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auf der Stelle, daß der Gestalt, die wir vor uns haben,
wie sie sizt und sich bewegt, ja sogar dem durchfurchten
Kriegerantlitz, der gewählte Waffenschmuck durch einen
dreißigjährigen Gebrauch ganz eigen, ja so mit ihm ver-
wachsen ist, daß ihn ablösen so viel heißen wurde, als
den Mann skalpiren. Selbst das gehört zur Vollendung
des Eindrucks, daß kein Mantel, der sammt seinen ma-
lerischen Massen und dem Reiz des Gcfältcs hier doch
nur eine unnütze Zuthat, eine dem sogenannten Geschmack
gemachte Konzession seyn würde, über die Schultern fällt.
Es liegt eine ergreifende Gewalt in dieser mit der Würde
und Bedeutung der dargestellten Person scheinbar sehr
kontrastirenden, nur den Kriegsmann bezeichnenden Ein-
fachheit; allein wir dürfen uns dadurch nicht irre und
zu der Vorstellung führen lassen, als ob sie allein diese
Wirkung hervorbrächte; lie ist nur die Begleiterin anderer
künstlerischer Kräfte, die überall von wesentlichem Belang
sind. Ohne die nur in der Aufgabe selbst begründete,
durch keine äußere oder ilcebenbeziehung gelei.ete Wahl
der Motive, ohne die durchgreifende Wahrheit und Un-
mittelbarkeit einer jeden Bewegung der Arme und Hände ic.
sowohl, wie der des Körpers und vornehmlich des leise
nach vornen abwärts gesenkten Kopfes ans dem streit-
rechten Halse; ohne die durch das edelste Maß der Theile
und ein sich ausgleichendcs Wechselverhältniß der Bewe-
gungen erreichte Harmonie; ohne die dadurch erlangte
Schönheit aller Linien, die überall, wo sie sich vom Mit-
telpunkt entfernen, wieder zum Ganzen sich schließen,
kurz ohne Wahrheit und Schönheit im höher« Sinne
würde auch die höchste Einfachheit nur wenig helfen.

Was die Ausführung insbesondere betrifft, so sind
Formen und Verhältnisse mit Bedacht gewählt und nach
einem großen Maßstab gemessen. Als die Statue noch
im Gießhaus stand, kamen die Beine des Pferdes Jeder-
mann zu lang vor; nun an ihrer weit über unser Auge
hinaufgerückten Stelle, wo die Linien des Unterleibs so
viel von ihrer Länge abschneiden, haben sie gerade das
erforderliche Maß. So muß der Bildhauer in die Zu-
kunft hineinarbeiten, um später der Gegenwart zu ge-
nügen. Die Ausarbeitung aller Theile, vornehmlich des
sehr edel gestalteten Rosses, ist bewunderungswürdig, und
bei aller Detaillirung auf die Wirkung in die Ferne wohl
berechnet. Ganz besonders schön ist das Angesicht des
Fürsten, mit seinen überschatteten Augen, den gebieten-
den Lippen, der ernsten durchackerten Stirn, der kräftigen
Römernase und dem leicht herabwallenden Haar.

ES kann nicht fehlen, daß nicht auch Wünsche und
Bemerkungen entgegengeftzter Art laut werden sollten;
es sep mir erlaubt, am Schluß meines Berichtes einiger
zu gedenken, die mir öfter von einsichtigen Männern
gemacht worden. Der Kopf des Thieres erscheint Vielen
zu kurz; eben so der Schweif, der — wäre er voller und

länger, das edle Aussehen des Thieres noch erhöhen
würde. Auch am Postament wünscht man eine kleine
Veränderung, die leicht zu bewerkstelligen wäre, eine
Abflachung der Platte, auf der das Roß aufsteht, nach
allen vier Seiten, damit die gegenwärtig durch den
Cvntour derselben verdeckten Hufe sichtbar werden möchten.

Abbildungen von Kunstwerth sind bisher im Kunst-
handel noch nicht erschienen. Dagegen ist eine verkleinerte
Nachbildung von i.ö" Höhe (zu" mit dem Postament) in
der Erzgießerei geformt worden, davon Abgüsse in Gyps
und Erz zu haben sind.

(Fortsetzung folgt.)

Nachrichten vom September.

Ianwcrlie.

London, 21. September. Da der nun bald vollendete
Thcmsctnnncl sich wenig zur Beförderung des Verkehrs eignet,
weil man eine hohe Wendeltreppe hinauf- und eine hinab--
steigen muß, so hat Graf Hawks de la Gricc den Vor-
schlag gethan, in dem Tnnnel die Büsten berühmter Männer
aufzustellen und an den beiden Eingängen zwei Trinmph-
bbgen, den einen für die brittischc Seemacht, den andern
für das Landheer, aufzustclle».

Kainz, 24. September. Unsere neue Frnchthallc, an
welcher man seit drei Jahren gebant hat, ist nun vollendet.
Sie ist das größte Gebäude dieser Art in Deutschland. Der
innere Raum ist 200 Fuß lang, ioo Fuß breit und 72 Fuß
hoch, ungerechnet den rings herumlaufenbe» sr> Fuß breiten
Korridor. Dieser Ranin kann vermittelst eines nach Gefallen
cinznfügenden Plafonds und Fußbodens nebst zugehörigen
Dekorationen in einen prachtvollen Saal umgestalrct werde»,
welcher für 7 bis 8000 Menschen Raum hat. Man bereitet
jezt einen beweglichen Lnstheizungs-Apparat für diesen Frncht-
markt. Die Mainzer Liedertafel hat für die ei» für allemal
erlegte Summe von Kvoo Thlr. die Befugnis! erhalten, in
diesem Lokal ihre jährlichen großen Mnsikftstc zu halten,
deren nächstes am 5., 4. und 5. November statt finde»
wird. Auch zu landwirthschastlichen Festen, Karnevalsbällen
und andern öffentlichen Feierlichkeiten wird dies Lokal ge-
braucht werden.

Lircnsiiach, I. September. Die Ebernburg, diese herr-
liche Ruine an der Nahe in der Pfalz, einst das Schloß
Franz von Sickingens, wird durch den Gutsbesitzer Herrn
Günther v. Feil-Bingert ganz im Geschmack des Mittel-
alters wicdcrhcrgeflcllt.

Knilchen, 17. September. Die Burg TrauSuitz in der
Oberpfalz, in welcher Friedrich der Schöne von Oesterreich
drei Jahre lang in Haft faß, wird auf Befehl des Königs
ganz im alterthümlichcn Style wiedcrhergeftcllt.

Wien, io. September. Die Abtragung der Spitze des
Stephansthurms bietet außerordentliche Schwierigkeiten dar.
Ueber deren Ausdehnung ist die Kommission noch nicht einig;
die Herstellung der senkrechte» Richtung der Spitze würde zehn
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