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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Bötticher, Georg: Hat Schadow Goethes Gesicht abgegossen?
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Mitteilungen aus ausländischen Kunstzeitschriften, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0062

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Mitteilungen aus ausländischen Kunstzeitschriften

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Die Krypta der Kirche von San Colombano in Bobbio
(Piacenza) enthält ein bisher unbekanntes Monument
karolingischer Kunst, den Grabstein des heil. Cumianos.
Aus der Inschrift geht hervor, daß San Cumiano
Bischof von Irland gewesen und in hohem Alter
wach Bobbio gezogen ist, wo er starb. Sein Grab-
mal wurde von dem Longobardenkönig Luitprand
(712—743) gestiftet und von Meister Giovanni aus-
geführt. Für die Geschichte des karolingischen Or-
namentes ist dieses schön dekorierte Monument,
von dem man mit Bestimmtheit sagen kann, daß es in
der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts entstanden
ist, von großer Bedeutung. Nach Meinung des Ver-
fassers wird durch diese Dekoration, die so gut ge-
zeichnet ist und eine so sorgfältige Technik neben
feinem Sinn für Komposition zeigt, wie sie von keinem
Monument der späteren Karolingischen Zeit über-
troffen wird, angedeutet, daß die Theorie Cattaneos
unrichtig ist. In seiner »Architettura in Italia dal
secolo VI a Mille circa« (1888) behauptet dieser Autor,
daß die karolingische Kunst allmählich besser ge-
worden sei, daß sie zur Zeit der Barbareninvasion
oder kurz nachher am niedrigsten gestanden habe,
uro dann ungefähr ums Jahr 1000 ihren Höhepunkt
zu erreichen. Mit noch einigen anderen bisher un-
publizierten Beispielen zeigt Kingsley Porter an, daß
die Zeit Luitprands nicht einen Tiefstand, sondern
gerade eine außergewöhnliche Entwicklung des ge-
schnittenen Ornamentes aufzuweisen hat. Statt eines
durchgehenden Fortschrittes vom siebenten Jahrhundert
an bis zur Renaissance des elften Jahrhunderts sieht man
einen Rückgang von dem in der ersten Hälfte des ächten
Jahrhunderts erreichten Höhepunkt bis zur äußersten
Dekadenz in der Mitte des zehnten Jahrhunderts. Aber
auch noch in einer anderen Hinsicht ist dieses Grab-
mal Cumianos interessant. Dieser Heilige kam aus
Irland. Wie der Verfasser nachgewiesen hat, muß
Bobbio im achten Jahrhundert ein Mittelpunkt lom-
bardischer Kultur gewesen sein, und nun liegt die
Vermutung nahe, daß von Bobbio aus die keltische
Kunst Einfluß auf die lombardische ausgeübt hat.
Auf die Übereinstimmung zwischen der keltischen
Kunst und der karolingischen von Norditalien wurde
schon öfters hingewiesen, und dieses Grabmal bringt
vielleicht die Erklärung, wie es möglich gewesen ist,
daß die Kunst der beiden geographisch so weit aus-
einanderliegenden Länder analoge Elemente umfaßt.

Mr. Withcombe Greene hat seine auserlesene Pla-
kettensammlung dem British Museum geschenkt. Eine
Beschreibung dieser Stiftung gibt G. F. Hill. Mit
dem Vermächtnis Sir Hugh Lanes sind einige mo-
derne französische Bilder in die National Gallery ge-
kommen. Sir Lionel Cust beschreibt nun, wie die
meisten derselben in dieser Umgebung verlieren, nur
Manet mit seinem Bildnis der Madame Eva Gonzales
und seinem »Concert aux Tuileries« zeigt sich hier
in seiner ganzen Größe. Einige Porträts der Engli-
schen Schule erscheinen sogar oberflächlich aufgefaßt
und mühsam gearbeitet neben seinen Gemälden.

Im Aprilheft des Burlington Magazines publiziert
Tancred Borenius ein sehr schönes Madonnenbild,

das seiner Meinung nach gewisse Übereinstimmung
zeigt mit den vier Gemälden der Madonna mit dem
Kinde, von denen man erkannt hat, daß sie eine
Gruppe bilden, die unter dem direkten Einfluß von
Verrocchio entstanden sein muß. Diese Bilder sind:
die Madonna in der National Gallery (Nr. 296), die-
jenige, welche aus der Sammlung Mr. Charles Butters
an Mr. Benjamin Altmann kam und sich nun im
Metropolitan Museum of Art in New York befindet,
eine dritte im Berliner Museum (Nr. 108) und die
vierte im Museum in Frankfurt a. M. (Nr. 9). Das
hier reproduzierte Stück gehört Mr. W. H. Woodward
von Crooksbury Hurst, Farnham, und muß ein Frag-
ment eines größeren Gemäldes sein, das wahrschein-
lich die »Geburt« oder die »Anbetung der Hirten«
darstellt.

Sir Martin Conway schreibt über ein Bild des
fünfzehnten Jahrhunderts (wovon eine Abbildung bei-
gefügt ist), das der Society of Antiquaries gehört
und in ihrer Bibliothek hängt. Es stellt den Mär-
tyrertod des heil. Erasmus dar. Im allgemeinen wurde
es für flämisch gehalten, aber Prof. Hulin erklärte
vor einigen Jahren, daß dies nicht der Fall sein könne.
Der Verfasser weist nach, daß der heil. Erasmus
gerade in Canterbury, Faversham und Sandwich große
Verehrung gefunden hat. Das Bild trägt eine In-
schrift: »Per fratrem Johannem Holynburne A. dni
1474.« Das Porträt dieses Mönches findet man in
der rechten Ecke des Bildes, wo ein Mönch mit ge-
falteten Händen auf den Knien liegt. Sein Name ist
kentischen Ursprungs und wahrscheinlich kommt er
aus dem Dorf Hollingborne zwischen Maidstone und
Ashford. Ein Mönch dieses Namens kommt 1511
in der Abtei von Christ Church in Canterbury vor.
Damals muß er ein alter Mann gewesen sein. Er
war also nicht der Maler, sondern der Stifter dieses
Gemäldes. In dem landschaftlichen Hintergrund sieht
man englische, niederländische und deutsche Archi-
tekturbestandteile. Der Maler kann also ein Eng-
länder gewesen sein, der auf dem Kontinent gearbeitet
hat, oder ein Deutscher, der nach England gekommen
ist und sich nach dem dortigen Geschmack gerich-
tet hat.

R. Lethaby setzt seine Beiträge über englische
Primitive fort. Diesmal schreibt er über die Fliesen
in Westminster und Chertsey und über Darstellungen
aus Romanen (z. B. Tristan), die darauf vorkommen.
John Evans schreibt über Gilles oder Gedeon Legare,
einen französischen Juwelier, der etwa um 1610 ge-
boren ist, am Hofe Ludwigs XIV. gearbeitet und ver-
schiedene Bücher über seine Kunst herausgegeben hat.

Die Gemälde, die Sir Hugh Lane der National
Gallery geschenkt hat, hängen dort nun in einem
Zimmer zusammen. Daß diese modernen Bilder sich
dort in jener Umgebung so gut halten, erklärt1) Roger
Fry aus der Verehrung, die gerade die revolutionären
Maler des 19. Jahrhunderts den alten Meistern entgegen-
gebracht haben. Die Sammlung ist sehr gemischt.
Man lernt hier, wie verschiedene dieser Maler während

x) Im Gegensatz zu der eben zitierten Äußerung von
Lionel Cust!
 
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