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Das zerstörte Demetriusheiligtum in Saloniki
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daß die Verschiedenheit der Kapitelltypen völlig die Augen
befriedigen. Schlagende Aufschlüsse tragen zur Datierung
des Gebäudes bei: die Akanthuskapitelle der Apsis mit ihrem
beachtenswerten Blattschnitt, Tauben an den Ecken und
hohen kreuzgeschmückten Kämpfern, was man für charakte-
ristische, auf das 5. nachchristliche Jahrhundert hin-
weisende Merkmale hält. Neben den schneeweißen
Marmorkapitellen und den vielfarbigen Säulensteinen ver-
liehen die musivischen Wandmalereien, die in Gold und
blauer Farbe ausgeführt und fein gegliedert sind, der
Kirche eine außerordentliche Pracht. Leider war ein großer
Teil von den Mosaiken schon vor dem letzten Brande
längst vernichtet oder durch absichtliche Überstreichung
unsichtbar gemacht worden. Gut erhalten war ein Wand-
mosaik, welches den hl. Demetrius in buntem kostbarem
Gewände zeigte. In einem anderen Wandmosaik ist er
zwischen einem Bischof und einem Notabein aufrecht in
weißem Kleide dargestellt. Andere sehr beachtenswerte
an die hellenistische Kunstweise erinnernde Mosaiken
zierten die Nordwand der Kirche. Alles in allem dürfte
man diese Mosaiken als die besten Muster byzantinischer
Kunst, die um vieles den berühmten Mosaiken von Ravenna
überlegen sind, bezeichnen. Die Datierungsfrage nach der
baukünstlerischen Ausgestaltung der Demetriuskirche hat
bisher die zünftigen Forscher stark in Anspruch genommen,
ohne sie zu abschließenden Ergebnissen zu führen. Jeden-
falls darf man wohl unbedenklich annehmen, daß die ur-
sprüngliche Basilika an Stelle eines früheren Martyriums
im 5. Jahrhundert erbaut worden ist, worauf, wie ge-
sagt, mehrere kunstgeschichtliche Indizien hinweisen. Das
mittelalterliche Buch der Wundertaten des hl. Demetrius
nennt als Erbauer des Salonikier Heiligtums einen Leortius,
Präfektus von Illyrien. Aus glaubwürdigsten Quellen
erfahren wir, daß er in der Tat als Präfektus von Illyrien
in dem Jahre 412—413, jedenfalls aber vor dem Jahre 441
amtiert hat. Die von diesem Leortius erbaute Basilika ist
infolge eines Brandes, der zwischen den Jahren 629 und
634 ausgebrochen ist, stark beschädigt worden, und soll
bald darauf durchgreifend repariert worden sein, offenbar
doch ohne im Grundriß und Aufbau Veränderungen er-
fahren zu haben. Die oben erwähnten Wandmosaiken
sind Werke des 7. Jahrhunderts und nach dem Brande
entstanden, der zwischen die Jahre 629—634 zu setzen ist.
Freilich konnte der Bau und sein Malerschmuck während
der darauffolgende« Jahrhunderte nicht ohne weitere Ver-
änderungen und Zutaten geblieben sein, jedoch sind diese
zumeist von untergeordneter Bedeutung. Man hat geglaubt,
daß zur Zeit des byzantinischen Kaisers Leo III. (717—741)
die Basilika neuen Mosaikschmuck erhalten und andere
Verbesserungen erfahren hat; diese Auffassung beruht aber
auf einer irrtümlichen Erklärung einer Inschrift, die nicht
von Kaiser Leo III., sondern vielmehr von einem gleich-
namigen Eparchos von Saloniki, einer Person wohl des
7. Jahrhunderts, berichten soll. Trotzdem sah man in der
Demetriuskirche neben den Mosaiken auch Wandmalereien
des 14. und 15. Jahrhunderts und in dem Narthex Kalender-
aufzeichnungen aus dem 15. Jahrhundert.
Die Berichterstattung byzantischer Autoren erlaubt uns
den Glanz des Demetriusheiligtums in seiner vollen Blüte-
zeit annähernd zu vergegenwärtigen. Der berühmte Me-
tropolit von Saloniki Eusthatius (f ca. 1193), derneben
seinen theologischen auch die klassischen Studien kultivierte
und uns die bekannten Scholien zu Homer hinterlassen hat,
ruft in einer Lobrede auf den Märtyrer aus, daß seine zeit-
genössischen Salonikier das Heiligtum ihrer Patrone als
ein zweites Paradies ansahen. In ihm befand sich, abge-
sehen von anderen Kostbarkeiten, der als vornehmstes
Kleinod betrachtete Leib des hl. Demetrius, welcher in einem
reichgezierten Sarkophage unterhalb eines ebenso reich de-
korierten Ziboriums unversehrt aufbewahrt worden war, aus
dem Salböl floß, das unzählige Wunder tun sollte. UmdenSarg
des Märtyrers sammelten sich Korporationen von Priestern
und Mönchen, Psalterchören, Gottesgelehrten und Pilgern,
die aus jedem Lande der Christenheit hierher strömten.
