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Donnerstag, 9. Oktober 1834.

Schnorr's Fortgang im LyKlus der
Nibelungen.

Unsere alten Freunde, die Nibelungen, mochten in
ihren Lebenstagen nirgends lange rasten, auch ihre Man-
nen pflegten sie in frischem Athem zu erhalten; letzteres
thun sie auf dem Wege der Rückwirkungen noch immer
fort, davon gibt Schnorr's Thätigkeit lebendige Beweise.
Der Erfolg seiner erhöhten Bemühungen ist so entschie-
de», hat so gerechte Ansprüche auf steigende Anerken-
nung, daß gleich von vornherein auf den veränderten
Stand der Dinge hingewiesen werden muß. Den auf
Veranlassung der letzten Ausstellung besprochenen Kartons
reihe» sich zwei neue an.

J. Siegfrieds Ermordung.

Ein richtiges Gefühl sagte dem Künstler, daß er
Siegfrieds Abschied von der Welt, einen Hanptwende-
punkt des Gedichts, worin Vergangenheit und Zukunft
sich mit ihren Entscheidungen verknüpfen, nicht ange-
messener feiern könne, als in der Umgebung einer reichen
und sprechenden Natur, die aus ihrer Schönheit und
Ruhe einen Trauerkranz flechte, um damit die Todes-
stätte ihres Lieblings zu schmücken. Die eingestreutcn
Züge des Liedes stellen die Gegend in den Wildnissen
dcö Wasgau, wo Bären, Wölfe, Büffel, Elendthiere
und sogar die unklimatischen Löwen über ihre niedrigern
Waldgcnoffen die Herrschaft führen, als eine lockende Ein-
samkeit dar, durchwunden von Blumen, erfrischt von
Quellwasser, ausgezeichnet durch eine prächtige Linde.
Aus diesen Winken hat die Kunst ein Ganzes hergestellt,
das in seiner Anmuth wie ein Tempe der Nibelungen
sich ansbreitct, während es zugleich in seiner Bedeut-
samkeit einen tiefen Ernst verkündigt. Man glaubt
darin jenen freundlichen Blick der Schwermuth zu erken-
nen, worin die Natur so oft innerhalb gewisser Grenzen
die Sprache des menschlichen Gefühls täuschend nachahmt.
Bei der Beschreibung eines historischen Bildes will eö
sich nicht schicken, den Werth des Landschaftlichen bis in's

Einzelne zu verfolgen; so viel muß jedoch bemerkt wer-
den, um dem Verdienste nicht durch Schweigen Unrecht
zu thun, daß die überlegte Führung der Linien, die für
das Verständniß des Zusammenhangs ihre Absichten errei-
chen, indem sie die Mittel der Berechnung gefällig verber-
gen, — daß die geschickte Vertheklung und Anordnung der
Gegenstände, wodurch in dem beträchtlichen Raume nicht
minder Ueberfüllung als Leere vermieden wurde, — daß end-
lich die Wahrheit und Sicherheit in den Darstellungen
der Vegetation, auf jeder ihrer Stufen, von dem Ge-
schlecht der Kräuter, die am Boden wuchern, bis zum
Vau der Linde, die glückliche Gruppirung der Bäume,
mit denen freie Durchsichten harmonisch abwechseln, zu-
sammengenommen eine Vereinigung von Vorzügen bilden,
wogegen kein gesundes Auge unempfindlich bleiben kann.
Schnorr hat darin seine Befähigung für daö Landschaft-
liche in ein Licht gesetzt, das, in Hinsicht auf die bis-
herigen Proben, ein neues heißen könnte, so bedeutend
tritt cs hervor, wäre diese Seite seiner Thätigkeit bei
ausgezeichneten Historienmalern eine seltene, nicht schon
früher in Italien an seinen Arbeiten für die Villa
IVIassimi laut anerkannt worden. Um so erfreulicher ist
es, daß die Gunst des Gegenstandes ihm eine Auffor-
derung darbot, jenen in Rom zurnckgelaffcnen Ruf in
München mit derselben Entschiedenheit zu begründen.
Man würde die gegenwärtige Landschaft übrigens uuvoll-
kommen schätzen, wollte man von ihr sagen, daß sie sich
dem Zwecke der Handlung gehörig unterordne; sie thut
weit Inehr, sie ist von dem Gegenstände der Darstellung
in jedem Betracht so wesentlich bedingt, daß sie ihr
Bestes von ihm empfängt und dasselbe durchgehends zu
seiner Verfügung stellt. Sie gleicht gewissermaßen einem
schweigenden Zuschauer, der durch Haltung und Gcberden
dasjenige unbewußt beschreibt, was um ihn vergeht.
Und diese Macht des Eindrucks entspringt hauptsächlich
von dem Grundtone charaktervoller Stille. In ihm
sammeln sich die Andeutungen deS poetischen Urbildes zum
Nachklange geschichtlicher Einheit, mit ihm verschmelzen
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