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büßende Magdalena von Schidone in sein kleines Kabinet.
Bei diesem Besuche war es, wo ein charakteristisches
Begegniß aus seinem Leben zur Sprache kam. »24
hatte," erzählte er, „ein Madonneubild vollendet, auf
das ich mir Etwas zu gut that, denn ich darf wohl sagen,
daß schon an einem frühern in Nom gemalten die dorti-
gen Kenner etwas Raphaelisches wahrnehmen wollten.
2ch ließ mein Bild einen Kunstverwandten sehen und
erwartete sein Urtheil. Er betrachtete cö lange schwei-
gend, fuhr dann mit dem Zeigefinger um das Ohr der
Madonna, und sagte: Sehen Sie, Hetsch! diese Partie
hier gefällt mir am besten an Ihrem Bilde." - Ein
aufwallender Grimm verhinderte den guten Mann, weiter
zu reden. —

Gegen das Ende seiner Tage litt er noch an einem
schmerzhaften Uebcl und starb im einundachtzigsten Jahr
an der Lungenlähmung. — Sein Nachlaß enthält histo-
rische und Familiengemälde, ideale Köpfe, Landschaften,
mehrere geistreich behandelte Kopieen, einige Bilder älte-
rer Meister, Skizzen, eine große Zahl werthvoller Kupfer-
stiche, radirte Blatter und ganze Mappen voller Ent-
würfe und Studien, die uns einen Blick in seine rast-
lose Thätigkeit und Künstlersorgfalt gewähren, und für
Kunstzöglinge und Dilettanten manches Lehrreiche enthal-
ten dürften.

Wenn es uns je zusreht, Einiges über die Kunsibe-
Handlung, über Styl und Manier des Verstorbenen zu
sagen, so möchten wir einen Ausspruch des schon einmal
citirten weisen Dichters, der alle Verhältnisse der Kunst
und des Lebens mit klarem Auge zu überschauen wußte,
voranstellen: „Der Alte verliert eines der größten Men-
schenrechte; er wird nicht mehr von Seinesgleichen beur-
theilt." Hetsch war ein Sohn seiner Zeit- Mengs,
Guibal, die französischen Meister liebten die Farbe; das
Auge der Mitwelt halte sich an das klar und hell Aus-
gesprochene, malerisch Bunte gewöhnt. Hetsch bequem te
sich überdies aus Rücksichten den Ansprüchen an ihn als
Porträtmaler. Seine Zeitgenossen liebten aber weder
dunkle Stoffe, noch das Clairobscur einer künstlerischen
Beleuchtung. Selbst ein Nembrandt hätte da kein Glück
bemacht. Man forderte keine malerische Illusion in der
Art, daß man bei gänzlichem Vergessen des Mittels, der
Palette, die Wirklichkeit zu schauen wähnen wollte. Erst
in unfern Tagen wieder scheint namentlich die Düssel-
dorfer Schule zu der Magie des Helldunkels zurückzukeh-
ren. Auch wäre es unbillig, von unserm Meister die
ideale Einfalt, die reinen Schvnheitslinieu der ältern
Italiener zu verlangen, oder ihn im Kolorit mit den
Venetianern, den Spaniern, oder mit Rubens und Van
Dyk zu parallelisiren, noch ungerechter, niederländischen
Fleiß und die Mysterien ihres Pinsels zum Maßstab bei
ihnen anzulegen. Kritische Vergleichung ist überhaupt

nicht unseres Amtes. Sic muß, wenn sie gerecht seyn
soll, alle Verhältnisse in Betracht ziehen, den ganzen
Kreis der Kunst überschauen und jeden Künstler an seine
geeignete Stelle setzen. Im einzelnen Falle zwei ganz
differente Kunstwerke einander gegenüber zu stellen und
ein absprechendeö Urtheil zu fällen, zeugt immer von
Beschränktheit oder Mißwollen.

Noch eher möchte es erlaubt seyn, an zwei gleich-
zeitige, sich befreundete, in demselben Fache sich begegnende
Kunstgeuossen vergleichend zu denken. Wir wollen hier
unfern Wächter nennen. Dieser behandelte bis auf
spätere Zeiten die Farbe immer nur als ein untergeord-
netes Moment, und gab der Intention, der Darstellung
der Idee, dem Ausdrucke rc. den Vorrang. Die Ruhe
seines Sinnes floß in seine Werke über; sein Marius
auf den Ruinen von Karthago, sein Tod des Sokrates,
sein Cimon im Gefängnisse, sein Hiob und eine lange
Reihe allegorischer Bilder deuten bei ihm auf ein Ueber-
wiegcn des Gedankens, der Kontemplation. Hetsch war
temperamentvoller, und so waltet auch in seinen Bildern
das Cholerische, der Affekt mrd Effekt vor; er ist drama-
tischer, Wächter lyrischer. Seine Darstellungen erinnern
oft an das Basrelief, und wären in dieses wohl zu über-
tragen; Hetsch dagegen erscheint moderner, und in manchen
auch größern Bildern dem Genre zugeneigt.

Nicht ohne einigen Antheil blicken wir auf die lezten
trüben 20 Jahre seines Lebens zurück. Wäre es nicht
vermessen, über Schicksalswcge Etwas zu sagen, wäre
das Daseyn des Menschen im Geschicke des Bildners er-
füllt und geschlossen, so könnte man versucht seyn, den
Wunsch ausznsprechen: Möchte der Genius des Künstlers
(des Dichters), dem er den frischen Lorbeerkranz um die
Schläfe gewunden, seine Fackel senken, — so lange dieser
noch grünt!

Stuttgart.

Nachrichten vom Mai.

Persönliches.

Nom, 25. Mai. Gestern Abend zogen »nserc deutschen
Künstler in langem Fackelzug, voran die Hautbvisten deS
hiesigen Militärs, nach der Billa Malta, «in Sr, Majestät
dem Könige von Bayern ihre Huldigung darzubringeu. Sie
betrachteten dies als einen schnldige» Tribut gegen einen
Monarchen, der als erster Beförderer der neuern Kunst so
gerechte Ansprüche auf ihre Verehrung hat. Nach Absingung
eitles voll Dr. H. W. Schulz atts Dresden eigends für
diese Fei-rlichkeit gedichteten Liedes kam der König in den
geräumigen Vorhof der Villa herab und unterhielt sich mit
den Künstlern. Ein zweites Lied und ein wiederholtes Lebe-
hoch beschlossen die Feier, worauf der König vom Fenster
aus nochiuals seinen Dank aussprach.
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