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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0018

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15

Literatur — Vermischtes

16

Bruck es auch vermerkt, bei den Briefen vom 7. Dezember 1613,
vom 15/Dezember 1613, vom ? April 1615, vom 26. April
1615, vom 29. November 1615 fehlt leider der Hinweis
auf Ilg. Und alle von 11g veröffentlichten Archivalien hat
Conrad Buchwald in seiner dem Vries gewidmeten Mono-
graphie (Leipzig, E. A. Seemann, 1899) auf S. 63—74 und
115f. Anm. 55 benutzt; Bruck aber zitiert dieses Buch, das
schon vor ihm die Beziehungen des Künstlers zum Fürsten
Ernst eingehend behandelt hat, nur einmal, zusammen mit
anderer Literatur bei einem Hinweis auf des Bildhauers
Arbeiten in Drottningholm, u. z. zitiert er es — ein pein-
licher Lapsus — unter dem Autornamen Buchner!

Wenn also die wesentlichsten Urkunden schon früher
einmal veröffentlicht waren, so könnte das Buch immer
noch eine brauchbare Zusammenfassung der Kunstbestre-
bungen des Fürsten bilden. Doch auch hier versagt es,
denn es fehlen die Urkunden, die sich auf das Verhältnis
des Fürsten zum Maler Rottenhammer beziehen und die
R. A. Peltzerim Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen
des Allerhöchsten Kaiserhauses Band XXXIII, Heft 5 (1916)
publiziert hat. Bruck scheint diese Archivalien zwar in der
Hand gehabt zu haben, doch las er sie nicht mit genügen-
der Aufmerksamkeit. Dadurch stellt er die Entstehungs-
geschichte des Taufbrunnens von Vries unrichtig dar; denn
wie aus dem bei Peltzer in extenso (S. 365) abgedruckten,
bei Bruck (auf S. 41) nur nachlässig exzerpierten Brief
Rottenhammers vom 20./30.Märzl613 hervorgeht, hatte nicht
der Bildhauer selbst, sondern Rottenhammer, der das Ver-
trauen des Fürsten besaß, dasreizvolleOußwerk erfunden und
die erste Visierung davon dem Vries nach Prag zugeschickt.

Es sind viele alte Wahrheiten, aus denen diese »Studie«
zusammengeklaubt ist; einige alte Unrichtigkeiten, die mit
hineingerutscht sind, nun aber, da die Abbildungen — der
einzige wirkliche Wert des Buches und ein reiches vorzüg-
liches Arbeitsmaterial! — eine Nachprüfung gestatten, aus-
gemerzt werden können. Das Bild von Antonius Boten
im Mausoleum in Stadthagen stellt niemals das Jüngste
Gericht dar (Abb. 7), als welches es auch sonst in der
Literatur vorkommt, sondern seinen häufig gebrachten
Typus, die Vision des Ezechiel, und zwar die ersten
Worte des Herrn zum Propheten. Wenn Bruck sich
nur die ähnliche Darstellung auf dem Holzrelief des Chri-
stoph Oertner in der Schloßkapelle zu Bückeburg (Abb. 48,
»Auferstehung der Toten«) genauer angesehen hätte, viel-
leicht wären ihm dann die Windgötter, die die zweite
Rede des Herrn illustrieren, aufgefallen: »Und ei sprach
zu mir (er = der Herr; man sieht ihn links oben, wie er zu
dem Propheten herunterspricht): Weissage zum Winde ...
So spricht der Herr: Wind komme herzu aus den vier Win-
den und blase diese Getöteten an, daß sie wieder lebendig
werden. Und ich weissagte . . .« Am einfachsten und am
eindeutigsten wäre dem Verfasser dieses ikonographische
Rätsel gelöst worden, wenn er entdeckt hätte, daß Gertners
Relief Zug um Zug die von Johannes Sadeler gestochene
Komposition des Martin de Vos in die Skulptur umsetzt,
denn der Stich bringt auch den lateinischen Text aus dem
Buch Ezechiel, Kap. XXXVII!

