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k 42.

Kunst

ult.

Donnerstag, den 23. Mai 1839.

Die Pariser Kunstausstellung. 1839.

An demselben Tage, wo in Frankreich di- große
Wahlschlacht von 1839 geschlagen wurde, ging auch dies-
rnal die Kunstausstellung im Louvre auf, bereu Eröffnung
ausnahmsweise, wegen sehr vieler zu spät eingegangener
Werke, auf den 2. Marz verschoben worden war. Wäh-
-rend die Kaufleute und Politiker mit gespannter Augst
den Ausgang des parlamentarischen Erdbebens abwartc-
ten, welches die verbündeten Mächte der Depntirtenkam-
rner heraufbeschworen, schwebten die Künstler in Paris
ebenfalls zwischen Furcht und Hoffnung; denn auch sie
sollten einen Kampf mit dem Publikum eiugehen, wofern
die Jur» nicht im Voraus ihre Niederlage entschieden
und sie für kampfunfähig erklärt hatte. Man sah sic da-
her an dem Morgen des obenerwähnten Tages in großer
Anzahl vor dem Louvre, und den Meisten merkte man
die brennende Ungeduld an; da die Rede ging, das aka-
demische Geschwornengericht sei) dies Jahr überaus strenge
gewesen. Auf dem Platze bildeten sich verschiedene Grup-
pen von Ziegenbarten und Langhaarcn, welche lebhaft
gestikulirten, und die Langeweile des sehnsüchtigen Har-
rens mit Anekooten aus der Lästerchronik der Ateliers
abzukürzen versuchten oder einem Taschenspieler applau-
Hirten, der nach einer pathetischen Anrede an die umste-
hende Versammlung seine besten Künste aufbietet, „um
so ausgezeichnete Kenner zu befriedigen,« wie er sich ans-
drückte.

Endlich schlägt es eilf llhr: ein Thürsteher in großem
<Aala öffnet die weiten Eingangspforten des Louvre: die
Menge stürzt das prächtige Stiegenhaus hinauf, und nach
Verlauf einer halben Stunde sind Sale und Galerien
Zum Erdrücken voll. Jeder Künstler sucht nach seinen
Werken; die Einen vermissen die ihrigen, und erfahren
so das Resultat der geheimen Berathungcn der Jury; die
Andern finden ihre Gemälde ausgestellt, aber sie hängen
zu hoch oder zu niedrig, zu grellem oder zu schwachem
Lichte; sie schreiben sofort an Herrn von Caillcur, welcher

alle Klagen geduldig anhört, und, wenn's möglich und
billig ist, auch abstellt; er ist außerordentlich gefällig und
eben so nachgiebig gegen gegründete Beschwerden, als
unerbittlich gegen lächerliche Ansprüche.

Die Jnry, welche bekanntlich aus einer Abthcilung
des Instituts gebildet ivird, kan» es Niemanden zu Danke
machen und steht allgemein schlecht angeschricben. Auch
dies Jahr beschuldigt mau sie, wie gewöhnlich, einer stu-
piden Strenge und grenzenlosen Parteilichkeit: von vier-
tausend und etlichen hundert eingeschickten Kunstwerken
soll sie mehr als 1500 verweigert haben, und darunter
Gemälde und Bildhauecarbeiten von anerkannten berühm-
ten Meistern. Es kann allerdings Vorkommen, daß acht
oder zehn Kunstrichter, welchen das saure Amt obliegt,
4000 Bilder und Statuen die Revue passiren zu lassen,
bei der Arbeit ermüden und bisweilen Jrrthümer begehen;
aber bis jezt hat die Erfahrung meistens gelehrt, daß der
strenge Areopag keineswegs so einseitig und partheiisch
zu Werke gegangen ist, als die französischen Journale be-
haupten. Viele von den verweigerten Gemälden und
Statuen sind in Privatlokale» ausgestellt worden, und die
öffentliche Meinung hat das Verdammungsurtheil der
Jury gebilligt; und was die Ungerechtigkeiten gegen an-
erkannte, berühmte Meister anlangt, so sprechen zwei
schlagende Beispiele zu Gunsten der Richter: wir meinen
die Kleopatra von Gigour, welche vor zwei Jahren
zurückgewiesen und auf der vorlezten Ausstellung zuge-
lassen wurde, und den Hamlet von E. Delacroix,
welcher im diesjährigen Salon Aufnahme gefunden, nach-
dem er zweimal abschlägige Antwort bekommen hatte.
Beide Künstler versichern, daß sie ihre Bilder völlig
unüberarbeitet wieder vorgelegt hätten, und die Journale
ziehen daraus den etwas voreiligen Schluß, daß die Jury
ihren Jrrthum später cingesehen und sich geschämt habe;
wir glauben jedoch, daß ihre Nachgiebigkeit keinen andern
Zweck hatte, als an's Publikum zu appelliren, welches
in lezter Instanz dahin entschieden, daß die Herren Jour-
nalisten die Jury verunglimpft hätten, und daß jene
Register
E. C.: Die Pariser Kunstausstellung 1839
 
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