Wunderbare Weihgeschenke bedeckten den Sarg, Seiden-
und Sammetstoffe die Zugänge zu ihm; ewige Glaslampen
und Leuchter brannten um das wundertätige Kleinod. Die
Zeremonien in dem Heiligtum wurden mit großem Pomp
abgehalten, und zwar während der Panegyrie des Heiligen,
die mehrere Tage andauerte und mit einer vielbesuchten
Handelsmesse verbunden war.
Die Basilika war mit prächtigen Anlagen, Brunnen und
Nebengebäuden umgeben; noch heute erhebt sich dort die
altbyzantinische Phiale, d. h. ein von Säulen umgebener
Marmorbrunnen, der mit gewölbtem Dache versehen ist.
Das mittelalterliche Buch der Wundertaten des hl. Demetrius
berichtet auch von einstigen Wandmalereien des Heiligtums;
auf seinen Wänden nämlich hatten die frommen Salonikier
alle Kriegszenen dargestellt, wobei der Märtyrer ihnen
die Rettung und den Sieg gegen die Barbaren geschenkt
hatte. Öfters soll der Märtyrer nach dem Volksglauben
selbst für die von ihm geschirmte Stadt gekämpft haben.
Als die verschiedenen slawischen Stämme schon zur
Zeit Justinians sich von Norden gen das Ägäische Meer
bewegten und das ganze Mazedonien überflutend, wieder-
holt im Laufe des 6. und 8. Jahrhunderts, Saloniki ver-
geblich belagerten, soll der hl. Demetrius seine Heimat-
stadt gerettet haben, indem er bald als bewaffneter Krieger,
bald als blonder, weiß gekleideter Ritter usw. die Stürme
der Feinde abwies. Auch in späteren Zeiten hat man dem
hl. Demetrius die Rettung Salonikis zugeschrieben; die
christlichen Bewohner glaubten ihn mitten unter sich
kämpfend zu sehen, wie die alten Griechen ihre Götter
und Heroen bei Marathon und Saloniki. Wie tief der
volksreligiöse Sinn der Orientalen in diesem Punkt, ich
meine im Beistand des hl. Demetrius bei Kämpfen gegen
die Ungläubigen, sich erhalten hat, das können auch Bei-
spiele aus unserer unmittelbaren Gegenwart erweisen.
Während des Balkankrieges in der Sarantaporosschlacht
(1912), die das Schicksal Salonikis besiegelte, behaupteten
griechische Jägerregimenter, den hl. Demetrius mit eigenen
Augen gesehen zu haben, wie er ihnen zum Sieg verhalf.
So zeitigt noch in unserer Zeit die Legendenbildung im
Lande der wärmeren Sonne neue Blüten. Die Dankbar-
keit der Salonikier gegen ihren Schutzheiligen für die Rettung
der gemeinsamen Heimat hallt noch heute hell und melo-
disch wider in einem Epigramm unter dem oben an-
geführten Mosaikbild, das den Märtyrer zwischen einem
Bischof und einem Notabein zeigt, und das gleichfalls in
Mosaik ausgeführt ist. In diesem Epigramm wird der Heilige
als der starke Wall seiner Heimatstadt wider die Flut der
andringenden Feinde bezeichnet. Es ist hier nachzutragen,
daß Mosaiken mit Darstellungen der Wundertaten des
Heiligen zur Rettung Salonikis aus Feindeshand vor einigen
Jahren bei einer Reparatur des Heiligtums entdeckt wurden;
die aber damals in der Stadt herrschten, ließen diese Mosaiken
sofort wieder überstreichen.
