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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0025

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Ausstellungen

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die Tochter selbst im Gefühl des guten Gewissens ihrerMutter
sich mit stolzer Geste an die Brust schlug, da sie es ge-
wesen sei, welche die Großen der deutschen Kunst zuerst
geehrt hätte durch Medaillen, so Böcklin 1876, Feuerbach
1862, Torna 1892 usw. (Der Vorsitzende Schlichting ver-
gaß leider aus dem Vermächtnis Feuerbachs die sehr bittere
Briefstelle von der Medea und dem Parisurteil vom Jahre
1870 — also nach der Medaille — zu erwähnen.)

Wieder gaben die schönen Räume der Akademie am
Pariser Platz, zumal der Vorsitzende mit Recht betonte,
daß Ausstellungen keine Talente hervorrufen können, die
schöne Gelegenheit, eine ebenbürtige Qualitätsauslese vor-
zunehmen. Von den dreihundert Bildern aber vermögen
kaum ein Dutzend zu interessieren, obwohl sich die »Kriegs-
hilfe« wenigstens in der Kunst, auch einmal mit Qualität
und nicht bloß mit Kunstersatz vertragen würde. Noch
vor zwei Wochen hob die ruhige Würde dieser Räume das
Lebenswerk Liebermanns mit freiem Stolz empor, wie wir
es nie haben wirken sehen, und jetzt werfen dieselben
Wände eine Durchschnittskunst grell zurück. Kein sub-
jektives Programm, sondern die Qualität selbst richtet hier.
Allein man hat sich überdies noch einen zweiten strengen
Riohter ins Haus gebracht. Eine kleine Anzahl auswärtiger
Gäste mit kaum 10 Bildern bringen den Wirt in einige
Verlegenheit. Nicht daß irgendwann Münchener Pinsel-
bravour und Genügsamkeit im Erfassen des Wirklichen als
Durchschnittsqualität einen sonderlichen Eindruck hinter-
lassen hätten, in dieser Umgebung aber ist man geneigt, so
etwas wie freigewordenes Handwerk darin zu erblicken. So
wird man sich wahrlich für das kitschige »Frauenbad« von
Antengruber nicht interessieren und Münchener Kritik selbst
würde dem lockeren Treiben des Pinsels und der Farben
ernste Vorhaltungen machen. Auch Leo Putz' »Herbst-
träume« würde man nicht wohlwollend denselben gefälligen
Göttern nachziehen lassen, während Püttners »Weihnachts-
baum« dem Erfassen des Eindrucks mehr Arbeit und Ringen
widmet, und Schramm-Zittau wenigstens neben dem Inten-
sitätsgrad auch dem Lichtwert der Farbe Beachtung schenkt.
Und schließlich: Walter Firles Fähigkeit, einen bedeutenden
Vorgang in Charakteren zu gestalten, hat man kaum be-
sonders wahrgenommen; jedoch sein »Herr bleibe bei uns«
steigt im Vergleich zu dem Historienbild des Berliner
Akademieprofessors Schlabitz zu einer seltenen Höhe der
Kunst zu komponieren und zu charakterisieren auf. Hier
durfte Kriegshilfe nicht entschuldigen.

Nur wenige Bilder, die man zwar nicht besonders
loben möchte, die man aber mit Anstand von irgendeiner
Seite aus gern haben könnte, seien genannt. Daß sie meist
kleinen Formats sind, könnte der Kunst eines achtbaren
Durchschnittes zu bedenken geben. Bei Dammeiers »Blick
über Bamberg«, Scherres »Danzig«, Klohss' »Kleinstadt-
straße«, ter Heils »Pegnitztal« treten dadurch Vorzüge
malerischer Geschlossenheit oder zeichnerischer Charakterstik
hervor, die zur Bewältigung des großen Formates vielfach
nicht ausreichen würden. Selbst der sehr sicheren Per-
sönlichkeit Karl Alberts hätte das kleinere Format für sein
großes Stilleben noch eine größere Frische des Gesamttones
geliehen; so ist aber die stille Meisterschaft der feinen
Nuancen, mit denen er zärtlich die Haut der Dinge betastet,
in dem trockenen Gesamtton leise versunken. Vom Porträt,
von all den gemalten Stellungen, darf man schweigen. Daß
aber auch die Landschaft nicht von der grellen Unwahrheit
der romantischen Kulissen lassen will, befremdet und kann
als Zeichen für die anspruchsvolle Geste eines Durchschnittes
genommen werden, der sich seiner Grenzen nicht bewußt
ist. Noch immer blickt verstohlen das dekorative Arrange-
ment und das falsche Pathos des einst so gefeierten Hannibal-
grabes von Eugen Bracht durch, dessen Technik z. B. in dem

