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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 15 (9. Januar 1920)
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Hübner, Friedrich Markus: Belgischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0343

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BELGISCHER BRIEF

VON FRIEDRICH MARKUS HUEBNER

305

Das feit dem Abzuge der Deutlcben aus Belgien verfirichene Jahr hat,
wieviele Einzelausfiellungen auch in Antwerpen und Brüfiel abgehalten
wurden, keine Entdedkungen gebracht: die belgifdhe Kunft ift hinfichtlich ihrer
Jünger und hinfichtlich ihrer Leiftungen dort ftehen geblieben, bis wohin fie
1914 gelangt war. Das berührt um fo merkwürdiger, als eine große
Menge belgifcher Maler und Bildhauer fich nach Holland, England, Frank^
reich geflüchtet hatten, und allda, außerhalb ihres engeren Vaterlandes, fremde
Anregungen in Mafle hätten in fich aufnehmen können,- aber keiner taucht
auf, der aus dem Auslande eine Sehweife oder eine Art der Wiedergabe
mitgebracht hätte, die gegen das Herkommen und den Geift der Heimat fich
auflehnt. Es ift höchftens Guftav de Smet, der in Holland mit dem ger-
manifchen Expreffionismus in Fühlung kommend, die Kraft fand, um die
übernommene Kompofitionskunft einer Tafel zu zerbrechen, und den Neu-
aufbau der Formen antinaturaliftifch zu verfuchen. Aber de Smet ift in
Holland verblieben,- vielleicht hütete er fich abfichtlich heimzukehren, um nicht
dem gleichmachenden Einflufle belgifchen Malens, Radierens, Bildhauens zu
erliegen. Wie beftimmt fidh diefe »belgifche« Note herausgebildet hat und
wie undurdhläffig diefes Können fich wider jede Ungewöhnlichkeit und jedes
eigentlich überbietende Genie fträubt, zeigt lehrreich das von dem Genter
Hodhfchullehrer Leo vanPuyvelde herausgegebenePradhtwerk: »De belgifche
Schilders in Holland« <Sijthoff, Leiden), worin alfo Namen aufmarfchieren
wie Albert Baertfon, Richard Bafeleer, Frans Courtens, Victor Gilfoul —
jene Reihe offiziell anerkannter und gutbezahlter Könner, die unermüdlich
fich in der Wiedergabe des Grün und Blau und Grau des niederländifchen
Wolkenhimmels, Wiefenbeftandes und Meeresfpiegels üben. Sie geben der
Natur nichts,- fie helfen ihr nidht zu neuen Verwandlungen ,• voll äfthetifch
hochgewerteter Treue begnügen fie fich mit dem, was fie fehen.

Gegen die offizielfen belgifchen Mufeumslöwen beginnt aber nach und
nach gleichwohl eine gewifle Gegenftrcmung zu entftehen. Diefe wird nicht
fo fehr von Malern, als von Kunftfchriftftellern und von privaten Kunfthänd^
lern geführt. Bahnbrechend wirkt vor allem der Salon Giroux, in deflen
Räumen demnächft Gefamtausftellungen von James Enfor, Oleffe, R.Wouters,
Jakob Smits und den Ausländern Le Fauconnier und Bourdelle gezeigt werden
follen. Die eben aufgeführten Namen bezeichnen keineswegs eine »neue
Richtung« t es find alles Meifter fchon über die Mittelhöhe des Lebens, im
Befitze ihres Ruhmes bei Kennern, gefdiätzt auch außerhalb Belgiens. Aber
gegeniiber der offiziellen belgifchen Kunft bedeuten fie faft Außenfeiter, in-
 
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