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„Die Kunstauktion“

Jahrg. IV, Nr. 10 vom 9. März 1950



Kat. Nr. 21 18 22
Nr. 21: Silberbecher mit Teilvergoldimg, an der Stirnseite Wappen. Deutsche- Arbeit, XVII. Jahr-
hundert — Nr. 18: Vergoldeter Silberhumpen., Arbeit des H. L. Neiße um 1600 bis 1610 — Nr. 22:
Vergoldeter Silberbecher, Arbeit des Christian Schubert,, Danzig um 1650
Sammlung Schloß Dammitsch i. Schles.
Versteigerung durch Kunstkabinett Breslau, am 18. März 1930
N021: Gobelet d’argent en partie dort, en face des armes. Allemagne, XVIIe siecle — Noi8: Grand bocal d'argent dore,
par H. L. Neisse vers 1600—1610 — No 22: Gobelet d'argent dore, par Christian Schubert, Dantzig, vers 1650
Collection Chateau Dammitsch en Silesie
Vente par Kunstkabinett Breslau, le .18 Mars 1930

werden als wertvollste Äußerungen mensch-
lischer Gestaltungskraft auf Kosten des
Staates angekauft. Im allgemeinen gilt oder
vielmehr galt das Prinzip, daß das Kunstwerk,
das Einlaß in die geheiligten Hallen eines
Museums gefunden hat, auch dort bleiben soll.
Von den studierten und erfahrenen Menschen,
die die Auswahl der zu erwerbenden Kunst
zu treffen hatten, seßte man ein umfassendes
Wissen auf ihren Spezialgebieten voraus und
die objektivste Einstellung den künstlerischen
Leistungen gegenüber. Nur das Beste sollte
der Aufnahme würdig befunden werden. Ein
Beweis dafür, wie sehr man im Ausland den
Museumseinkäufen den Begriff des Definitiven
zugrunde legt, ist der, daß z. B. weder in Eng-
land noch in Frankreich auch nur ein Stück
aus Museumsbesiß wieder verkauft werden
darf. Ich will diesen rigorosen Standpunkt
nicht unbedingt verteidigen. Selbst der
geübteste Einkäufer kann sich irren, und
außerdem seßen sich die Museen zum Teil aus
geschenkten Dingen zusammen, von denen
viele, sicher nicht wert sind, ausgestellt oder
auch nur aufbewahrt zu werden. Troßdem ist
meiner Ansicht nach dieser Standpunkt
besser als der heute, besonders in Museen
moderner Kunst, so oft vertretene, daß näm-
lich langjährige oder allgemeine Anerkennung
keineswegs Vorbedingnung für die Aufnahme
des Werkes bedeutet, sondern daß das
Museum nur so eine Art von Ausstellungs-
lokal ist, in dem man. die Arbeiten von Künst-
lern zur Schau stellt, die zufällig Gnade vor
den Augen eines oft recht kleinen Kreises ge-
funden haben. Jeder Kenner der Materie, der
durch die Räume des Kronprinzen-Palais
wandelt, um die leßte Neuordnung der Räume
in Augenschein zu nehmen, muß diesen Ein-
druck haben. Das anfangs erwähnte Prinzip
erscheint hier ins gerade Gegenteil verkehrt.
Das Altbewährte und international An-
erkannte ist unter die schlechtesten Bedin-
gungen gebracht worden, während einer
großen Zahl von Werken einer kleinen Gruppe
von Künstlern riesige Wandflächen in den
besten Sälen eingeräumt worden sind. So sind
z. B. den Malern Nolde, Kirchner, Heckel,
Feininger, Schmidt-Rottluff, Beckmann usw.
ganze Wände oder gar Räume geopfert wor-
den, während die Meister des französischen
Impressionismus Cezanne, Manet, Renoir,
Monet und Pissarro in schlechten Sälen auf
schlechten Hintergründen so unglaublich
schlecht gehängt wurden, daß sie, besonders
in der bunten Nachbarschaft der anderen,
monoton, ja direkt langweilig wirken. Einige
Meisterwerke, u. a. das herrliche große Kinder-
bild Renoirs, sind im wahren Sinne des Wor-
tes totgehängt worden. Wie prachtvoll wirk-
ten diese Bilder in den kleinen Stübchen im
Obergeschoß der Nationalgalerie Tschudis und
wie traurig sehen sie hier auf dem verschos-
senen Damastbezug Napoleon-trois aus.
Liebermann und Slevogt hat man zwar die
eigenen Säle belassen, aber man kann ge-
trost sagen, es sind ungefähr die schlech-
testen in diesem für ein Bildermuseum an und
für sich schon so wenig geeigneten Hause.
Die Auswahl der übrigen Bilder ist von
einer Einseitigkeit, in der dieses Museum bis
jeßt wohl unerreicht dasteht. Das Experi-
ment ist hier zum Programm ge-
worden. Nur der Geschmack der Direk-
tion und ihrer nächsten Berater kann bei

