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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0055

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Personalien — Denkmalpflege — Forschungen

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Meier-Oraefe sagt in seiner Entwicklungsgeschichte: »Ro-
dins Kunst ist Oalerieplastik«.

Trotz aller Einwände aber hat Rodin doch da Bleiben-
des und Unvergängliches geschaffen, wo es galt, ein Stück
Leben aus dem harten Stein hervorzuzaubern. Die Er-
scheinung eines Körpers, seine von Licht und Luft um-
flossene Oberfläche in eine plastische Form zu bringen,
das ist die Domäne seiner Arbeit. Man kann einen jeden
Körperteil daraufhin betrachten, und man wird vollständig
in den Bann dieses ungeheuren Könnens gezogen, das auf
Grund einer äußerst scharfen Naturbeobachtung und -er-
forschung eine persönliche Kunstform schafft. Und diese
Art seines künstlerischen Qestaltens wird sich eben in der
Bildnisdarstellung am Reinsten und Widerspruchslosesten
offenbaren können. So gehören denn wohl auch seine
Büsten von Victor Hugo, Dalou, Falguieres, Laurens, Roche-
fort, seine Frauenbildnisse, die von einer ganz wunder-
vollen Sinnlichkeit getragen sind, zu den unter allen, auch
noch so veränderten Verhältnissen bleibenden Meister-
werken der Bildhauerkunst.

PERSONALIEN
Dr. A. Pit, der Direktor des Niederländischen Mu-
seums (wie die kunstgewerbliche und Skulpturen-Abteilung
des Ryksmuseums offiziell heißt) ist von seinem Posten
zurückgetreten, um sich ganz seinen kunstgeschichtsphiloso-
phischen Studien widmen zu können.1) Pit hat sich um
die ihm fast 20 Jahre lang unterstellt gewesene Anstalt
die größten Verdienste erworben. Als Sammler ist er
stets bestrebt gewesen, einige allzu empfindliche Lücken,
die das Museum bei seinem Amtsantritt aufwies, auszu-
füllen. Besonderes Interesse brachte Pit der ausländischen
italienischen und französischen Kunst entgegen, für die
nach der ursprünglichen Bestimmung des Museums, wie
sie in dem Titel festgelegt war, kein Raum war. Seiner
Initiative ist es zu verdanken, daß man den engen nationalen
Standpunkt verließ und auch nicht holländische Kunst, be-
sonders wenn sie, wie z. B. in der Keramik, auf die natio-
nale Produktion richtunggebend gewesen ist, des Ankaufs
würdig erachtete. So entstand unter Pit die Abteilung
islamitischer Fayencen. Auch die Schaffung einer kleinen,
aber erlesenen Sammlung italienischer Bildwerke ist haupt-
sächlich sein Werk; ferner ist manches charakteristische
französische Möbelstück, sowie einige französische Bild-
werke des Mittelalters und des 18. Jahrhunderts im Laufe
der Jahre von Pit aufgespürt und erworben worden. Das
hohe wissenschaftliche Niveau, zu dem das Museum unter
Pits Leitung erhoben wurde, bezeugen am besten die zahl-
reichen Kataloge und anderen wissenschaftlichen Arbeiten,
die von Pit und seinem Stabe von Hilfskräften, Jan Kalf,
Professor Vogelsang, M. vanNotten undFräulein E.Neurden-
burg veröffentlicht worden sind. Damit die reiche Erfah-
rung, die sich Pit in seiner langen Praxis angeeignet hat,
dem Museum auch fernerhin erhalten bleibe, ist er
zum »Adviseur« der Anstalt ernannt worden. Zu seinem
Nachfolger ist der bisherige zweite Direktor der Samm-
lung, M. van Notten, berufen, der sich durch seine Mono-
graphie über Rombout Verhulst, den Bildhauer des hollän-
dischen Barock, und seine in Gemeinschaft mit Prof. W. Vogel-
sang unternommene Herausgabe von holländischen Holzbild-
werken des Mittelalters einen Namen erworben hat. Van
Notten ist wie sein Vorgängerein Schüler der Ecole du Louvre.

1) Wir sind in der angenehmen Lage, unsere Leser
im Hauptblatt demnächst mit einer sehr interessanten Studie
Pits über die Entwicklungsgeschichte des Ornaments, worin
eine Neuorientierung auf diesem labyrinthischen Gebiete
versucht wird, bekannt machen zu dürfen.

