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2b 72.

Kunst -Blatt

Donnerstag, den 5. September. 1839.

Zur Geschichte der Holzschneidekunst in

Frankreich.

(Fortsetzung.)

Das Verfahren Bewicks verbreitete sich sehr bald
ganz allgemein in seinem Vaterlande, und zwar mit dem
glücklichsten Erfolge. Vor etwa zwanzig Jahren brachte
es der Engländer Charles Thompson nach Paris,
wo es ebenfalls die erfreulichsten Resultate geliefert hat.
Während die englischen und französischen Künstler eine
Menge vortrefflicher Holzschnitte zu Tage fördern, welche
sich würdig den Meisterwerken des töten Jahrhunderts
anreihen, sind die deutschen Künstler allein noch zurück-
geblieben. Die Holzschnitte, welche man bei uns aus-
gcführt hat, und welche mir zu Gefickt gekommen sind,
haben als Kunstwerke wenig eder gar keine Bedeutung.
Gnbitz in Berlin ist in seinen Arbeiten geistlos und
mechanisch; Goethc's Ausspruch: »Gubitz ist unter den
Holzschneidern der beste Dichter und unter den Dichtern
der beste Holzschneider« charakterisirt hinlänglich, was
Gubitz in den beiden Künsten leistet. Den Holzschnitten
seines jährlichen Kalenders kann man nicht viel Gutes
nachrühmen. Unzelmann in Berlin folgt ganz der Gu-
bitz'schen Manier, und kann also ebenfalls nicht in Betracht
kommen. Ho csel in Wien sucht in seinen Holzschnitten
den Kupferstich, besonders die Radirmanier, nachzuabmen,
worin er nicht immer glücklich ist; für seine gelungenste
Arbeit in dieser Art halten wir den Kopf einer alten
Frau im Geschmack Rembrandts, welcher im Pfennig-
magazin abgedruckt steht. Neuer von München ist, wo
möglich, noch geistloser und mechanischer, als Gubitz. Von
den in Deutschland erschienenen illnstrirtcn Ausgaben sind
mir in Paris Gellert's Fabeln bekannt geworden; ich
glaube jedoch nicht, daß die darin befindlichen Illustratio-
nen von-Osterwald,wirkliche Holzschnitte sind, sondern
wäre eher geneigt, sie für hochgeäzte Lithographien oder
nach Dembour'scher Manier hergestellte Typen zu halten. -

Die Holzschnitte, welche wir sonst noch in Raczinsky's
Werk über die moderne Kunst, im Pfennig- und Heller-
Magazin, in einer von Psuvrr in Darmstadt illustrirten
Naturgeschichte, in einem Mahrchen- und Wunderbüchlein
von G. Görres rc. gesehen haben, verdienen kaum Er-
wähnung und sind so geschmacklos, so ohne alles Salz,
daß man sie nicht genießen kann. Die Holzschnitte zu
Herders Cid gehören nicht in diese Kategorie; sie sind
von fremden Künstlern ansgeführt worden. — Es liegt
in diesem Augenblick ein Heft Holzschnitte vor uns, welche
von zwei deutschen Malern und Formschneidern aus Mün-
chen, den Herren K a sp a r B r a u n und I o h a n n R e h l c,
gearbeitet sind, und worauf unser eben gefälltes Urtheil
über deutsche Holzschnitte nicht anwendbar ist. Eine geist-
reiche, artig gedachte und nett ausgeführte Titelvignettc
zeigt uns die beiden Künstler in dem Coups der Diligence
von Metz, welche sie nach Paris bringt; die übrigen
Blätter stellen vor: das Schaffet, sehr fleißig und sorg-
sam gearbeitet und im Druck sehr sauber gerathen; die
Nachtwache, sehr hübsch kvmponirt und mit vieler Liebe
und Pflege geschnitten, bat leider beim Abdruck hie und
da Flecke bekommen; das küssende Paar, unseres Erach-
tens der gerathenste Holzschnitt der Sammlung, was
leichte, schöne, graziöse Ausführung anbetrifft; die meiste
Beachtung dagegen verdienen die beiden lezten ziemlich
großen Blätter: zwei Krieger, welche das Eingangsthor
einer Feste verthcidigen, und zwei Andächtige, ein junger
Mann und ein junges Mädchen, welche in einer Kirche
beten. Hinsichtlich der Zeichnung und des Schnitts, welcher
namentlich in mehreren Einzelnheiken der beiden leztgc-
nannten Holzschnitte ganz vorzüglich ausgefallen ist, sind
alle Blätter gleich schätzbar, und erscheinen neben den
Arbeite» der französischen und englischen Formschneider
in dem vortheilhafcesten Lichte. Diese Sammlung der
Herren Braun und Rehle berechtigt zu schönen Erwar-
tungen, und es mag mir gestattet seyn, hier die Uebcr-
zeugnng auszusprechen, welche die Bescheidenheit und
Anspruchslosigkeit dieser beiden Künstler vielleicht ablehnen
Register
Eduard Collow: Zur Geschichte der Holzschneidekunst in Frankreich (Forts.)
 
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