darauf, daß die Begeisterung der Direktion
für diese Künstler durchaus nicht allgemein ge-
teilt ist. Ich will hier nicht vom Wert oder Unwert
dieser Bilder sprechen. Ich glaube überhaupt,
daß es nicht ganz so leicht ist, die Leistungen
zeitgenössischer Kunst so objektiv zu werten,
wie sich das die Museumsleitung und wohl
auch ein Teil der Ppessö vorsteilt. Es muß
also befremden, wenn eine Direktion ihr Amt
so auffaßt, daß sie ihren augenblicklichen Nei-
gungen gewaltige Opfer bringt und alles
andere aufs stiefmütterlichste zurückseßt.
Diese Methode stellt meiner Meinung nach
eine unerlaubte Bevormundung, und um es
gerade heraus zu sagen, auch eine Irre-

Es scheint uns heute
so gut wie sicher zu
sein, daß die Bilder um
Anton von Werner, die
Werke der malenden
Historiker von 1870, und
viele andere Dinge, die
noch heute die Wände
der gastfreundlichen
Nationalgalerie zieren,
zu ihrem allergrößten
Teil die ehrenden Pläße
einer Museumswand
nicht verdienen. Auch
diese Maler erfreuten
sich durchaus nicht der
allgemeinen Anerkennung der Kunstinter-
essierten und verdankten die Ehrung der
höchst speziellen Einstellung eines kleinen
Kreises. Kaum einer dieser „Meister“ hat den
Weg in den Kunsthandcl gefunden, und troß
der offiziellen Anerkennung von damals gibt
es heute keinen Menschen von Geschmack
mehr, der noch sein Haus mit diesen fragwür-
digen Dingen zieren möchte.
Eine Bevormundung von „Oben“
dürfte der künstlerischen Ent-
wicklung in keinem Fall günstig
sein. Es ist sicher ein gefährliches Experi-
ment, wenn man die Künstler dadurch, daß man
voreilig ihre Schöpfungen in Museen hängt, in

Kat.-Nr. 6 48 52
36 7 35
Einige kleinere Stücke des 65 Nummern umfassenden Silberschatzes., der in Schloß Dammitsch
zur Versteigerung gelangt. — Nr. 36: Eine Kanne. Arbeit des Stettiner Meisters J. F. Tim um 1760.
— Nr. 35: Eine G e w ü r z b ü c h s e. vom Meister . J. A. B„ Bautzen um 1750. — Nr. 52: Eine Pariser
S i 1b e r t a'» s e ä vermeil vergoldet, Me.isterzeichen J. A. B., um 1820
Sammlung Schloß Dammitsch i. Schles.
Versteigerung durch Kunstkabinett Breslau am 18. März 1930
Quelques pieces du Tresor d'argent comprenant 65 Nos, qui sera mis ä la vente au Chateau Dammitsch. — No 36: Pot,
par maitre J. F. Tim de Stettin, vers 1760. —■ No 35: Boite aux epices, par maitre J. A. B., Bautzen, vers 1750. — No 52: Tässe
d’argent doree d vermeil, Paris, Marque de maitre J. A. B., vers 1820
Collection Chateau Dammitsch en Silesie
Vente par Kunstkabinett Breslau, le 18 Mars 1930

Kronprinzen- Palais
Betrachtungen von Walter Bondy

Im allgemeinen verbindet man mit dem Be-
griff des Musealen den des Beständigen, De-
finitiven, Unsterblichen. Kunstwerke, die lange
Zeit hindurch der Kritik standhielten, seien
es nun Schöpfungen wirklich großer Men-
schen oder Musterleistungen des Handwerks
aus hochentwickelten Epochen oder Gebieten,

dieser Auswahl mitgesprochen haben. Das
Urteil und die Wünsche der übrigen Künstler-
kreise und Kunstbeflissenen scheint in der
krassesten Form ignoriert worden zu sein.
Den Löwenanteil des verfügbaren Raumes
erhielten die Mitglieder der Kunstvereinigung
„Die Brücke“, und dies ohne jede Rücksicht

