Gewehtteile, 1859
Bekanntlich ift man vielfach geneigt, diefe Frage Ichlankwegs
zu verneinen. Nun leben wir noch allzufehr inmitten des
Kampfes der täglich neu (ich erhebenden Gegenfätze, um fchon
jetzt eine fo klare Qberficht gewinnen zu können, die nötig
wäre, um ein ficheres Urteil über die endgiltige Entfcheidung
darauf zu begründen. Aber es fehlt nicht an einer Reihe be-
ruhigender, tröftlicher Symptome, die mich wenigftens be-
ftimmen, die Lage des Kunfthandwerks keineswegs als eine
verlorene anzufehen.
Die Maffenproduktion verdrängt daher das Kunfthandwerk
nicht aus feinem angeftammten Abfatzgebiet, fondern fie
dient nur zur Befriedigung von Bedürfniffen, welche durch
das Kunfthandwerk entweder gar nicht oder wenigftens nur
in weit unzureichendem Maße gefüllt werden können.
Aus »Kunfthandwerk und kunftgewerblichc Maffenproduktion« von Profeffor
Dr. Alois Riegl, Wien, 189$.
•
Dadurch aber follen wir, was die kritiklofe Schwärmerei für
Altes feiten zuläßt, auch ein gerechtes Urteil für die Ver-
diente und Fortfehritte der Gegenwart gewinnen, das uns den
rechten Mut zu felbftbewußtem, frohem Schaffen verleiht.
Gerade je mehr wir die alte Kunft ftudieren, defto mehr
werden wir erkennen, wie viel wir hier noch lernen können,
defto deutlicher aber, glaube ich, auch einfehen, daß nicht
ängftliches Nachahmen, fondern freies, felbftändiges Schaf-
fen das Ziel unferes Strebens fein muß. Unfere Verhältniffe
find im Verlauf des 19. Jahrhunderts fo ganz andere gewor-
den, als es die der früheren Periode waren, daß vor allem
das Kunftgewerbe, das überall fo innige Fühlung mit dem
praktifchen Leben hat, in keiner der früheren Perioden eine
völlig zweckentfprechende Löfung feiner Aufgaben finden
kann; es muß alfo frei, es muß neu geftalten, und diefe For-
derung zeigt fich, mehr als man auf den erften Blick glaubt,
durch Alles hindurch.
Aus »Der Altertümler und das moderne Kunftgewerbe« von Profeffor Dr.
Betthold Rieht, 1896.
•
Es liegt ja auf der Hand, wo das Hauptübel zu fuchen ift.
Die Nachahmung der alten Stile ift eine fehr gute Schule für
die Technik gewefen und hat unfer Auge und unfer Ver-
ftändnis gefchärft. Sie war ein Durchgang, den wir uns nicht
wegdenken können noch möchten; denn wer kann fagen, wo
wir ohne diefe Schule der alten Meifter heute ftünden? Aber
es ift auch das eingetreten, wovor die einfichtigen Theore-
tiker und Freunde der alten Kunft fchon früh gewarnt haben:
wir haben oft über den Alten uns felbft vergeffen, wir haben
zu wenig geprüft und zu viel kopiert, wir haben die Speifen
aufgewärmt, ohne felbft für uns zu kochen, wir haben unfere
Phantafie in behagliche Träume gelullt, ftatt fie ins drängende
Leben unferer Zeit zu ftellen. Darum fühlen wir uns plötz-
lich alt und darum hat die junge Kunft der Amerikaner fo
manches überfchwengliche Lob geerntet.
IO
Bekanntlich ift man vielfach geneigt, diefe Frage Ichlankwegs
zu verneinen. Nun leben wir noch allzufehr inmitten des
Kampfes der täglich neu (ich erhebenden Gegenfätze, um fchon
jetzt eine fo klare Qberficht gewinnen zu können, die nötig
wäre, um ein ficheres Urteil über die endgiltige Entfcheidung
darauf zu begründen. Aber es fehlt nicht an einer Reihe be-
ruhigender, tröftlicher Symptome, die mich wenigftens be-
ftimmen, die Lage des Kunfthandwerks keineswegs als eine
verlorene anzufehen.
Die Maffenproduktion verdrängt daher das Kunfthandwerk
nicht aus feinem angeftammten Abfatzgebiet, fondern fie
dient nur zur Befriedigung von Bedürfniffen, welche durch
das Kunfthandwerk entweder gar nicht oder wenigftens nur
in weit unzureichendem Maße gefüllt werden können.
Aus »Kunfthandwerk und kunftgewerblichc Maffenproduktion« von Profeffor
Dr. Alois Riegl, Wien, 189$.
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Dadurch aber follen wir, was die kritiklofe Schwärmerei für
Altes feiten zuläßt, auch ein gerechtes Urteil für die Ver-
diente und Fortfehritte der Gegenwart gewinnen, das uns den
rechten Mut zu felbftbewußtem, frohem Schaffen verleiht.
Gerade je mehr wir die alte Kunft ftudieren, defto mehr
werden wir erkennen, wie viel wir hier noch lernen können,
defto deutlicher aber, glaube ich, auch einfehen, daß nicht
ängftliches Nachahmen, fondern freies, felbftändiges Schaf-
fen das Ziel unferes Strebens fein muß. Unfere Verhältniffe
find im Verlauf des 19. Jahrhunderts fo ganz andere gewor-
den, als es die der früheren Periode waren, daß vor allem
das Kunftgewerbe, das überall fo innige Fühlung mit dem
praktifchen Leben hat, in keiner der früheren Perioden eine
völlig zweckentfprechende Löfung feiner Aufgaben finden
kann; es muß alfo frei, es muß neu geftalten, und diefe For-
derung zeigt fich, mehr als man auf den erften Blick glaubt,
durch Alles hindurch.
Aus »Der Altertümler und das moderne Kunftgewerbe« von Profeffor Dr.
Betthold Rieht, 1896.
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Es liegt ja auf der Hand, wo das Hauptübel zu fuchen ift.
Die Nachahmung der alten Stile ift eine fehr gute Schule für
die Technik gewefen und hat unfer Auge und unfer Ver-
ftändnis gefchärft. Sie war ein Durchgang, den wir uns nicht
wegdenken können noch möchten; denn wer kann fagen, wo
wir ohne diefe Schule der alten Meifter heute ftünden? Aber
es ift auch das eingetreten, wovor die einfichtigen Theore-
tiker und Freunde der alten Kunft fchon früh gewarnt haben:
wir haben oft über den Alten uns felbft vergeffen, wir haben
zu wenig geprüft und zu viel kopiert, wir haben die Speifen
aufgewärmt, ohne felbft für uns zu kochen, wir haben unfere
Phantafie in behagliche Träume gelullt, ftatt fie ins drängende
Leben unferer Zeit zu ftellen. Darum fühlen wir uns plötz-
lich alt und darum hat die junge Kunft der Amerikaner fo
manches überfchwengliche Lob geerntet.
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