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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Ausgrabungs- und Fundberichte aus Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0108

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Ausgrabungs- und Fundberichte aus Italien

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Nördlich von Rom zu Acqua Traversa wurden Teile
der alten Via Veientana aufgedeckt; weiter nördlich, rechts
von derselben Straße, wo sie die Via Clodia abgibt, wurde
eine ausgedehnte römische »Statio« ausgeräumt, die so-
wohl große Lagerhäuser mit gewaltigen Vorratskrügen für
Wein, Öl und Getreide, wie auch eine Anzahl von Zimmern
und Korridoren, einige mit Wandmalereien enthielt. —
Zu Narce im Falisker-Gebiet kam eine große Nekropole
aus dem 6. bis 5. Jahrhundert zutage. — Bei den Aus-
grabungen zu Veji legte man die Fundamente des Tors
zur Akropolis frei und zwei Lagen von Capannen (Hütten-
bauten), von denen die eine einem italischen Volksstamm,
die andere den Etruskern zuzuweisen ist. Tempelüberreste,
die nach der darin gefundenen Hauptstatue dem Apollo
provisorisch zugewiesen wurden, bargen eine ganze Reihe
Terrakottafiguren, die in dem Museum der Villa Giulia
die älteren Funde von Conca und Civita Castellana in
Schatten stellen. Der Apollo ist von einzigartiger Schön-
heit; die unsympathische Terrakotta ist durch Farben da-
hingebracht, daß sie die Wirkung von Bronze und Elfen-
bein erreicht. Das ursprüngliche Rot des Gesichtes wurde
zu einem reichen Braun, das mit dem Gelbweiß der fein-
gefälteten Tunika hübsch kontrastiert. Das in Zöpfe ge-
bundene Haar und die Behandlung des Faltenwurfs sind
rein jonisch und finden ihre nächste Analogie in der
Darstellung auf der archaischen Säulentrommel von Ephesus
im Britischen Museum. Gleichzeitig wurde auch ein
schöner Hermeskopf, ebenfalls mit geflochtenem Haar und
hoher konischer Flügelkappe, und mehrere kleine Krieger-
köpfe gefunden. Diese Figuren aus Veji sind zweifellos
die wichtigsten archaischen Werke, die je auf italischem
Boden gefunden woiden sind. In das Museum der Villa
Giulia gelangten auch jüngst in einem Grabe zu Todi (dem
alten Tuder) zwischen Chiusi und Perugia gefundene Gegen-
stände, darunter eine griechische Vase mit dem Namen
Pamphaios und ein Bronzehelm aus dem 5. Jahrhundert
v. Chr. mit Silbereinlagen von Kriegergestalten in reinstem
äginetischen Stil.

In Rom selbst wurde die westliche Fortsetzung der
Piazza Colonna, da wo der Palazzo Piombino bis 1882
stand, untersucht. Statt des Porticus Vipsania des Agrippa,
den man hier zu finden hoffte, stieß man auf eine ganze
Gruppe von Insulae aus der Kaiserzeit, deren größte an
der alten Via lata, dem heutigen Korso — ein zimmerreiches
Gebäude mit festen Pilastern — gelegen ist, welche in keiner
Weise einem Säulenportikus gleicht. Auf der Piazza Co-
lonna wurde auch ein schöner männlicher Porträtkopf und
ein reizender Kinderkopf Augusteischer Zeit gefunden. —
Bei weiteren Untersuchungen der antiken Überreste an der
projektierten Fortsetzung der Via Arenula zum Corso Vit-
torio Emanuele kamen weitere Architekturglieder der zwei
auf der Piazza San Niccolo dei Cesarini gefundenen Tempel
zutage. Der eine, ein peripteraler Rundtempel, wohl des
Herkules Custos, wird ganz freigelegt und soll das Zentrum
des kleinen Platzes bilden. Der andere ist ein rechteckiger
Tuffternpel unter den Fundamenten der Kirche. Antonio
da San Gallo hat beide Tempel in der Renaissancezeit
gezeichnet, die auch auf dem alten Stadtplan von Rom im
Konservatorenpalast figurieren. — Der schöne republikani-
sche Tempel am Tiber, gewöhnlich der der Fortuna virilis
genannt, wird auch von den schmutzigen Häusern um ihn
herum freigelegt.

