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Krischen, Fritz; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 3 Heft 2): Die Befestigungen von Herakleia am Latmos — Berlin, Leipzig: Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co., 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.51765#0058
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II. Die Bauweise der Befestigungen.
AUSSENWERKE.
Zum Schlüße haben wir noch die außerhalb der Stadtbefestigung angelegten einzelnen Verteidi-
gungswerke zu schildern. Die höchstgelegene Wartburg ist bereits verschiedentlich erwähnt worden;
sie besteht aus einem Mauerring, der aber nur noch teilweise erkennbar ist. einem viereckigen kleineren
und einem halbrunden Turm, ebenfalls nur schlecht in wenigen Steinlagen erhalten (77)- Die Wölbung
dieses Turmes ist nun sicherlich nicht aus Verteidigungsgründen angelegt, da auf diesem gegen 500 m
hohen, im fast unzugänglichen Gebirge liegenden Felsenkegel die Anwendung von Maschinen undenk-
bar ist, sondern weil man aut dem steil abfallenden Felsenrande mit der halbrunden Außenseite, die
nur die Mittelpartie vorschiebt, am besten Fuß fassen konnte. Die wahrscheinlichste Deutung als Sig-
nalstation ist oben schon gegeben worden (Abb. 35).
Westlich dieser Burg liegt die ebenfalls schon öfter genannte Paß-Sperre (74—76). Es ist das
eine Anlage, die in ihrer Art einzig dasteht und auch außergewöhnlich gut erhalten geblieben ist. Sie
wird im wesentlichen durch eine etwa IOO m lange, 3,30 m starke Mauer gebildet, mit zweiseitig ge-
schütztem Wehrgang. Das Werk verläuft ziemlich genau von Westen nach Osten und springt dabei
zweimal nach Süden in kurzen Absätzen zurück, die es in drei ungefähr gleiche Stücke teilen. Im
Westen endigt es frei auf einem senkrecht abfallenden Felsen. Die wenigen Schichten, die man hier
nur aufzusetzen brauchte, sind allerdings oben stärker zerstört, doch muß natürlich die beiderseitige
Epalxis auf der Stirnseite geschlossen gewesen seih; am Ostende läuft der Wehrgang gegen die Wand
des Felsens, auf dem die Warte liegt, und wird von diesem geschlossen (Abb. 35).
In dem ersten Rücksprung, von Westen gerechnet, befindet sich ein gerade abgedecktei' Durchgang
von P/2 m Breite, die Mauer springt um diese Breite und um ihre eigene Stärke zurück, also gegen
5 m. Der erste Mauerabschnitt endigt mit einem Turm, der den Durchgang auf der Nordseite schützt.
Dieser Turm ist auf quadratischem Grundriß von 7T/2 m Seitenlänge errichtet, die Mauerstärke beträgt
im untern Geschoß 1,20 m, im oberen I m. Das Erdgeschoß war nur zugänglich vom Obergeschoß
mit Hilfe einer Leiter. Es hat wenige Öffnungen, zwei Schießscharten auf der Nordseite, eine auf der
Westseite. Das Obergeschoß ist reicher damit bedacht, es hat auf der Nord- und Ostseite je zwei,
auf der West- und Südseite je eine Schießscharte; die letztere ist die einzige, die den Durchgang auf
der Stadtseite verteidigt. Das Obergeschoß ist bis zur halben Höhe der Schießscharten erhalten; her-
untergestürzte Trümmer sind ziemlich reichlich vorhanden, anscheinend mehr als zur Ergänzung bis
zur vollen Geschoßhöhe nötig sind. Man würde ein drittes Geschoß auch schon deshalb erwarten, weil
die beiden andern nicht gegen Wind und Wetter geschützt sind, und doch ein Raum für dauernde
Unterkunft der Besatzung vorhanden sein mußte. Die Mauerstärke im Obergeschoß ermöglicht es sehr
wohl, noch ein drittes aufzusetzen, da bei gleichem Rücksprung wie zwischen Erd- und Obergeschoß
die übliche Mauerstärke von 80 cm übrigbleibt.
Der zweite Abschnitt des Werkes steigt gegen das östliche Ende stark an und verbreitert sich
dann T-förmig nach Norden und Süden. Während auf dem nördlichen Balken des T der Wehrgang
geschlossen ist und die Epalxis mit ihren Schießscharten, je eine an drei Seiten, turmartig wirkt, setzt
sich an das Ende des südlichen Teils der dritte Abschnitt, der treppenförmig weitergeht und schließlich,
wie oben gesagt, an einer Felsenwand sein Ende und seinen Verschluß findet. Ein regulärer Angriff
ist in dieser Bergwildnis nicht zu erwarten. Wahrscheinlich ist der Bau gegen räuberische Streifscharen,
vielleicht gegen Bergbewohner im Nordosten gerichtet, die aus den sich gegen den Mäander öffnenden
Tälern des Latmos kommen konnten.
 
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