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Valerian von Loga f
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schaft war ihm Plalens »Aqua Paolina«; er wußte,
daß Poussin seine Matthäus-Landschaft von Aqua
Acetosa geholt, und daß Dujardins Hirtin mit dem
Hund beim Monte Mario sitzt. Er hatte als echter
Ranke-Schüler den »Sinn fürs Interessante« in sich
entwickelt und bekannte sich offen zum persönlichen
Grundsatz: »über Kunst kann man nicht reden« in
einer Zeit, als rund um ihn die Kunstschreiberei
blühte und das »Sehenlernen« begann, Plantagen-
betrieb zu werden.
Jahrelang hat er an der Inventarisation der Blätter
im Kupfersichkabinett gearbeitet, die er so systematisch
und klar organisierte, daß die Generalverwaltung
seine »Erfahrungen und Vorschläge« dazu gedruckt
unter den Handbüchern der Kgl. Museen herausgab;
und selten ließ er sich in einem der solid fun-
dierten Aufsätze vernehmen, für die Wickhoff das
Lob »logisch« fand [redigierte das Jahrbuch] — in
seinen besten Jahren, da er, bei den Familientraditionen,
»hätte Stabsoffizier sein können«, eine mehr mensch-
liche als militaristische Anwandlung, von der selbst
Uhde, zur Zeit seiner Erfolge, sich nicht hat frei
machen können. Für seine Kräfte fand sich nirgends
eine Verantwortung; öfter hatte er mit Jaro Springer zu
kandidieren und war zu vornehm, zu konkurrieren;
man könnte von einer Betäubung sprechen, die seine
Kräfte lähmte. Er wiegte sich damals in Memoiren-
stimmung auf seinen Erfahrungen, und wenn er nicht
schlafen konnte, hat er sich die Städte aufgezählt, die
er auf seinen Reisen besucht, die Meere, Seen und Flüsse,
in denen sein Pantheismus sich gesonnt und getummelt.
Dann kam auch für ihn der psychologische Moment:
Die Reise nach Spanien. Er war 36 Jahre alt ge-
worden, um sein Fahrwasser zu finden. Und wie für
sich selbst hat er auf seinen Helden Goya, der »das
Schwabenalter erreichen mußte, um mit dem vertrauten
Pfunde zu wuchern«, Rankes Worte angewandt: Wenn
die alte Sage ihre Helden schildert, gedenkt sie zu-
weilen auch solcher, die erst eine lange Jugend hin-
durch untätig zu Hause sitzen,... erst die gesammelte
Kraft findet die Laufbahn, die ihr angemessen ist.
Er war 1897 zum erstenmal auf ein halbes Jahr
nach Spanien gegangen, als Enttäuschungen, am ehesten
auch die Erkenntnis, er habe von außen keine Änderung
seiner Laufbahn zu erwarten, noch einmal die jugend-
liche Wanderlust weckten. Ihm lag daran, seine Aus-
bildung abzurunden, auch kunstgewerbliche Interessen
und die dafür in Aussicht stehende, von ihm allen
anderen vorgezogene Gesellschaft eines Freundes
mochten mitbestimmend wirken. Seitdem war er
dort unten immer wieder heimisch: alles was noch
aufnahmefähig an ihm geblieben, erfüllte sich mit
diesem neuen Inhalt; seine Wände füllten sich mit
spanischen Bildern, unter denen ein Jacomart mit
Recht sein besonderer Stolz war, seine Gläser mit
spanischem Wein, denn er wußte, wie kaum ein
anderer, Erinnerungen an Landschaft, Menschen, gute
Stunden mitzuschlürfen und dies mit anderen zu teilen.
Seitdem nahm er das große Thema Spanien persön-
lich; es war die durch nichts zu erschütternde Soli-
dität seines Geschmacks, die ihn dabei festhielt, der
Erdgeruch des bäuerlich-aristokratischen und jedenfalls
ganz unbürgerlichen Lebens und bei dem in der Kunst-
geschichte noch jungfräulichen Thema, der von ihm
gern ausgekostete Reiz, sich als Adept zu fühlen.
Wenn er früher oft mit Selbstironie geklagt hatte:
I want a hero — jetzt hatte er ihn in Goya gefunden.
In diesem Thema Goya fühlte er sich heimisch! Den
phantastischen Legenden das klare Bild der Tatsachen
entgegenzuhalten, in überlegener Ruhe nach Rankes
Forderung zu sagen »wie es war«, und in dem »wie
es war« soviel von sich selbst zu finden, hat er, mit
dem langentbehrten Reiz, im Bann des Themas zu
sein, damals genossen. Es kamen seine besten Kräfte
ins Spiel: Skepsis in der Kritik der Quellen und
Werke und dieBodenwüchsigkeit, ohne die des Spaniers
Kunst nur als kosmopolitisches Feuerwerk erschiene.
