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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Wichmann, Heinrich: Alte Kunst aus schlesischem Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0147

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Alte Kunst aus schlesischem Privatbesitz

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der aber im Räumlichen erheblich besser ist und auch eine
buntere Farbengebung mit mehr Übergangstönen hat. —
Eine kleine Landschaft (Besitzer Direktor Friedrich in Breslau),
von Lucas Gassei van Helmont (1496—1561), in deren
Vordergrund eine biblische Szene dargestellt ist, führt uns
in die Gegend des Maastales, wie sie von Joachim Patinier
und Herri met de Bles dargestellt wurde. Für die Zeit
und die Gruppe der Brüsseler Landschaftsmaler ist das
Übergehen vom bräunlichen Vordergrunde zu grünlich-
bläuen und grauen Fernen, in denen sich gezackte Felsen-
burgen türmen, typisch. — Von Frans Francken II
(1581—1642) finden wir aus seiner mittleren Schaffens-
periode eine Kreuzigung in gedrängter, bewegter Kompo-
sition mit dunklen Schatten, aus denen die weißlichkreidigen
Gesichter und die rötlichen Farben der Gewänder heraus-
leuchten. — Von den Vlamen des 17. Jahrhunderts ist
eine Geißelung Christi, die auf Anton van Dyck zurück-
geht (Besitzer Dr. Loewe in Breslau) und ein Frauenbildnis
in der Art des Cornelis de Vos zu nennen. — Am
reichsten sind die Holländer vertreten. Von Pieter van
Laer führt uns ein treffliches größeres Stück (Besitzer
Geh. Rat Fischer in Breslau), ein Jahrmarktstheater in-
mitten römischer Gebäude, zu der Gruppe der niederlän-
dischen Künstler, die sich im ersten Drittel des 17. Jahr-
hunderts in Rom zur Bent zusammenschlössen. Das
Dämmerlicht, die für van Laer so typischen Schatten der
Sonne des Südens, aus denen die Gesichter und hellen
Gewandteile herausleuchten, finden wir auch in diesem
Stück wie bei all seinen Bambocciaden, die ihn so berühmt
gemacht haben. Das laute italienische Straßenleben, das
van Laer nach Passeri zuerst darstellte und das vielleicht
nur in Bildern des Domenico Fetti einen ähnlichen Illu-
strator und Vorgänger gehabt, ist mit seinem flotten Pinsel
wiedergegeben, der auch außerordentlich pikante Reize in
den Farben, z. B. das rotbraune Pferd, die blaue Fahne
und die blauen Dächer, anbringt.— Für Adriaen Brou wer
sind die zechenden Bauern zu ruhig in der Pinselführung,
auch haben dessen Bilder aus der frühen Zeit, für die das
Stück nur in Betracht käme, eine buntere Farbengebung.
Es wird daher eher aus dem Kreise des H. M. Sorgh
sein. — Ein links oben bezeichnetes Tischgebet einer
Bauernfamilie von Egbert van Heemskerk erinnert stark
an die Farbengebung und Komposition des Jan Steen der
mittleren Zeit. E. v. Heemskerks Bilder sind sonst wesent-
lich bewegter und dunkler im Ton. — Von Jan Miense
Molenaer (1600—1668) ist ein Leierkastenspieler — bez.
rechts unten auf einem Faß — in dem braunen Hell-
dunkelton der späteren Zeit vorhanden. — An Porträts
sind ausgestellt: ein festgemaltes (1630 dat.) Männerbild-
nis des Delfter M. Jz. Miereveit (1567—1641), ein vor-
treffliches Herrenporträt des Nie. Maes (1632—1693) aus
den fünfziger Jahren in der Übergangszeit von der Weise
Rembrandts zum vlämischen Pathos (Besitzer: Geh. Rat
Fischer in Breslau), ferner ein (links unten bez.) musizie-
render Kavalier von Constantin Netscher mit den ty-
pischen roten altgoldenen Farben und perlenglänzenden
Lichtern, die ihn von Caspar Netscher unterscheiden lassen
(Besitzer: Hans Küster in Breslau), und schließlich das Bild-
nis einer Lady (bez. rechts unten) von Daniel Mytens
(Besitzer: Geh. Rat Fischer in Breslau), das in seiner etwas
steifen Haltung und dem sahnefarbenen Rosa des Kostümes,
sowie in dem Ausblick rechts auf eine Landschaft beweist,
daß es in seine Londoner Zeit fällt. — Ein Jahrmarkts-
getümmel von M. Naiveu (bez. und 1691 datiert links
oben auf dem Anker, den eine Steinfigur hält) ist mit
prächtigen buntgestreiften Kostümen, sonst aber in grauem
Tone, gemalt (Besitzer: Geh. Rat Fischer). — Von Jan
Josef Horemans d. Jüng. (1740—1790) ist ein typisches

