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uni) unverkennbar die glanzvollste Stelle des Gebäudes.
Zwischen zwei mit Stucco lustro bedeckten Mauern, in
gerader sanftaufsteigender Richtung, führt, nur von
einem einzigen Treppenspiegel unterbrochen, die Stiege
zum vbern Stockwerk des östlichen Flügels empor. Die
Seitenwände schließen nach oben mit einer Balustrade
und einer Säulenreihe auf jeder Seite ab, von welcher
das in Gold und bunten Farben strahlende, mit Ara-
besken und Figuren ausgeschmückte Gewölbe getragen
wird. Zwischen Balustrade und Fensterwand zieht sich
an jeder der zwei Seiten ein breiter, offener Gang hin,
durch welchen die mittlere Verbindung des östlichen und
westlichen Flügels im ersten Stockwerk hergestellt ist.
Diese Gänge sind im Kreuz gewölbt, während über der
Stiege ein Tonnengewölbe cvnstruirt ist. Die einzelnen
mit Arabesken verbundenen gemalten Figuren, genien-
hafte Kinder, abwechselnd mit Gestalten von Erwachse-
nen, beziehen sich auf den literarischen Inhalt des Ge-
bäudes, sind Anspielungen auf einzelne Zweige gelehrter
Bildung, Philologie, Archäologie, Botanik, Zoologie rc.,
auch auf die Erfindung und Ausübung des Buchdrucks
u. dergl. In den Lünetten über den Fenstern sind Me-
daillons angebracht mit den Bildnissen ausgezeichneter
Dichter, Forscher und Gelehrten alter und neuer Zeiten,
in Gypsrelief, als z. B. Goethe, Schiller, Shakespeare,
Kepler, Galilei, Herodotus u. s. w. In einer großen
Lünette grade über dem Aufgang ist außerdem ein
größeres Gemälde von drei weiblichen allegorischen Ge-
stalten angebracht, die in ihrer Verschlingung auf eine
Vereinigung der Wissenschaften deuten. Vor dem Auf-
gang im Erdgeschoß ist eine Verbindung des Treppen-
hauses mit den Höfen zur Rechten und Linken offen
gehalten und ihre Bogen sind durch Marmorsäulen von
schweren und mächtigen Verhältnissen getragen, an denen
als Eigenthnmlichkeit die Bildung des Piedestals ohne
Platte unter dem Wulst zu bemerken ist. Die Capitelle
von weißem Marmor sind auf der Grundlage romanischer
Form mit mannigfachem Laubwerk neuer Zeichnung
verziert.

Abgesehen von Pracht und Glanz der Ausschmückung
verdient die Anlage dieser Treppe, die aus dem Ein-
gang gradezn auf kürzestem Wege in das Vorzimmer
des Lesesaals, wo die Bücher in Empfang genommen
und abgegeben werden, führt, die rühmendste Aner-
kennung, und es steht zu hoffen, daß sie nicht, wie es
wohl zuweilen bei Prachtwerken geschieht, nur zur Freude
der Augen, oder zum Genuß für einige Auserwählte,
sondern daß sie bei Eröffnung der Bibliothek für das
Publikum, dem Plaue des Architekten gemäß, zum wirk-
lichen allgemeinen Gebrauch bestimmt ftyn werde.

Einen gleicherfreulichen Anblick gewährt der hohe,
geräumige, lichte, luftige Lesesaal, dessen gewölbte

Decken von Säulen getragen werden und der bequem
Platz gewährt für achtzig Leser. Da die Fenster gegen
Osten liegen und die Bibliothek nur in den Vormittags-
stunden dem Publikum geöffnet ist, so ist selbst bei trüber
Witterung und ungeachtet der großen Tiefe des Saales
überall ausreichendes Licht. Aus diesem Saale führen
Thüren nach dem Vorzimmer, nach den Ständen des
Sekretairs und denen der Diener, nach den für das
Direktorium und die Verwaltung bestimmten, äußerst
gefälligen und bequemen Räumlichkeiten, nach einem
Corridor vor den letzter» und nach den Büchersälen;
kurz es bildet dieser Saal, seiner Bestimmung ent-
sprechend, den wirklichen Mittelpunkt des Gebäudes,
wobei hervvrzuheben, daß seine Lage gegen die Seite
des englische» Gartens, wo keine Straße vorüberführt,
den literarisch Beschäftigten vollkommene Ruhe gewährt.
Die Heizung geschieht durch Kelleröfen.

Dem großen Lesesaale entspricht in der vorder»
Abtheilung ein geräumiger, glänzend verzierter Saal
grade über dem Vestibüle und von dessen Dimensionen;
als Empfangsaal bestimmt, damit von hier ans — wohin
man durch die Gänge des großen Treppenhauses gelangt
— von hohen Gästen der Besuch der Bibliothek begonnen
werden könne. Die übrigen Säle und Zimmer der
beiden ober» Stockwerke des ausgedehnten Baues sind
zur Aufnahme von geschriebenen und gedruckten Werken,
deren die hiesige Bibliothek eine sehr bedeutende Menge
zählt (man schätzt sie auf 800,000 Bände und gegen 2000
Manuscripte), bestimmt und eingerichtet. Die für die
Aufstellung der literarischen Schätze getroffene Anord-
nung erscheint sogleich beim ersten Anblick durchaus
zweckmäßig, und hat sich — soviel bekannt — bisher
allgemeiner Zustimmung der Sachverständigen zu er-
freuen gehabt. Die Bücherschränke, die eine Höhe von
6 Fuß nicht überschreiten, sind an den Wänden befestigt
und zwar in jedem der untern Säle in drei, in den
ober» in zwei Reihen über einander; vor jeder ober»
Reihe läuft eine Gallcrie her, die durch Treppen zu-
gänglich ist. Wie die Säle, so stehen die Gallerten
durch Thüröffnungen unter sich in Verbindung, ja es
führen Stiegen aus jedem Saal des ersten Stockwerks
in den darüberliegenden des zweiten, so daß alle Bücher-
räume zu durchlaufen sind, ohne daß man eine Thüre
zu öffnen oder zu schließen braucht. Auf den Gallerien
sind übcrdieß überall Klapptische zur Aufstellung von
Büchern angebracht. Die aus diese Weise bewirkte Ent-
fernung aller tragbaren Leitern, muß als eine wesent-
liche Verbesserung angesehen werden, wenn auch dadurch
mehr an Sicherheit und Ordnung, als an Zeit gewonnen
wird. Zeitersparniß kann ohnehin bei einer Anlage,
bei der für eine ferne Zukunft vorgesehen ist, in welcher
ohne räumliche Verlegenheit für die Anstalt, der Bücherschatz
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