Wir Jüngeren hatten in seiner Darstellung etwas von
moderner Wertung des künstlerischen Schaffens ver-
mißt; ich glaube heut — und nicht bloß als Nekro-
logschreiber — daß seine Darstellung Charakter hat,
weil sie sich zu nichts zwingen wollte, was ihm
nicht lag, und daß er damit seinem unergründlichen
Helden wirklich näher kam, als alle literarischen Dar-
stellungen, die dann gleich auf sein Buch hin erschienen.
Er sprach hier, was er sonst nicht tat, von sich selbst;
man spürt den Pulsschlag, wenn seine nicht eben
leichte Darstellung mit einem Mal in bekannter Gegend
den freudigen Rhythmus annimmt, wie bei dem Brief-
wechsel Goyas mit Zapater. Seine Freunde und mancher
andere wissen, daß er nicht alles auf sich bezogen
hat: »Niemals begegnet man einer boshaften oder
sarkastischen Bemerkung«, dies negative Lob wollte
er — auch wenn er oft das Stoßgebet zitierte »Gott
schenke mir Bescheidenheit« nicht für sich in An-
spruch nehmen, aber mit Sachverständnis buchte er
die Neckereien oder die köstliche Schilderung, wie
Goya den neuen Wagen einfährt und damit umschlägt,
jenes Anerbieten seines Vermögens an Zapater »mit
der Ehrlichkeit, wie ein Mann dem andern« oder
■— wie ihm damals aus dem Herzen geschrieben:
»Chico, ich weiß, daß wir uns in allem gleichen und
verstehn, und daß uns darin Gott unter vielen Menschen
ausgezeichnet hat«.
Aus den Spukbildern der »Quinta del Sordo«
wehte es ihn bekannt genug an; lange, ehe die »Pro-
verbios« in sein engeres Bewußtsein gedrungen waren,
pflegte ihn selbst ein Traum zu quälen: er fühlte und
sah sich mitten durch Weltraum und Erde stürzen —
und eigentlich ist es ganz aus seinem verschwiegensten
Sinn, wo Phantastik und Skepsis nebeneinander lebten,
daß eben jetzt, da sein Grab sich schloß, seine Aus-
gabe der Capriccios erscheint.
Gewiß war Goyas Name schon vor ihm ein fester
Begriff, aber sein Buch war für Deutschland eine
originelle Tat: er hat das Bild der Persönlichkeit auf
festen Boden gestellt und das Bild seines Schaffens
bereichert durch die »seltenen Radierungen und Litho-
graphien«, die er in einer kostbaren Publikation bei
Grote herausgab, und die Zeichnungen, über die er
in den Graphischen Künsten 1908 eindringend, kritisch
und teilnehmend zugleich schrieb. Seinen Forschungen
Valerian von Loga f
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schaft war ihm Plalens »Aqua Paolina«; er wußte,
daß Poussin seine Matthäus-Landschaft von Aqua
Acetosa geholt, und daß Dujardins Hirtin mit dem
Hund beim Monte Mario sitzt. Er hatte als echter
Ranke-Schüler den »Sinn fürs Interessante« in sich
entwickelt und bekannte sich offen zum persönlichen
Grundsatz: »über Kunst kann man nicht reden« in
einer Zeit, als rund um ihn die Kunstschreiberei
blühte und das »Sehenlernen« begann, Plantagen-
betrieb zu werden.
Jahrelang hat er an der Inventarisation der Blätter
im Kupfersichkabinett gearbeitet, die er so systematisch
und klar organisierte, daß die Generalverwaltung
seine »Erfahrungen und Vorschläge« dazu gedruckt
unter den Handbüchern der Kgl. Museen herausgab;
und selten ließ er sich in einem der solid fun-
dierten Aufsätze vernehmen, für die Wickhoff das
Lob »logisch« fand [redigierte das Jahrbuch] — in
seinen besten Jahren, da er, bei den Familientraditionen,
»hätte Stabsoffizier sein können«, eine mehr mensch-
liche als militaristische Anwandlung, von der selbst
Uhde, zur Zeit seiner Erfolge, sich nicht hat frei
machen können. Für seine Kräfte fand sich nirgends
eine Verantwortung; öfter hatte er mit Jaro Springer zu
kandidieren und war zu vornehm, zu konkurrieren;
man könnte von einer Betäubung sprechen, die seine
Kräfte lähmte. Er wiegte sich damals in Memoiren-
stimmung auf seinen Erfahrungen, und wenn er nicht
schlafen konnte, hat er sich die Städte aufgezählt, die
er auf seinen Reisen besucht, die Meere, Seen und Flüsse,
in denen sein Pantheismus sich gesonnt und getummelt.
Dann kam auch für ihn der psychologische Moment:
Die Reise nach Spanien. Er war 36 Jahre alt ge-
worden, um sein Fahrwasser zu finden. Und wie für
sich selbst hat er auf seinen Helden Goya, der »das
Schwabenalter erreichen mußte, um mit dem vertrauten
Pfunde zu wuchern«, Rankes Worte angewandt: Wenn
die alte Sage ihre Helden schildert, gedenkt sie zu-
weilen auch solcher, die erst eine lange Jugend hin-
durch untätig zu Hause sitzen,... erst die gesammelte
Kraft findet die Laufbahn, die ihr angemessen ist.