Es war bestimmt, daß das Demetrius-Heiligtum nicht
immer ein christliches Bethaus blieb. Im April des Jahres
1430 unter der Regierung des Sultans Murat fiel Saloniki
in die Hände der Türken, die schon vorher wiederholt bis
zum Gestade des Thermäischen Golfes vorgedrungen waren
und selbst Saloniki, wenn auch vergeblich, belagerten. Der
Sultan Murat überließ in toloranter Weise den auch sonst
privilegierten Bewohnern das Demetriusheiligtum, das aber
bei der Eroberung seiner Schätze, Kleinodien und Reliquien
Das zerstörte Demetriusheiligtum in Saloniki
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daß die Verschiedenheit der Kapitelltypen völlig die Augen
befriedigen. Schlagende Aufschlüsse tragen zur Datierung
des Gebäudes bei: die Akanthuskapitelle der Apsis mit ihrem
beachtenswerten Blattschnitt, Tauben an den Ecken und
hohen kreuzgeschmückten Kämpfern, was man für charakte-
ristische, auf das 5. nachchristliche Jahrhundert hin-
weisende Merkmale hält. Neben den schneeweißen
Marmorkapitellen und den vielfarbigen Säulensteinen ver-
liehen die musivischen Wandmalereien, die in Gold und
blauer Farbe ausgeführt und fein gegliedert sind, der
Kirche eine außerordentliche Pracht. Leider war ein großer
Teil von den Mosaiken schon vor dem letzten Brande
längst vernichtet oder durch absichtliche Überstreichung
unsichtbar gemacht worden. Gut erhalten war ein Wand-
mosaik, welches den hl. Demetrius in buntem kostbarem
Gewände zeigte. In einem anderen Wandmosaik ist er
zwischen einem Bischof und einem Notabein aufrecht in
weißem Kleide dargestellt. Andere sehr beachtenswerte
an die hellenistische Kunstweise erinnernde Mosaiken
zierten die Nordwand der Kirche. Alles in allem dürfte
man diese Mosaiken als die besten Muster byzantinischer
Kunst, die um vieles den berühmten Mosaiken von Ravenna
überlegen sind, bezeichnen. Die Datierungsfrage nach der
baukünstlerischen Ausgestaltung der Demetriuskirche hat
bisher die zünftigen Forscher stark in Anspruch genommen,
ohne sie zu abschließenden Ergebnissen zu führen. Jeden-
falls darf man wohl unbedenklich annehmen, daß die ur-
sprüngliche Basilika an Stelle eines früheren Martyriums
im 5. Jahrhundert erbaut worden ist, worauf, wie ge-
sagt, mehrere kunstgeschichtliche Indizien hinweisen. Das
mittelalterliche Buch der Wundertaten des hl. Demetrius
nennt als Erbauer des Salonikier Heiligtums einen Leortius,
Präfektus von Illyrien. Aus glaubwürdigsten Quellen
erfahren wir, daß er in der Tat als Präfektus von Illyrien
in dem Jahre 412—413, jedenfalls aber vor dem Jahre 441
amtiert hat. Die von diesem Leortius erbaute Basilika ist
infolge eines Brandes, der zwischen den Jahren 629 und
634 ausgebrochen ist, stark beschädigt worden, und soll
bald darauf durchgreifend repariert worden sein, offenbar
doch ohne im Grundriß und Aufbau Veränderungen er-
fahren zu haben. Die oben erwähnten Wandmosaiken
sind Werke des 7. Jahrhunderts und nach dem Brande
entstanden, der zwischen die Jahre 629—634 zu setzen ist.
Freilich konnte der Bau und sein Malerschmuck während
der darauffolgende« Jahrhunderte nicht ohne weitere Ver-
änderungen und Zutaten geblieben sein, jedoch sind diese
zumeist von untergeordneter Bedeutung. Man hat geglaubt,
daß zur Zeit des byzantinischen Kaisers Leo III. (717—741)
die Basilika neuen Mosaikschmuck erhalten und andere
Verbesserungen erfahren hat; diese Auffassung beruht aber
auf einer irrtümlichen Erklärung einer Inschrift, die nicht
von Kaiser Leo III., sondern vielmehr von einem gleich-
namigen Eparchos von Saloniki, einer Person wohl des
7. Jahrhunderts, berichten soll. Trotzdem sah man in der
Demetriuskirche neben den Mosaiken auch Wandmalereien
des 14. und 15. Jahrhunderts und in dem Narthex Kalender-
aufzeichnungen aus dem 15. Jahrhundert.
Die Berichterstattung byzantischer Autoren erlaubt uns
den Glanz des Demetriusheiligtums in seiner vollen Blüte-
zeit annähernd zu vergegenwärtigen. Der berühmte Me-
tropolit von Saloniki Eusthatius (f ca. 1193), derneben
seinen theologischen auch die klassischen Studien kultivierte
und uns die bekannten Scholien zu Homer hinterlassen hat,
ruft in einer Lobrede auf den Märtyrer aus, daß seine zeit-
genössischen Salonikier das Heiligtum ihrer Patrone als
ein zweites Paradies ansahen. In ihm befand sich, abge-
sehen von anderen Kostbarkeiten, der als vornehmstes
Kleinod betrachtete Leib des hl. Demetrius, welcher in einem
reichgezierten Sarkophage unterhalb eines ebenso reich de-
korierten Ziboriums unversehrt aufbewahrt worden war, aus
dem Salböl floß, das unzählige Wunder tun sollte. UmdenSarg
des Märtyrers sammelten sich Korporationen von Priestern
und Mönchen, Psalterchören, Gottesgelehrten und Pilgern,
die aus jedem Lande der Christenheit hierher strömten.