Bilde »Der Wartturm von Lehnin« immer ausdrucksloser
geworden ist. Kaum je war das bloß kompositionell-
dekorative Gebaren dieses Landschafters, der eine ganze
Berliner Schule erzog, unberlinischer. Keyser-Eichberg,
Kahle, Feldmann, sie alle können sich nicht von diesem
»Ausschnitt« emanzipieren, auch Langhammer nicht. Immer
dieselben stürzenden Bergwolken. Und denen, die etwas
abrückten, wie Wendel und Hartig, blieb der dekorative
Farbfleck ohne jede Lichtmodellierung Ausgangspunkt der
ganzen Bildgestaltung; die grüne Tonne, das blaue Boot,
sie wurden Motiv. Daß der Impressionismus uns bei
weitem nicht alle Erfüllungen gebracht hat, wissen wir
heute sehr wohl, daß er aber neben einer höheren Emp-
fänglichkeit für Licht und Bewegung uns auch zu einer
größeren Einfachheit und Wahrhaftigkeit, besonders in der
Landschaft, erzogen hat, sollte eine achtbare Durchschnitts-
kunst sich immer mehr zur Erkenntnis bringen. Wie wären
wohl sonst die »Entdeckungen« der stillen Landschafter
vor 1850 so schnell möglich geworden. Und wie stark sich
dennoch auf einer solchen Basis eine freie Persönlichkeit
entwickeln kann, zeigt die Kollektivausstellung des alten
Theodor Hagen aus Weimar, die das Künstlerhaus in der
Bellevuestraße zeigt. Skizzen von dem Weimaraner Karl
Buchholz vervollständigen die Serie. Wie Vater und Sohn
in einer Werkstatt, so stehen sie zu einander. In stiller
Tradition geht das Grundgefühl von Generation auf Genera-
tion über und differenziert sich zu neuen Ausdrucksformen.
So wie Sisley zu Daubigny, so verhält sich Hagen zu Buch-
holz: Impressionismus zu paysage intime 1830. Über ein
halbes Jahrhundert lebt diese stille Ehrfurcht vor dem Er-
lebnis in der Natur. Gewiß keine großen Offenbarungen
und Gesichte; keine Persönlichkeiten, die eine Kunst führen,
wohl aber dem Durchschnitt einen Halt geben könnten.
Buchholz war der Suchende, aber auch viel öfter Irrende.
Hagen ist still und immer beschaulich. Ein kleines Bild
»Vorfrühling« zeigt Buchholz von der besten Seite, und
auch wohl der eigensten; während die Ansicht auf Ober-
weimar zuviel Probleme auf einmal bewältigen möchte,
Daubigny und Corot. Daß er viel Anregung brauchte,
zeigen die späten, auch im Motiv sehr gleichförmigen
Waldstudien. Hagen hat dann die neuen Licht- und Luft-
probleme ganz in seine Naturauffassung aufgehen lassen.
Aus ihrem Leben ist ihm erst das Motiv gekommen: ein
echt malerisches Temperament, wenn auch in einer sub-
tilen Schwingung, die mit Drängen und Wollen kaum noch
etwas gemein hat. So haben die Linien der liegenden
Gebilde im weiten Raum, die Felder, für sein versöhnliches
Licht mehr Gehalt, als die Formen im engen Raum, im
Wald, dessen kontrastierendes Licht ihn zu Äußerlichkeiten
verleiten kann. w. Kurth.

Hamburg. Die nach abgeschlossener Sommerruhe
einsetzende Folge der Herbstausstellungen wurde vom
Kunstverein und der Galerie Commeter mit je einer Ge-
dächtnisausstellung eröffnet. Künstlerisch wertvoller ist die
von der Galerie Commeter nach dem kürzlich verstorbenen
Hamburger Maler Th. L. Herbst veranstaltete Ausstellung
von Gemälden, die einen Überblick über eine rund vierzig-
jährige Tätigkeit des Künstlers gewähren. Da seine Ar-
beiten mit Umgehung der herkömmlichen Ausstellungs-
wanderungen zumeist von der Staffelei in den Besitz der
Erwerber — darunter mehrfach die Hamburger Kunst-
halle — übergingen, war Herbst selbst in seiner Vater-
stadt einem nur engeren Kreis von Kunstfreunden bekannt.
Von allen Lehretappen, die er durchlaufen — Berlin, Wei-
mar, Düsseldorf, Paris, München — behielt die Pariser
den nachhaltigsten Einfluß auf den Künstler. Das machte
I Herbst zu einem der ersten Mittler zwischen der alten und
 
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