DENKMALPFLEGE
Das Holstentor von Lübeck in Gefahr. Häuser
will man herumgruppieren und ein Volkshaus ist bereits
geplant. Wie auch immer man die Lösung anstreben mag,
sie muß ein Kompromiß zum Schaden des Holstentors
sein und dem Neubau Unfreiheit aufnötigen. Man wird
versuchen, die sogenannte malerische Eingruppierung zur
Anwendung zu bringen und wird den Charakter dieses
einsamen Riesen durch kontrastierende Niedlichkeiten, die
sich ihm anschmiegen sollen, in unwürdige Gesellschaft
bringen. Denn wer würde es wagen, das stumme Gleich-
maß dieses ehernen Rhythmus, der mit breiten Eisen-
ringen umlegt, nur mühsam seine trotzige Kraft bändigt,
einem modernen Volkshaus aufzunötigen. Oder man wird
vielleicht im Bewußtsein der Eigenart der modernen Bau-
kunst sich ohne jede Anpassung gefallen und wird die
stolze Eigenart und Freiheit des Tores von der Stadt, die
ihm folgt, isolieren. Mit solchen Lösungen kann wohl
moderne Städtebaukunst es im Innern einer alten Stadt
versuchen, wo vorgefundenen Raumkomplexen ein neues
Wandteil eingefügt werden soll. Nicht aber kann sie mit
diesen Prinzipien einem alten Bauwerk gegenübertreten,
das nur Stirnseite« war und >in sich geschlossenes Bild«
bleiben muß. Auch niedrige Gebäude, deren Masse man
mit den einstigen Mauern neben dem Tore rechtfertigen
könnte, blieben ästhetische Klügelei. Das Tor ist der erste
begrüßende und einladende Händedruck in alten deutschen
Städten gewesen. Die freie und offene Hand, die das Holsten-
tor dem Eintretenden entgegenstreckt, darf das schönste und
einladendste niedersächische Stadtbild nicht zurückziehen
und die Wirkung des Denkmals vernichten, das in der Vor-
stellung niederdeutscher Eigenart eins der charakteristisch-
sten Dokumente ist und bleiben soll. w. Kurth.

FORSCHUNGEN
Das neue Heft des Jahrbuches der Königl. Preußi-
schen Kunstsammlungen bringt neben der bereits
mitgeteilten Rembrandt-Entdeckung im Berliner Schlosse,
über die W. von Bode berichtet, und einer Abhandlung
von Ernst Ehlers über die Tierabbildungen im Gebetbuche
des Kaisers Maximilian, zwei wertvolle Aufsätze, die uns
von zwei Künstlerpersönlichkeiten und ihrem Werke eine
deutliche Vorstellung und feste Gestalt übermitteln. Karl
Schaefer versucht das Werk des Lübecker Bildschnitzers
Claus Berg zu bereichern, um wenigstens für die letzte
Schaffensperiode des Meisters einen sicheren Überblick
gewinnen zu können. Er geht von den beiden gesicherten
Werken aus, der Grabplatte des Königs Hans und der
Königin Christine von Dänemark und dem berühmten
Allerheiligenaltar von Odense, für deren Entstehungszeit
er die Jahre von 1519—1521 nachweist. Da urkundliche
Nachrichten von zweifelsfreier Bedeutung noch nicht auf-
gefunden sind, so muß man sich vorläufig mit Schaefers
überzeugend vorgetragenen Ausführungen begnügen, daß
Claus Berg um 1465 geboren sein wird, daß zwar seine
Tätigkeit bis 1510 noch nicht zu veranschaulichen ist, aber
für die Folgezeit einige bedeutende Altarwerke ihm sicher
zugewiesen werden können. Von 1515 Dis 1520 hat er
wohl sicher noch in Lübeck gearbeitet und ist erst dann
nach Odense übergesiedelt, wo er bis zu seinem Tode,
vermutlich 1532, blieb. Die Arbeiten dieser letzten Lü-
becker Jahre finden sich in Norddeutschland vor. Im Dom
zu Güstrow in Mecklenburg stehen an den Pfeilern des
Langhauses die ehemals zu den Flügeln eines Altarschreins
vereinigten Gestalten der zwölf Apostel, Reliefschnitzwerke
aus Eichenholz, die leider nur noch geringe Merkmale
ihrer ursprünglichen Fassung erkennen lassen. Die Bild-
 
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