Auch die beiden kleinen Bronzekopien des farnesischen
Stieres im Grünen Gewölbe und in der Liechtensteingalerie
stammen nicht aus der Vriesschen Werkstatt, wie Bruck
der älteren Literatur nachschreibt, sondern sind von dem

großen Stück in Gotha völlig unabhängige italienische Ar-
beiten nach der Antike, die ich in meinem Aufsatz über
die Bronzen der Fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer
(Jahrb. des Kunsthist. Instituts der Zentr.-Kom. 1917) aus
stilistischen und anderen Gründen dem Florentiner Francesco
Susini zuweise. Wenn Bruck wenigstens die Mühe nicht
gescheut hätte, das Dresdener Stück, das ihm doch so
bequem erreichbar ist, mit der vorzüglichen Photographie
nach dem »Toro« in Gotha zu vergleichen, niemals
wäre er zu einer neuerlichen Wiederholung dieser unhalt-
baren Tradition gekommen.

Die kunsthistorischen Betrachtungen zu dem gut ge-
wählten und vorzüglich reproduzierten Abbildungsmaterial
sind recht oberflächlich gehalten; für den Auferstehungs-
christus im Mausoleum muß sonderbarerweise Michelan-
gelos Figur in Sta. Maria sopra Minerva als »augenschein-
liches« Vorbild dienen; bei der herrlichen Tür im »Gol-
denen Saal« werden Erinnerungen an Sansovino und Gio-
vanni Bologna wach. Tiefere Probleme kennt und löst
aber der Verfasser nicht; daß z. B. eben diese Türe eine
auffallende stilistische Übereinstimmung mit dem (zu An-
fang des Buches abgebildeten) Titelkupfer aus der Chronik
Spangenbergs (Stadthagen 1614) zeigt — man vergleiche
das charakteristische Sentiment der weiblichen Figuren oder
den Putto links auf dem Stich mit dem rechts oben an der
Türe — ist dem Verfasser entgangen. Als die »Schöpfer«
der Türe werden zwei Bildschnitzer überliefert; gewiß
haben diese den köstlichen Aufbau nicht selbst erfunden,
das Genie eines Malers steht dahinter ebenso wie hinter
dem vorzüglichen Stich, Bildschnitzer und Stecher waren
nur die umsetzenden Organe eines einheitlichen Erfinders.
An welchen der zahlreichen vom Fürsten beschäftigten
manieristischen Maler wäre wohl zu denken?

Es ist bedauerlich, daß der Krieg trotz aller Papier-
knappheit und Mangel an Arbeitskräften das Erscheinen
so unnötiger literarischer Erzeugnisse nicht verhindern
kann; daß es auch hier nicht »die Auslese des Besten«
ist, die die böse Zeit übersteht. Tietze-Conrat.

VERMISCHTES

Meister H. Thoma hat im Laufe dieses Sommers sein
künstlerisches Lebenswerk nach zwei Seiten hin bedeutungs-
voll und bemerkenswert erweitert: Einmal durch die auf
Aluminiumplatten gemalte Folge der sieben Wochen-
regenten, die in der Art der Wandbilder im Thoma-
Museum zu Karlsruhe (vgl. auch den »Festkalender«) ge-
halten sind. Sie sind zunächst als Wandschmuck eines
auch öffentlich zugänglichen Raumes gedacht, dessen hier
sich abspielendes tägliches Leben sie durch ihre sinnvolle
Kraft und Schönheit verklären könnten, würden aber auch
einem mehr intimen Gemach durch ihren farbigen Glanz
Würde und Weihe geben. — Weiterhin entstanden in den
Tagen der Sommerfrische 24 neue Kaltnadelarbeiten land-
schaftlicher und figuraler Art. Thoma hat die Vorwürfe
zu diesen Radierungen zum Teil einem alten Skizzen-
buch der sechziger Jahre entnommen, so daß sich, höchst
reizvoll, die frühe Kunstweise des Meisters mit dem zur
höchsten Einfachheit ausgereiften graphischen Stil der Kalt-
nadel vereinigt. Damit umfaßt das radierte Werk Thomas
nunmehr 225 Platten. b.

Inhalt: Dreizehnter Tag für Denkmalpflege. I. — Friedrich Wilhelm Bredt t; Ernst Hardt t; Edgar Degas f. — Personalien. — Wettbewerb
zur Erlangung von Entwürfen für ein Plakat der Mustermessen in Leipzig. — Ausstellung im Kunstverein zu Köln. Ankäufe von Gemälden
auf der Oroßen Berliner Kunstausstellung in Düsseldorf durch die Stadt Berlin. Ausstellungen in Karlsruhe, Erfurt und Wien. — Robert
Bruck, Ernst zu Schaumburg, ein kunslfördernder Fürst des 17. Jahrhunderts. — Neue Arbeiten von H. Thoma.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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