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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Haupt, Richard: Brand im Schlosse Gottorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0157

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 27. 19. April 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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BRAND IM SCHLOSSE OOTTORF

Es scheint das Schicksal der Schlösser zu sein,
die zu Kasernen geworden sind, daß sie von Feuers-
brünsten heimgesucht werden, und nicht wenige haben
das mit schwerem Schaden, ja mit dem Untergang
zu bezahlen gehabt. In Dänemark zagt man wegen
solcher Gefahr um die Perle der neueren dänischen
Baukunst, Kronburg; das Innere dieses Schlosses ist
fast ganz zu einer wenig ansprechenden und wenig
brauchbaren Soldatenherberge herabgekommen und
man befürchtet für den herrlichen Bau das Geschick,
dem seiner Zeit Friedrichsburg und Christiansburg
erlegen sind. In Schleswig wäre in der Nacht vom
8. zum 9. Dezember 1917 um ein Kleines Gottorf
der Flamme zum Opfer gefallen, nachdem es schon
wiederholt mit größerer und geringerer Schädigung
von ausgebrochenem Feuer heimgesucht worden war.
Der Brand brach, so scheint es, in einer Montierungs-
kammer aus; er hatte sich mit Schnelle über ein
Drittel des ausgedehnten Schlosses verbreitet, vom
Tor an mit seinem sehr hohen turmartigen Überbau,
der oben ausbrannte, über den Westteil des Süd-
flügels hin und von diesem bis an das Nordende
des Westflügels. — Die älteren Schloßbauten schließen
ziemlich gleichmäßig auf drei Seiten den viereckigen
Hof zwischen sich; der Südflügel legt sich in mäch-
tiger Größe davor her und streckt sich nach Osten
weitausgreifend in die Breite. Dieser Flügel, 1698
bis 1703 gebaut, in starken aber nüchternen Barock-
formen, war als erster Teil eines sehr großen Schloß-
baues jener selbstherrlichen Zeit gedacht, wie solcher
damals zeitgemäß erschien. Der Zusammenbruch des
Gottorfischen Hauses im nordischen Kriege bewirkte,
daß der Plan nicht vollständig ausgeführt ward und
die hinteren, älteren Teile stehen blieben. Das Ganze
kam allmählich in Abnahme und in Verfall unter der
königlichen Herrschaft seit 1713. Diesem Umstände
verdanken wir die Erhaltung fast alles dessen, was im
Schlosse noch wirklich merkwürdig und bedeutsam
ist. Die drei hinteren Flügel stammen aus dem 16.
und 17. Jahrhundert und enthalten trotz der traurigen
Vernüchterung noch allerhand Wertvolles. Dazu ge-
hört namentlich die um ihrer Schnitz- und Einlage-
arbeiten, sowie um ihrer Malereien willen berühmte
Schloßkapelle vom Anfange des 17. Jahrhunderts.
Der westliche Flügel zeigt an der Hofseite die wesent-
lichen Bestandteile einer ausgezeichneten, feinen Gliede-
rung in Gesimsen, Pilastern und sehr reichen figür-
lichen Stuckarbeiten. Den schönsten Teil, die in den
Hof weit ausspringende »Laterne«, hat freilich eine
Pulverentzündung 1870 zerstört; aber für das kundige
Auge bietet diese Schauseite mit einem schönen poly-

gonen Treppenturme und einer trefflichen Wendel-
treppe (der einzigen guten steinernen im ganzen Lande),
deren Spindel gewunden ist, und mit zwei ebenfalls
noch etwas gotisierenden Türen, den lehrreichsten, an-
ziehendsten Anblick. Dieser Bau ist im Wesentlichen
1565 von einem paar oder unter Mitwirkung von
einem paar italienischen Baumeistern, Orea und Puppe,
errichtet. Das zum Teil edle Steinwerk, das im Schlosse
verwandt ist, entstammt teilweise norwegischen Kirchen,
die der König Friedrich I. hat abreißen lassen. Der
Brand hat diese Schauseite ungestört gelassen; er hat
überhaupt nur die oberste Balkenlage des Flügels samt
dem Dachstuhle zerstört. Die prachtvoll ausgebildeten
Giebel und Dacherker sind schon früher zugrunde
gegangen. Nicht anders steht es um den Westteil
des Haupfflügels und den Turm; sie stehen jetzt
ohne Dach und mit öden Fensterhöhlen des obersten
Geschosses. — Das Innere, nun vom Wasser bei den
Löscharbeiten arg mitgenommen, war längst ausge-
raubt, die großartige Ausschmückung des Barock-
palastes mit Wandteppichen und mit Bildern von
Jürgen Ovens und anderen war herausgerissen und weg-
geschleppt; zerstreute Bilder, Möbel und Spiegel aus
der Ausstattung findet man noch hier und da in der
Stadt und sonst. Auch der lange Saal im Unter-
geschoß, der um 1530 gebaut, aus dem früheren
Schloßbau unzerstört erhalten geblieben und dem
jetzigen 1698 einverleibt worden ist, ein spätest-
gotischer Raum mit sieben Säulen und schönem
Rippengewölbe, gibt nur noch der Erinnerung alter
Herrlichkeit Raum. Doch ist es hocherfreulich, daß
er jetzt wieder bewahrt geblieben ist. Ihn füllten vor
Zeiten die weltberühmte Bibliothek der Gottorfischen
Fürsten und die mit ihr vereinigten Sammlungen von
Kunstgegenständen und anderen Merkwürdigkeiten,
die man als die gottorfische Kunstkammer bezeichnete,
eins der besten und vornehmsten alten Museen
Deutschlands.

Es erhebt sich heute vielfach die bange Sorge
um das künftige Geschick dieses Schlosses, aus dem
einige der vornehmsten unter den heute regierenden
Geschlechtern hervorgegangen sind. Die ganze Um-
gebung entspricht bereits der Verwendung zur Kaserne;
weite Stall- und Exerzierplätze umgeben den trauern-
den Bau statt der alten Anlagen und Festungswerke;
und die überaus großartigen Gartenanlagen sind gänz-
lich verwüstet. Am Bau selbst aber, den ein scheuß-
liches Grau überzieht, sind überall die Spuren einer
Tätigkeit zu bemerken, deren Ziel dahin gegangen
ist, ihm das Ansehen des Schlosses womöglich ganz
abzustreifen und alles Ungemeine zu vernichten. Bei
dem allem ist das Schloß in der Fernwirkung noch
von unzerstörbarer oder wenigstens unzerstörter Schön-
 
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