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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Waetzoldt, Wilhelm: Franz Kugler, Preussens erster Kunstdezernent
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0032

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Franz Kugler, Preußen

s erster Kunstdezernent

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sen, die das Institut de France verteilte, die Befreiung
von der Militärpflicht verbunden war. Die dem deut-
schen, in akademischer Freiheit groß gewordenen
Denken unverständliche Beschränkung auch der reiferen
Kunstschüler in Frankreich, das Gängeln und Ein-
sperren in die Regeln eines Alumnatlebens und in
die Konventionen der klassischen Kunst, selbst in
einem Institut vom Range der »Academie de France«
in Rom reizten Kugler zum Widerspruch. »Das Alter
der Pensionäre bis zum 30. Jahre ist dasjenige, in
welchem der Genius der Kraft seiner Schwingen sich
bewußt wird, in welchem ein kühner, gelegentlich die
Schranken selbst überstürzender Flug verstattet sein
muß, und gerade jetzt sollen sie anfangen, nach vor-
gezeichneten, wohl abgemessenen Regeln zu schaffen,
den eigenen Drang der fremden Vorschrift unterzu-
ordnen.« Schließlich führte Kugler aber den Auf-
schwung der Kunst in Frankreich nicht so sehr auf
die Organisation seines Kunstunterrichtes zurück,
sondern darauf, daß die Kunst als Bedürfnis des
Staates und der Nation anerkannt sei und demgemäß
behandelt werde. Das Dasein der Kunst schließt
sich, wie Kugler eingesteht, mit innerer Notwendig-
keit dem Leben der französischen Nation an.

Damit ist der Kerngedanke berührt, von dem sich
Kugler als Verwaltungsbeamter leiten ließ, der aber
auch der zweiten auf amtliche Veranlassung 1847
geschriebenen Schrift über »Die Kunst als Gegenstand
der Staatsverwaltung, mit besonderem Bezüge auf die
Verhältnisse des preußischen Staates« zugrunde liegt:
Die Gesamtheit der Künste ist die Macht, die dem
Menschen das Gepräge des geistigen Adels gibt, sie
ist daher im Auge zu behalten. Nach einem gemein-
samen obersten Grundsatze, eben aus der Überzeugung
heraus von der Unentbehrlichkeit der Kunst für das
Leben der Nation, sollen die Künste gleichmäßig ver-
waltet und gefördert werden: die redenden wie die
bildenden Künste, solche von »dauernder wie von
vorübergehender Darstellung.« Kuglers Arbeitspro-
gramm umspannt daher die ganze Reihe der Künste von
der Garten- bis zur Schauspielkunst. Hier ruhen die
Ausführungen nicht auf äußeren, auf Reiseerfahrungen,
sondern auf inneren Erfahrungen, auf der Psychologie
des künstlerischen Schaffens, dem Verhältnis der freien
schöpferischen Tätigkeit zur Bedeutung reproduzie-
render Künstler, ferner auf sozialpolitischen und
nationalökonomischen Erwägungen, z. B. den Be-
ziehungen der Künste zur kaufmännischen Spekulation,
der Frage der Lotterien, wie sie Kunstvereine ver-
anstalten, und der Rolle, die Buch- und Kunstverlage
sowie die Bühnen als Handelsunternehmungen spielen.

Und nun legte Kugler die Grundrichtungen fest
und skizzierte die Grundorganisationen, durch welche
die Regierung auf die Künste einwirken kann. Öffent-
liche Lehr- und Bildungsanstalten haben seiner Mei-
nung nach nicht nur die Aufgabe technischer Vor- und
Ausbildung, sondern auch die Pflicht, die »richtigen,«
die Würde der Kunst erhaltenden Grundsätze zu
wahren und fortzupflanzen. Von Zweifeln an der
Geltung akademischer Kunstgesetze war Kugler noch
nicht angekränkelt. Der Sorge, daß die Kunstunter-

