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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Gronau, Georg: Hans Olde
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0052

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83

Hans

Olde

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landschaftlichem Hintergrund vereint: so sein be-
kanntestes Werk, das in drei Redaktionen in den
öffentlichen Sammlungen von Bremen, Hamburg und
Kiel hängt, Klaus Groth vor dem kräftigen Grün
eines Laubenganges; so Liliencron auf weißer Bank
vor dichtem Wald sitzend, und zahlreiche andere.
All seine besten künstlerischen Eigenschaften traten
hier zutage; seine Freude als Maler an der Farben-
pracht in der Natur verband sich mit der Sicher-
heit im Auffassen einer Persönlichkeit. Er vermied
es, aus dem Bildnis, das an den Künstler bestimmte
Forderungen stellt, allein ein koloristisches Problem
zu machen; Bildnistreue schien ihm ohne Aufgeben
der eigenen künstlerischen Persönlichkeit möglich zu
sein. Diese Eigenschaft machte ihn dann geeignet,
sich auch in der Bildnisradierung zu betätigen. Die
Zahl seiner Arbeiten auf diesem Gebiet ist nicht
groß, aber einige sind darunter, wie die Bildnisse Prof.
Euckens, von Frau Delbrück, Frl. Königs und nament-
lich die berühmten Nietzsche-Platten, die ihm für die
Dauer seine Stelle unter den ersten Radierern unserer
Zeit sichern. Er brachte seine Platten technisch zu
einem hohen Grad der Vollendung und ließ die
Persönlichkeiten mit eindringlicher und feiner Charak-
teristik lebendig vor dem Auge erstehen.

In freiem Schaffen führte Olde, im engen Aus-
tausch mit den hervorragendsten deutschen Künstlern,
sein Leben, stets bereit, mitzutun, wenn es im In-
teresse der Allgemeinheit notwendig erschien. Er
gehörte mit zu den Begründern des Deutschen Künstler-
bundes, war Mitglied der Berliner Sezession und stand
Jahre hindurch an der Spitze der nordwestdeutschen
Künstlerschaft, die er in gut gewählten Ausstellungen
zu vereinigen verstand. Sicher war es ein ethisches
Moment, das ihn bestimmte, seine Unabhängigkeit
aufzugeben und die Heimat mit Weimar zu ver-
tauschen, wo er von 1902—1911 die Leitung der
Kunstschule übernahm; ebenso, als er dies Amt bereits
niedergelegt hatte, um nach Seekamp zurückzugehen,
daß er dem Ruf der preußischen Regierung folgend
an die Spitze der Kunstakademie in Kassel trat. Er
muß damals, als er in der Blüte seiner Jahre und
seiner Schaffenskraft stand, das Gefühl gehabt haben,
daß es Pflicht wäre, sich nicht zu versagen, wenn
ihm die Aufgabe angetragen wurde, an der Erziehung
eines tüchtigen Nachwuchses mitzutun; um so mehr,
als seine Auffassung von der künstlerischen Erziehung
von dem Herkömmlichen sich wesentlich unterschied.
Er hielt es für möglich, den Unterricht vom aka-
demischen Zwang frei zu machen und schon im
Schüler die etwa vorhandene Eigenart zu respektieren.
Die Ausdrucksmittel beherrschen lernen, das konnte
der Unterricht wohl geben; nach welcher Richtung
das Talent läge, sollte der Lehrer fühlen und hier als
Fördernder, ein älterer Freund mit warmem persön-
lichen Interesse, eingreifen, nie aber mit Zwang wider-
strebende Kraft auf eine ihr wesensfremde Bahn
drängen.

Aus solchen Erwägungen heraus unternahm es
Olde, an der Kasseler Akademie einen Versuch zu

machen, der interessant genug war. Er benutzte ihm
zur Verfügung stehende Mitttel, um eine Reihe meist
junger Künstler, bei denen er Eigenart und ernsten
Künstlerwillen wirksam wußte, heranzuziehen, denen
er Atelier und ein bescheidenes Fixum gab; ihnen
gab er das Recht, an der Akademie zu lehren, wie
es den Schülern frei gestellt wurde, sich den ihnen
zusagenden Künstler zum Lehrer zu wählen. Man
hätte gewünscht, daß diesem Versuch eine ruhige Zeit
beschieden gewesen wäre, damit greifbare Resultate
seine Möglichkeit dargetan hätten; der Krieg aber, der
die Schüler aus den Ateliers zu den Waffen rief,
unterbrach diese Bestrebungen, bevor die Saat zur
Ernte reifen konnte.

Für den Erzieher der Jugend brachte Olde die
schönste Eigenschaft mit, die dieser besitzen kann:
die Wärme des Mitempfindens. Jeder, der zu ihm
kam, um Rat zu suchen, durfte der herzlichsten Anteil-
nahme sicher sein; wo er fördernd eingreifen konnte,
tat er es gewiß. Da er selbst jung geblieben war,
verstand er sich wie kein anderer auf das, was die
Jugend braucht. Dem gärenden Ringen der Gegen-
wart, das auch in seiner engsten Umgebung sich Luft
zu machen suchte, stand er daher mit vollem Ver-
ständnis gegenüber; nie wäre ihm der Gedanke ge-
kommen, anderer Eigenart seiner Auffassung von den
Dingen beugen zu wollen. Er besaß zu einem feinen
Herzenstakt die schöne Gabe vollkommener Selbst-
losigkeit, und jeder Erfolg eines anderen war ihm so
viel wert, wie ein eigener.

Ein glühender Patriot — »an Patriotismus ist mir
keiner über«, sagte er selbst gelegentlich — begleitete
er die großen Geschehnisse seit 1914 mit heißer
Anteilnahme, aber seither erfüllte ihn eine gewisse
Unrast. Er mochte nicht malen, weil es ihm schien,
jetzt gäbe es wichtigere Dinge zu tun. Dann freilich
ergriff es ihn doch, und mit plötzlich ausbrechender
Leidenschaft suchte er besondere, erhöhte Natur-
stimmungen im Bilde festzuhalten: den schimmernden
Herbstwald und Gewitterstimmungen hat er noch
mehrfach gemalt, dazu einige Porträts. Daß er gewillt
war, sich mit den neueren Bestrebungen, die auf dem
Gebiet der Kunst überall hervortreten, auseinander-
zusetzen, trat in diesen Arbeiten deutlich hervor.
Lieber aber war es ihm, wenn er draußen sein konnte
in der freien Natur, als Jäger hier oder als Landwirt
in der holsteinischen Heimat; das erschien ihm nütz-
liches Wirken für die Allgemeinheit.

Die Kriegsjahre hatten auch ihn älter gemacht;
aber seine Gestalt war völlig ungebeugt, sein Gang,
seine Bewegungen waren die eines jungen Mannes.
Hell klang seine Stimme, und sein Auge konnte auf-
leuchten, daß es einem warm ums Herz wurde. Eine
lange Reihe von Jahren schien ihm vorbestimmt, denn
er stammte aus einer Familie, in der man alt wird.
Nun ist es anders gekommen, und schmerzerfüllt
blicken alle, die ihm nahe standen, auf ein Leben
zurück, das so reich war und das viel zu früh ge-
endet hat.

GEORG GRONAU.
 
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