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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 15 (9. Januar 1920)
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Hübner, Friedrich Markus: Belgischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0345

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Belgifdier Brief

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leuten zwifchen entgegenltehenden Kulturen befähigt. Verfolgt und ange-
feindet von der nationaliftifdien Prefle, hat die »Art libre« im Frühjahr 1919
begonnen, von allem Neuen in Frankreich, England, Deutfchland zu berichten,
wobei die Zeitfchrift fich die Mitarbeit von Schriftftellern aus den jeweiligen
Ländern ficherte. Im heutigen Augenblidce gibt es vielleicht kein Organ,
welches überfichtlicher, zuverläffiger und wohlwollender auf jedes neue Künftler®
beginnen in allen europäifchen Ländern hinweift und das für deutfche Lefer,
dieweil es in Brüflel herauskommt, leiditer erreichbar ift. Politifch fteht die
Zeitfchrift auf dem linken Flügel ,• Colin, der einer der Generalfekretäre der
CIarte=Bewegung ift und die Meinung vertritt, daß es zu keinerlei geiftig-
internationaler Annäherung kommen kann, bevor nicht Frankreich und Deutfch-
land fich brüderlich die Hände zuftrecken, hat im Dezember eine Vortrags-
reife durch Deutfchland unternommen, um für feine Ideen auch perfönlich
einzutreten. Zwei andere junge, in Antwerpen erfcheinende Künftlerzeit-
fchriften mit noch radikalerer Färbung find »Lumiere« und »Haro«.

Daß es in Belgien nicht bei dem altgemächlichen Kunftbetriebe bleiben wird,
fondern daß man fich hier wie überall endlich nach einer Erneuerung auch der
ftaatlichen Kunftpflege fehnt, fpiegelt ein Artikel der fozialiftifchen Parteizeitüng
»Le Peuple« wider. In diefem »l'Art et le gouvernement« betitelten Auf-
fatze <10. Dez. 19> wird das amtliche Ausftellungswefen angegriffen, weil es
der Befriedigung gefellfchaftlicher Eitelkeiten und nicht der Erziehung des
Volkes diene. Die ftaatlichen Stipendien und Ermunterungspreife würden
immer an die gleiche Gruppe von verbündeten Strebern verteilt, weshalb
nicht nur der Kunftunterricht und das Stipendienwefen reformbedürftig feien,
fondern auch die zu enge Zentralifation der belgifchen Mufeumsverwaltung
und das Syftem der Einkäufe. »Llm in die Kunft einen neuen Geift unter
der Obhut des Staates eindringen zu lafl'en, heißt es hier, muß man ent-
fchfoflen mit allen Vorurteilen und Ungerechtigkeiten reinen Tifdi machen.
Man muß endlich zum Volke gehen, die beeinfluflende Kraft diefes großen
Unbekannten wedcen, feine Wünfche ins Tatfächliche überführen.«

Inzwifchen ftellte die Stadt Antwerpen 100000 Fr. zur Verfügung für
die Abhaltung einer Schau Antwerpener Kunft und fchrieb fie einen Wett-
ftreit für Plaftik aus, die bei den im nächften Jahre ftattfindenden olympifchen
Spielen zur Aufßellung kommen foll. In dem Antwerpener Kunftverein :
»Kunft van Heeden« der wefentlich dank _deutfcher Geldbeihilfe aufgerichtet
worden war, haben riidcblidcende Ausftellungen des malerifdien Werks von
Stobbaerts und Mertens ftattgefunden.
 
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