richtsanstalten ein künstlerisches Proletariat heranzüchlen
könnten, begegnete er mit dem Hinweis auf geeignete
Methoden, die unter den Schülern schon die nötige
Auswahl zu treffen und die Auserwählten in die ihrer
Begabung gemäßen Sphären zu leiten erlauben. Überdies
findet den Gesetzen der ganzen Weltordnung gemäß
zwischen den vorhandenen schaffenden Kräften und
den vorhandenen Bedürfnissen an sich ein Ausgleich
statt. Diese Sicherheit einer idealistischen Weltanschau-
ung und eines optimistischen Temperamentes war die
Quelle der Kraft und der unerschütterlichen Arbeitslust
Kuglers. Wer ihm seine Unverzagtheit und Unberührt-
heit von der Problematik des Lebens hättenehmen wollen,
hätte die Wurzeln seiner Existenz angetastet.

Zu den wichtigsten Mitteln zur »Beförderung des
artistischen Betriebes« zählte Kugler die gesetzliche
Ordnung der rechtlichen Verhältnisse von Kunst und
Künstlern. Hier bewährte sich sein praktischer
Sinn, indem er die Frage des Schutzes geistigen
Eigentums sowie des Verhältnisses von künstlerischer
Freiheit zum Gesetz, z. B. zu Baupolizeiordnungen, zu
regeln sich vornahm. Auch die Erhaltung und För-
derung der technischen Betriebe (Glas, Porzellan, Eisen)
und die Beschaffung guten und billigen Materials durch
Anlage staatlicher Marmorlager und Farbenfabriken
lagen ihm am Herzen. Kuglers umfassende Pläne zur
Organisation des gesamten Kunstwesens schlössen auch
die Denkmalspflege ein. Frankreichs zum Teil vor-
bildliche Inventarisation der Kunstdenkmäler, die dort
im Gasige befindlichen großartigen Veröffentlichungen
des heimischen Kunstbesitzes hatten ihm einen tiefen
Eindruck hinterlassen. Ähnliches plante er für Preußen,
wobei er freilich die in Frankreich beobachtete Zer-
splitterung der Kräfte und den Wettstreit der Behör-
den auf diesem Gebiete zu vermeiden gedachte.

Die Reform der Kunstangelegenheiten sollte sich
keineswegs auf die bildenden Künste beschränken,
sondern auch das Theater- und Konzertwesen in sich
schließen. Zu Kuglers Plänen gehörte eine Trennung
der Opern- von der Schauspielbühne, der Bau kleiner,
geschlossener Häuser für das Schauspiel und — eben-
falls aus künstlerischen Erwägungen heraus — die
Einrichtung von Bühnen für neuere dramatische Kunst
neben solchen für das ältere Drama (bis 1800) ent-
sprechend den Galerien für ältere und für neuere bil-
dende Kunst. Bei der gesetzlichen Regelung der Verhält-
nisse der Bühnenkünstler faßte Kugler die Gründung
eines Zentralpensionsfonds für Schauspieler ins Auge.
Kein Mittel ließ er unversucht, um der Zentralbehörde
Erfahrungen zuzuführen. 1848 wurde ein öffentlicher
Aufruf an Künstler und Kunstfreunde erlassen, um
organisatorische Wünsche, Vorschläge, Gesichtspunkte,
Anregungen zur Kenntnis des Ministeriums zu bringen.
Der wesentliche Inhalt der eingegangenen Gutachten
ist von Fr. Eggers 1851 als Denkschrift in seinem
»Deutschen Kunstblatt« veröffentlicht worden. Zu
einer Art Sachverständigenkammer und Beratungsin-
stanz sollte, nach Kuglers Wünschen, der Senat der
Akademie der Künste, die als eine Art Zentralinstitut
für künstlerische Angelegenheiten gedacht war, umge-
staltet werden durch Angliederung von Sektionen für
 
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