§. 2. Die Meister von Oberitalien und Neapel.
655
Cittadella, und er stammte aus Lucca. 1 Drei W erke seiner
Hand, sämmtlich nebst mehrern andern zu Bologna befindiich,
stellen ihn den crediegensten Meistern der Zeit g-leich: das eine
ist eine figurenreiche und höchst wtirdig gehaltene Gruppe lebens-
grosser Statuen, aus Thon, welche den Tod der heil. Jungfrau
darstellen, im Oratorium della Vita (1519); das andre ein Relief
der Auferstehung Christi, voll ldarer, einfacher Schönheit, tiber
einer Seitenthiir von S. Petronio (1526); das dritte die Marmor-
reliefs am Untersatz der Arca in S. Domenico, geistvolle und
schöne Miniatursculpturen erzählenden Inhaltes. Frühere und
sehr tüchtige Arbeiten in Thon sind von ihm die Halbfiguren
der Apostel im Dom von Ferrara, die Gruppe der Kreuzab-
nahme in S. Pietro zu Bologna, vielleicht auch die Apostel-
höpfe in S. Giovanni in monte ebendaselbst. — Von Guglielmo
Bergamasco findet sich in S. Giovanni e Paolo zu Venedig
eine Marmorstatue der h. Magdalena, welche die reife Schönheit
tizianischer Frauen in Stein darstellt und bei einer freilich nicht
ganz plastischen Auffassung doch durch den grossen Reiz der
Behandlung, z. B. der Hand, anzieht.
Jacopo Tatti aus Florenz (1479—1570), der ursprünglich
ein Schüler des Andrea Sansovino war und nach diesem gewöhn-
lich Jacopo Sansovino genannt wird, hatte wesentlich unter
dieser Inspiration einige beinahe grossartig naive Werke geschaf-
fen : eine grosse Madonna in S. Agostino zu Rom und einen
lebhaft bewegten Bacchus, jetzt in den Uffizien zu F 1 o r e n z,
avozu noch als Werk der höchsten Anstrengung die Statue S.
Jacobus d. ä. im dortigen Dome zu rechnen sein möchte. In
seinen spätern Arbeiten zeigen sich grosse Verschiedenlieiten;
einige sind im Charakter dieser friihern gehalten, andere offen-
baren einen unplastischen; doch nicht unedeln Naturalismus der
Auffassung, einige wenige auch den Einfiuss Michelangelo’s.
Diese zweite Epoche im Leben Jacopo’s begann, als er seinen
Aufenthalt zu Rom (nach der Pliinderung dieser Stadt durch die
Franzosen, 1527) mit dem zu Venedig vertauscht hatte und hier
durch zahlreiche Werke, sowie durch eine bedeutende Anzahl
von Schülern, die seinen St}d nachzuahmen strebten, bis an sei-
nen Tod den bedeutendsten Einfluss ausiibte. Jedenfalls gehört
Jacopo Sansovino nicht zu jenen einseitigen Nachahmern des
Michelangelo, wie deren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts so viele auftauchten , die nur in der Uebertreibung der
Einseitigkeiten des Meisters das Heil fiir die Kunst zu finden
wähnten; im Gegentheil ist in seinen Arbeiten häufig eine zartere
Formeno-ebuno;, eine eigenthümliche Liebenswürdio-keit zu bemer-
ken, die ebensosehr; wie dem eigenen Sinne des Künstlers, emes
1 c. Frediani, intorno ad Alfonso Cittadella, etc. (Vgl. Scliorn’sches Kunst-
blatt, 1835, Nro. 73.)
655
Cittadella, und er stammte aus Lucca. 1 Drei W erke seiner
Hand, sämmtlich nebst mehrern andern zu Bologna befindiich,
stellen ihn den crediegensten Meistern der Zeit g-leich: das eine
ist eine figurenreiche und höchst wtirdig gehaltene Gruppe lebens-
grosser Statuen, aus Thon, welche den Tod der heil. Jungfrau
darstellen, im Oratorium della Vita (1519); das andre ein Relief
der Auferstehung Christi, voll ldarer, einfacher Schönheit, tiber
einer Seitenthiir von S. Petronio (1526); das dritte die Marmor-
reliefs am Untersatz der Arca in S. Domenico, geistvolle und
schöne Miniatursculpturen erzählenden Inhaltes. Frühere und
sehr tüchtige Arbeiten in Thon sind von ihm die Halbfiguren
der Apostel im Dom von Ferrara, die Gruppe der Kreuzab-
nahme in S. Pietro zu Bologna, vielleicht auch die Apostel-
höpfe in S. Giovanni in monte ebendaselbst. — Von Guglielmo
Bergamasco findet sich in S. Giovanni e Paolo zu Venedig
eine Marmorstatue der h. Magdalena, welche die reife Schönheit
tizianischer Frauen in Stein darstellt und bei einer freilich nicht
ganz plastischen Auffassung doch durch den grossen Reiz der
Behandlung, z. B. der Hand, anzieht.
Jacopo Tatti aus Florenz (1479—1570), der ursprünglich
ein Schüler des Andrea Sansovino war und nach diesem gewöhn-
lich Jacopo Sansovino genannt wird, hatte wesentlich unter
dieser Inspiration einige beinahe grossartig naive Werke geschaf-
fen : eine grosse Madonna in S. Agostino zu Rom und einen
lebhaft bewegten Bacchus, jetzt in den Uffizien zu F 1 o r e n z,
avozu noch als Werk der höchsten Anstrengung die Statue S.
Jacobus d. ä. im dortigen Dome zu rechnen sein möchte. In
seinen spätern Arbeiten zeigen sich grosse Verschiedenlieiten;
einige sind im Charakter dieser friihern gehalten, andere offen-
baren einen unplastischen; doch nicht unedeln Naturalismus der
Auffassung, einige wenige auch den Einfiuss Michelangelo’s.
Diese zweite Epoche im Leben Jacopo’s begann, als er seinen
Aufenthalt zu Rom (nach der Pliinderung dieser Stadt durch die
Franzosen, 1527) mit dem zu Venedig vertauscht hatte und hier
durch zahlreiche Werke, sowie durch eine bedeutende Anzahl
von Schülern, die seinen St}d nachzuahmen strebten, bis an sei-
nen Tod den bedeutendsten Einfluss ausiibte. Jedenfalls gehört
Jacopo Sansovino nicht zu jenen einseitigen Nachahmern des
Michelangelo, wie deren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts so viele auftauchten , die nur in der Uebertreibung der
Einseitigkeiten des Meisters das Heil fiir die Kunst zu finden
wähnten; im Gegentheil ist in seinen Arbeiten häufig eine zartere
Formeno-ebuno;, eine eigenthümliche Liebenswürdio-keit zu bemer-
ken, die ebensosehr; wie dem eigenen Sinne des Künstlers, emes
1 c. Frediani, intorno ad Alfonso Cittadella, etc. (Vgl. Scliorn’sches Kunst-
blatt, 1835, Nro. 73.)