Wunderbare Weihgeschenke bedeckten den Sarg, Seiden-
und Sammetstoffe die Zugänge zu ihm; ewige Glaslampen
und Leuchter brannten um das wundertätige Kleinod. Die
Zeremonien in dem Heiligtum wurden mit großem Pomp
abgehalten, und zwar während der Panegyrie des Heiligen,
die mehrere Tage andauerte und mit einer vielbesuchten
Handelsmesse verbunden war.
Die Basilika war mit prächtigen Anlagen, Brunnen und
Nebengebäuden umgeben; noch heute erhebt sich dort die
altbyzantinische Phiale, d. h. ein von Säulen umgebener
Marmorbrunnen, der mit gewölbtem Dache versehen ist.
Das mittelalterliche Buch der Wundertaten des hl. Demetrius
berichtet auch von einstigen Wandmalereien des Heiligtums;
auf seinen Wänden nämlich hatten die frommen Salonikier
alle Kriegszenen dargestellt, wobei der Märtyrer ihnen
die Rettung und den Sieg gegen die Barbaren geschenkt
hatte. Öfters soll der Märtyrer nach dem Volksglauben
selbst für die von ihm geschirmte Stadt gekämpft haben.
Als die verschiedenen slawischen Stämme schon zur
Zeit Justinians sich von Norden gen das Ägäische Meer
bewegten und das ganze Mazedonien überflutend, wieder-
holt im Laufe des 6. und 8. Jahrhunderts, Saloniki ver-
geblich belagerten, soll der hl. Demetrius seine Heimat-
stadt gerettet haben, indem er bald als bewaffneter Krieger,
bald als blonder, weiß gekleideter Ritter usw. die Stürme
der Feinde abwies. Auch in späteren Zeiten hat man dem
hl. Demetrius die Rettung Salonikis zugeschrieben; die
christlichen Bewohner glaubten ihn mitten unter sich
kämpfend zu sehen, wie die alten Griechen ihre Götter
und Heroen bei Marathon und Saloniki. Wie tief der
volksreligiöse Sinn der Orientalen in diesem Punkt, ich
meine im Beistand des hl. Demetrius bei Kämpfen gegen
die Ungläubigen, sich erhalten hat, das können auch Bei-
spiele aus unserer unmittelbaren Gegenwart erweisen.
Während des Balkankrieges in der Sarantaporosschlacht
(1912), die das Schicksal Salonikis besiegelte, behaupteten
griechische Jägerregimenter, den hl. Demetrius mit eigenen
Augen gesehen zu haben, wie er ihnen zum Sieg verhalf.
So zeitigt noch in unserer Zeit die Legendenbildung im
Lande der wärmeren Sonne neue Blüten. Die Dankbar-
keit der Salonikier gegen ihren Schutzheiligen für die Rettung
der gemeinsamen Heimat hallt noch heute hell und melo-
disch wider in einem Epigramm unter dem oben an-
geführten Mosaikbild, das den Märtyrer zwischen einem
Bischof und einem Notabein zeigt, und das gleichfalls in
Mosaik ausgeführt ist. In diesem Epigramm wird der Heilige
als der starke Wall seiner Heimatstadt wider die Flut der
andringenden Feinde bezeichnet. Es ist hier nachzutragen,
daß Mosaiken mit Darstellungen der Wundertaten des
Heiligen zur Rettung Salonikis aus Feindeshand vor einigen
Jahren bei einer Reparatur des Heiligtums entdeckt wurden;
die aber damals in der Stadt herrschten, ließen diese Mosaiken
sofort wieder überstreichen.
Es war bestimmt, daß das Demetrius-Heiligtum nicht
immer ein christliches Bethaus blieb. Im April des Jahres
1430 unter der Regierung des Sultans Murat fiel Saloniki
in die Hände der Türken, die schon vorher wiederholt bis
zum Gestade des Thermäischen Golfes vorgedrungen waren
und selbst Saloniki, wenn auch vergeblich, belagerten. Der
Sultan Murat überließ in toloranter Weise den auch sonst
privilegierten Bewohnern das Demetriusheiligtum, das aber
bei der Eroberung seiner Schätze, Kleinodien und Reliquien