημ. 1892, 223. Vgl. Nilsson, Min.-Myc. Rel.2 509.
81 Zur πότνια ίΐηρών und kleinasiatischen Artemis s. Ch. Picard, Ephese et Claros
499 ff.
 
Annotationen