Die offizielle Eröffnung der neuen Passeggiata archeo-
logica zwischen dem Coelius und den Bädern des Cara-
calla am 21. April 1917 bildet vorerst den Schluß der mit
diesem Teil der Zona monumentale verknüpften Arbeiten.
Man hat nunmehr die Absicht, die kaiserlichen Fora nach
einem grandiosen, von Corrado Ricci entworfenen Plan '

auszuräumen, wobei man auch an den unter dem Palazzo
Caffarelli liegenden Tempel des Juppiter Capitolinus denkt.
Offiziell ist aber darüber noch nichts weiter bekannt. Eine
Monographie von Valentino Leonardi über den Hügel und
seine Bedeutung für Rom und Italien, die vor einigen
Monaten erschienen ist, belehrt uns, daß mit dem Palazzo
Caffarelli (den man bis jetzt dem Deutschen Reich zu stehlen
doch noch nicht gewagt hat) von Anfang an ein übles
Omen verknüpft war, weil ein römischer Kaiser seinen
Thron in die direkte Axis des Götterbildes des Juppiter
Optimus Maximus gestellt hatte. Das Gebiet, auf dem er
gebaut ist, wurde von Karl V. um das Jahr 1536 einem
Ascanio Caffarelli zum Geschenkt gemacht, der 30 Jahre sein
Leibpage gewesen war. Leonardi bringt Beweise dafür,
daß der Kaiser absolut kein Recht hatte, zur Errichtung
eines Privatpalastes Gebiet herzugeben, welches seit der
flavischen Zeit als öffentliches Eigentum der aufeinander-
folgenden Heirscher Roms gegolten hatte. (Es scheint,
daß Mrs. Stiong aus der, nach Ansicht des Herrn Leonardi
im Jahre 1536 widerrechtlich geschehenen Schenkung des
Grund und Bodens an einen Herrn Caffarelli ein Recht
der Italiener herleiten will, den Palazzo Caffarelli dem
Deutschen Reiche wegzunehmen; als mildernder Grund
führt sie noch an, daß der Palazzo, obwohl vielleicht von
einem Schüler des Vignola erbaut, unförmlich und häßlich
ist infolge vielfacher Umänderungen; sie schlägt auch vor,
den Palazzo nicht abzureißen, sondern als Annex für die
überfüllten kapitolinischen Museen zu gebrauchen).

Das prächtige, früher nur von der Wölbung an sicht-
bare Augusteische Tor nächst der Porta Tiburtina (San
Lorenzo), über das der dreifache Aquädukt der Marcia,
Tepula und Julia hinfühlt, ist nunmehr gänzlich freigelegt
und freigestellt. Außerhalb der alten Porta portuensis
(Portese) nahe bei den Katakomben des Pontianus kam
ein ausgedehnter christlicher Friedhof des 6. bis 7. Jahr-
hunderts zutage, mußte aber wegen Häuserbauten wieder
zugedeckt werden. — Nachforschungen unter dem großen
neuen Eisenbahngebäude in der früheren Villa Patrizi in
der Via Nomentana brachten in 20 Meter Tiefe alte Stein-
brüche zum Vorschein, deren grauer Tuff für die servische
Mauer und die Plattform desTempels desJuppiterCapilolinus
verwandt worden waren; darüber liegen Pozzolan-Stein-
btüche, die im Mittelalter benützt wurden; und darauffan-
den sich dann noch Überbleibsel einer römischen Villa der
Kaiserzeit. Der mittelalterliche Steinbruch liegt also zwi-
schen römischen Steinbrüchen und einer kaiserlichen Villa.
— Auch die Untersuchungen in der Domus Aurea des Nero
haben zu wichtigen Entdeckungen geführt, über die noch
nicht ausführlich berichtet ist. Eine achteckige gewölbte
Halle und eine Reihe von Räumen mit Wandmalereien,
die in ihrer Frische und Schönheit alle andern bis jetzt in
Rom gefundenen übertreffen, sind nur kurz erwähnt.

Zu Sezze (Sethia) bei Velletri und zu Sicci in Toskana
wurden beträchtliche römische Thermen freigelegt. Zu
Allive (Adlefas), einer alten Samniterstadt, fand sich eine
Statuette des Herakles bibax (trunkener Herakles) lysip-
pischen Stils und zu Fabriano in Umbrien eine archaische
italische Biga, die ausnahmsweise zum wirklichen Gebrauch
und nicht zu Zeremonien oder Grabzwecken bestimmt war.
Sie befindet sich jetzt im Museum von Ancona. — Ein
römischer Kopf hadrianischer Zeit kam aus Sa. Maria di
Capua ins Neapolitaner Museum. — Aus der Nekropole
von Rosarno (das alte Metma) kamen Terrakotten und
Vasen sowie zahlreiche Votivfiguren von Pferden in Halb-
relief, die auf den Kult der Dioskuren oder der Demeter
schließen lassen, zutage. — In Pompeji wurden in dem
jetzt berühmt gewordenen Hause des Trebius Valens, nahe
an der Mauer des Ambulacrum, vier weitere Skelette ge-
 
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