führung des Publikums dar. Jeder mit der
Materie nicht Vertraute muß angesichts dieser
wahren Kollektiv-Ausstellungen
einzelner Künstler den Eindruck haben,
als seien sie und nur sie allein Vertreter der
deutschen Kunst von heute. Selbst wenn man
Nolde oder Kirchner für Heroen auf ihrem
Gebiete hält, hätte man als Museumsleiter
doch nicht das Recht, das Urteil der vielen,
die diese Meinung nicht teilen, in so auf-
fallender Weise zu ignorieren.

Der museale Gedanke, dessen
Grundprinzip, wie schon erwähnt,
größtmögliche Objektivität sein
sollte, ist m e i -
ner Meinung nach
durch ein so
selbstherrliches
Vorgehen aufs
gröblichste ver-
letzt worden.
Man hat dem Leiter
des Kronprinzen-Palais
so oft vorgehalten, daß
er einstmals ein glühen-
der Verehrer der Kunst
Arthur Kampfs
gewesen ist. Ich ge-
höre nicht zu denen,
die ihm einen Strick
daraus drehen wollen,
denn ich weiß, daß das
Urteil der Menschen
durchaus nicht etwas
Feststehendes ist, und
durch eine Unzahl von
inneren und äußeren
Momenten beeinflußt
werden kann.

eine bestimmte Bahn zwingt und dadurch ihre
freie Entwicklung beeinflußt. Man läuft da-
mit Gefahr, einen Eklektizismus zu züchten, der
diesmal für die Kunst weit schlimmere Folgen
haben könnte, als der von Wilhelms des Zwei-
ten Gnaden. Wenn auch die Initiative in die-
sem Falle nicht von einem absoluten Laien auf
künstlerischem Gebiete, sondern von ein paar
kunstwissenschaftlich Gebildeten und ihren
künstlerischen Beiräten ausgeht, ist troßdem
die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen,
daß man sich, so wie man sich damals geirrt
hat, auch heute wieder irrt. — Das Opfer die-
ses Irrtums aber würden in diesem Falle nicht
nur die Künstler, sondern wieder einmal
die Steuerzahler sein, die ja leßten Endes
für alle Irrtümer der Regierenden aufzu-
kommen haben.
Was sonst von jüngeren Künstlern in den
Räumen des Kronprinzen-Palais zu sehen ist,
scheint mir auch recht willkürlich ausqewählt
worden zu sein. Viele gute Namen fehlen
ganz und mancher Mittelmäßigkeit ist von dem
verfügbaren Plaß reichlich viel zugefeilt wor-
den. Hier, wo nicht der „dernier cri“ ent-
scheidend war, ist es überhaupt kaum erkenn-
bar, welches Prinzip man dieser Auswahl zu-
grunde gelegt hat.
Kurz und gut, dieses Museum gibt uns
weder einen Überblick über die Qualität noch
über die Mannigfaltigkeit des modernen deut-
schen Kunstschaffens, sondern nur eine
durch die Brille einer höchst ein-
seitigen Kunstanschauung ge-
sehene Auswahl.
Zum Schluß ns>ch ein kurzes, lehrreiches
Geschichtchen, für dessen Wahrheit ich mich
verbüige: Eine Berliner Dame besißt ein
Meisterwerk von Corinth. Ein Museums-
direktor erbittet das Bild für seine Corinth-
Ausstellung. Die Dame, die nicht gern den
leeren Plaß an ihrer Wand haben will — die
Sache spielte während der „Season“ —, sagt
zu, aber unter der Bedingung, daß man ihr
für die Zeit ein anderes Bild überläßt. Der
Direktor führt die Dame auf den Dachboden
seines Museums und zeigt ihr eine ganze
Reihe von ausrangierten Bildern — ehemaligen
Zierden seiner Galerie. Troß guten Zuredens
aber kann sich die Dame doch nicht ent-
schließen, einen dieser Schinken auch nur als
temporären Ersaß für ihren Corinth mit nach
Hause zu nehmen.
Was also damals so gut schien, gefällt heute
nicht mehr. Man schämt sich dessen sogar.
Man wird sich vielleicht später einmal über
manches schämen, was man heute gut findet.
Andere Zeiten — andere Sitten, andere
Direktoren — andere Bilder.
Hoffentlich ist noch recht viel Plaß auf dem
Dachboden des Kronprinzen-Palais.