Interieur ausgestellt (Besitzer: Geh. Rat Fischer). — Die
holländischen Landschafter sind vertreten durch eine Fluß-
uferlandschaft (Besitzer: Hans Küster in Breslau) von
Klaes Molenaer (bez. rechts unten) mit kleinen weißen
schimmernd aufgesetzten Lichtern, rötlichem Himmel und
bräunlichem Gesamtton, durch Jan van der Meer (van
Haarlem) mit einem bergigen Flußtal (bez. in der Mitte
unten), dessen bewaldete, ferne Höhenzüge an die späten
Bilder des Herman Saftleven erinnern (Besitzer: Hans
Küster). — Eine Landschaft mit Hirten und Vieh von Nie.
Berchem ist eine Nachahmung aus dem 18. Jahrhundert.

Ein Stilleben von Blumen und Früchten ist Cornelis
de Heem genannt, scheint aber nur in Anlehnung an ihn in
späterer Zeit entstanden zu sein nach der etwas matten
Farbengebung und dem dunkel schwärzlichen Grün distel-
artiger Blätter zu urteilen. — Der größte Meister Hollands,
Rembrandt, ist mit einer Reihe von Radierungen ver-
treten. So in besonders guten Abdrücken der Faust, die
Taufe des Kämmerers von 1641 (B. 398), Christus in
Emmaus von 1634 (B. 88), der Bettler vor der Haustür von
1648 (B. 176), die kranke Frau (B.359), die wie eine feine
Silberstiftzeichnung wirkt, das Bildnis des Cornelis Claesz
Anslo (B. 271), der Goldwäger von 1639 (B. 281) u. a. m.

An deutschen Kunstwerken finden wir zwei Holz-
plastiken, eine Maria mit Jesusknaben in gut erhaltener
Vergoldung um ca. 1300 und eine hl. Barbara um 1500 mit
dem Faltenschwung Riemenschneiders und vorzüglich aus-
drucksvoller Hand. Ferner die Flügel eines Altares
aus der Breslauer Elisabethkirche mit den Darstel-
lungen der Geißelung Christi," der Kreuzigung, Christus
vor dem hohen Priester, der Annagelung ans Kreuz auf
den Innenseiten, während die Außenseiten männliche und
weibliche Heilige zeigen. Die Tafel der hl. Cäcilie trägt
das Datum 1498. Die Bewegungen und der Ausdruck
der Gesichter auf den Passionsdarstellungen lassen diesen
zweifellos lokalen Meister als einen Künstler ohne viel
Schulung erkennen und zeigen, daß er von dem Fort-
schritte seiner Zeit weder im Kompositionellen noch im
Koloristischen ergriffen war. Die Figuren der Heiligen in
ihrer hieratischen Ruhe allerdings stehen etwas im Gegen-
satz zu den grausigen Passionsszenen, aber auch die Falten-
gebung ihrer Gewänder kennzeichnen das provinzielle Milieu
des Künstlers. Von demselben Meister befindet sich ein
Altar im Breslauer Kunstgewerbemuseum. — Von Lucas
Cr an ach ist ein kleines Bildchen da, die hl. Anna Selb-
dritt, mit der typischen Cranachlandschaft in verschiedenem
Grün und Blau, den sich kräuselnden aufgesetzten Lichtern,
sauber gemalten Glorienscheinen und einem Himmel, der
nach oben zu tief blau wird (Besitzer: Geh. Rat Fischer
in Breslau). Eine Dido, links unten datiert 1541, erscheint
dem Akt nach fränkischen Ursprunges, während der Raum
rechts auf die Donauschule schließen ließe, für die aber
wiederum der landschaftliche Ausblick rechts nicht so
passen will. — Ein Männerkopf im Barett weist in die
Bodenseegegend. — Von Albrecht Dürer sind Kupfer-
stiche und Holzschnitte ausgestellt. Die Marktbauern von
1519 (B. 89), ein guter und ein minderer Abdruck der
Melancholie (B. 74), der Herkulesstich (B. 73), ein vorzüg-
licher Abzug der großen Fortuna (B. 77) und ein sehr
klarer Holzschnitt, hl. Christoph von 1511 (B. 103). — Von
späteren deutschen Meistern ist der kurtrierische Hofmaler
Januarius Zick (1733—1797) mit einem kleinen Bild
Ausstellung Christi (Besitzer: Geh. Rat Fischer) in seiner
Formensprache des deutschen Rokoko, die aus dem Studium
der Correggio, Veronese, Tiepolo entstanden ist, vertreten,
ferner C. W. E. Dietrich (1712—1774) mit einer Anbetung
der Könige (Besitzer: Dr. Loewe in Breslau) in dem für
ihn so charakteristischen hellbräunlichen Grundtone, aus
 
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