Er war 1897 zum erstenmal auf ein halbes Jahr
nach Spanien gegangen, als Enttäuschungen, am ehesten
auch die Erkenntnis, er habe von außen keine Änderung
seiner Laufbahn zu erwarten, noch einmal die jugend-
liche Wanderlust weckten. Ihm lag daran, seine Aus-
bildung abzurunden, auch kunstgewerbliche Interessen
und die dafür in Aussicht stehende, von ihm allen
anderen vorgezogene Gesellschaft eines Freundes
mochten mitbestimmend wirken. Seitdem war er
dort unten immer wieder heimisch: alles was noch
aufnahmefähig an ihm geblieben, erfüllte sich mit
diesem neuen Inhalt; seine Wände füllten sich mit
spanischen Bildern, unter denen ein Jacomart mit
Recht sein besonderer Stolz war, seine Gläser mit
spanischem Wein, denn er wußte, wie kaum ein
anderer, Erinnerungen an Landschaft, Menschen, gute
Stunden mitzuschlürfen und dies mit anderen zu teilen.
Seitdem nahm er das große Thema Spanien persön-
lich; es war die durch nichts zu erschütternde Soli-
dität seines Geschmacks, die ihn dabei festhielt, der
Erdgeruch des bäuerlich-aristokratischen und jedenfalls
ganz unbürgerlichen Lebens und bei dem in der Kunst-
geschichte noch jungfräulichen Thema, der von ihm
gern ausgekostete Reiz, sich als Adept zu fühlen.
Wenn er früher oft mit Selbstironie geklagt hatte:
I want a hero — jetzt hatte er ihn in Goya gefunden.
In diesem Thema Goya fühlte er sich heimisch! Den
phantastischen Legenden das klare Bild der Tatsachen
entgegenzuhalten, in überlegener Ruhe nach Rankes
Forderung zu sagen »wie es war«, und in dem »wie
es war« soviel von sich selbst zu finden, hat er, mit
dem langentbehrten Reiz, im Bann des Themas zu
sein, damals genossen. Es kamen seine besten Kräfte
ins Spiel: Skepsis in der Kritik der Quellen und
Werke und dieBodenwüchsigkeit, ohne die des Spaniers
Kunst nur als kosmopolitisches Feuerwerk erschiene.
Wir Jüngeren hatten in seiner Darstellung etwas von
moderner Wertung des künstlerischen Schaffens ver-
mißt; ich glaube heut — und nicht bloß als Nekro-
logschreiber — daß seine Darstellung Charakter hat,
weil sie sich zu nichts zwingen wollte, was ihm
nicht lag, und daß er damit seinem unergründlichen
Helden wirklich näher kam, als alle literarischen Dar-
stellungen, die dann gleich auf sein Buch hin erschienen.
Er sprach hier, was er sonst nicht tat, von sich selbst;
man spürt den Pulsschlag, wenn seine nicht eben
leichte Darstellung mit einem Mal in bekannter Gegend
den freudigen Rhythmus annimmt, wie bei dem Brief-
wechsel Goyas mit Zapater. Seine Freunde und mancher
andere wissen, daß er nicht alles auf sich bezogen
hat: »Niemals begegnet man einer boshaften oder
sarkastischen Bemerkung«, dies negative Lob wollte
er — auch wenn er oft das Stoßgebet zitierte »Gott
schenke mir Bescheidenheit« nicht für sich in An-
spruch nehmen, aber mit Sachverständnis buchte er
die Neckereien oder die köstliche Schilderung, wie
Goya den neuen Wagen einfährt und damit umschlägt,
jenes Anerbieten seines Vermögens an Zapater »mit
der Ehrlichkeit, wie ein Mann dem andern« oder
■— wie ihm damals aus dem Herzen geschrieben:
»Chico, ich weiß, daß wir uns in allem gleichen und
verstehn, und daß uns darin Gott unter vielen Menschen
ausgezeichnet hat«.
Aus den Spukbildern der »Quinta del Sordo«
wehte es ihn bekannt genug an; lange, ehe die »Pro-
verbios« in sein engeres Bewußtsein gedrungen waren,
pflegte ihn selbst ein Traum zu quälen: er fühlte und
sah sich mitten durch Weltraum und Erde stürzen —
und eigentlich ist es ganz aus seinem verschwiegensten
Sinn, wo Phantastik und Skepsis nebeneinander lebten,
daß eben jetzt, da sein Grab sich schloß, seine Aus-
gabe der Capriccios erscheint.
Gewiß war Goyas Name schon vor ihm ein fester
Begriff, aber sein Buch war für Deutschland eine
originelle Tat: er hat das Bild der Persönlichkeit auf
festen Boden gestellt und das Bild seines Schaffens
bereichert durch die »seltenen Radierungen und Litho-
graphien«, die er in einer kostbaren Publikation bei
Grote herausgab, und die Zeichnungen, über die er
in den Graphischen Künsten 1908 eindringend, kritisch
und teilnehmend zugleich schrieb. Seinen Forschungen