LITERATUR
Bücher
Alle Bücher und Werke, die der Redak-
tion der Kunstauktion zugehen, werden
unter dieser Rubrik angeführt. Wir behalten
uns vor, die einzelnen Bücher besprechen zu
lassen. Wie die Zeitschriften, liegen auch
alle eingegangenen Bücher für das Publi-
kum zur freien Einsichtnahme in unserem
Lesesaal, Kurfürstenstraße 76/77, aus.
Wir richten daher an alle Verleger die
Bitte, uns die einzelnen Exemplare gebun-
den zukommen zu lassen.

Der Große Brockhaus, III. Bd. Ble—Che. 15. völlig
neubarbeitete Auflage von Brockhaus Konversa-
tions-Lexikon. Verlag F. A. Brockbaue,
Leipzig, 1929.
Der 3. Band des weithin rühmlichst bekannten
Lexikons macht seinem Rufe alle Ehre. Soweit man
durch Stichproben nachprüfen kann, hält sich die
Neubearbeitung auf der Höhe aller modernen An-
forderungen. Möge man sich über die Kunst der
Buschmänner oder über Boecklin orientieren wollen,
suche man Auskünfte über Wilhelm von Bodes Wir-
ken oder über Botticelli, — überall findet man die
Resultate der neuesten Forschungen verwertet.
Nicht minder natürlich bei so .wichtigen allgemeinen
Themata, wie sie1 die Byzantinische Kunst, das, Buch
und ähnliche Dinge, darstellen,, die in vorzüglichen
Abbildungen und Farbtafeln ein höchst lebendiges
Ansehen gewinnen. — Man kann diesen stattlichen
Band nur mit Freude zur Hand nehmen. —ow.
Das deutsche Lichtbild, Jahresschau 1930. Mit 112
Lichtbildern. Verlag Robert & Bruno
Schultz, Berlin VV. (Preis: geb. 15,— M.)
Dieser neue 3. Band beginnt mit einem lustigen
Vorwort von Peter Panter. . Dann folgt ein mahn-
worthafter Aufsatz von Heinrich Kühn, dem dieser
Band gewidmet ist. Deir literarische Teil schließt mit
Abhandlungen Prof. Dr. Neugebauers über ..Die
Scheinerskala“ und Dr. E. Quedenfeldts über
„Photographie und Lichtbildkunst“.
Das Haupt- und Kernstück bilden natürlich die
über 100 Photographien, in denen alle Motive inhalt-
licher Airt veranschaulicht werden... Vielleicht kommt
die Technik nicht ganz zu ihrem Recht. Davon ab-
gesehen, ist das, was wir dargeboten erhalten, er-
freulich vielseitig und gut durchgearbeitet: Menschen
uni Tiere, Landschaften und Handaufnahmen, Por-
träts und Dinge der Gebrauchskunst, Pf tanzen uni
Organe. Manche beträchtlichen, Leistungen sind dar-
unter. Dramatisch fast Skorpion in Angriffsstellung,
wie überhaupt die Naturaufnahmen ausgezeichnet ge-
worden sind. Von stimmungsvollen, gemäldeartigen
Versuchen ist wenig zu spüren. Das sachliche Ele-
ment überwiegt und gibt erfreulicherweise den Aus-
schlag. — Im ganzen: Wieder eine ausgezeichnete
Arbeit! —ow

Die ewige Stadt
„La Rome d’Hubert-Robert“, Quatre vingt dix
san. guines choisie» et. commentees per G. K.
Loukomski, avec une, ötude de Pierre de
N o 1 h a c de l’Academie franfaise, Vincent,
F r 6 a 1 et Ci e... E d i t e u r s , 4, rue des Beaux-
Arts, Paris (Vie,). — 15 Exemplare auf Velin
d’Arches, die Zeichnungen auf Velin de Rives,
num.: 500 Fr.; 625 Exemplare auf Phototype Ausse-
dat, num.: 300 Fr.
Es war im 18. Jahrhundert, daß Rom den pitto-
reskesten Anblick dargeboten hat. Niemand hat
seinen Reiz und zugleich seine Großartigkeit besser
zu schildern gewußt, ate Hubert Robert. In den elf
Jahren seines römischen Aufenthaltes hat, er eine
Fülle von Rötelzeichnungen und Sepiatuschblättern
geschaffen, die fast ebenso gesucht sind wie seine
 
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