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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,1.1910

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1910)
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Rath, Wilhelm: Vom Romanerfolg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9031#0020
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Durchschntttsroman, von dem Zwischenhandel, der Waschzettel--„Kritik"
und der Durchschnittsleserschaft, sondern auch von der literarischen
Kritik beantwortet. Die Ersolgfrage kann hier zu einer literarischen
Frage werden. Nur selten freilich zu einer rein literarischen; denn
nicht jeder Roman von hoher künstlerischer Bedeutung ist genügend
leichtverständlich und kurzweilig, um sich die Gunst der breitesten
Lesermassen zu erwerben.

Die Suggestion und der Eitelkeitzwang, die aus einer Begeisterung
der angesehenen Kritik dem Publikum erwachsen, pflegen unmittel--
bar nur dessen oberste Intelligenzschichten zu erfassen; wieweit die
Wirkung sich dann in die übrigen Schichten ausdehne, das hängt
zum Teil zwar von der Tonstärke der kritischen Begeisterung ab, zum
andern Teil aber immer noch vom Reize des Stoffes, von der Unter-
haltlichkeit der Ausführung, namentlich auch von der Stimmung
der Zeit. Man darf daher bei einem sehr großen ersten Ersolg
eines Romanschriftstellers, bei einem künstlerisch und materiell durch-
schlagenden Erfolg, meistens annehmen, daß eine besonders glück-
liche Vereinigung von literarischen und massenfreundlichen Eigen-
schaften vorliege.

Für die ernsthafte Kritik ergibt sich eine bedauerliche Erfahrung
aus der Tatsache, daß ihr Lob allzuoft ohne fruchtbringende Nach-
wirkung bleibt und im Grunde nur dann vollkommen auf die All-
gemeinheit übergeht, wenn außerkünstlerische Nmstände sich mit
den künstlerischen Werten zusammensinden. Eine große Selten-
heit ist leider das glückliche Zusammenklingen rein künstlerischer
und volkstümlich tüchtiger Töne in ein und demselben bedeuten-
den Werk.

Eine höchst natürliche und darum nicht im mindesten zu bedauernde
Sache ist es, wenn ein literarisch beachtenswerter Roman einzig wegen
wirklicher Lebensfremdheit, wegen abseitig-einseitiger Asthetelei nur
die Leute vom Fach und höchstens noch eine ganz dünne, wenig ge-
sunde Gesellschaftsschicht zu fesseln vermag. Nnnatürlich aber und
beklagenswert bleibt es, daß die ewige Sucht der Kultur-Nnreifen,
auch das Gute maßlos zu übertreiben und rettungslos zu veräußer-
lichen, sich der seltenen begründeten Erfolge bemächtigt, sie zur blöden
Modesache erniedrigt: zum Schaden aller ideell Beteiligten, auch des
überfeierten Dichters, zum lediglich materiellen Nutzen dieses Erfolg-
reichen und vornehmlich — seines Verlegers.

Im Publikum wird durch die Mode der Moderomane der Hang
zur Bildungsheuchelei, zum Snobismus nur verstärkt. Die gerechte
Verteilung des literarischen Interesses wird gehemmt. Der Kritiker,
der echtbürtige, der ja wohl von Haus aus nie ein Verreißer ist,
der Vielmehr den angeborenen Enthusiasmus für die Dichtung ach!
so gern öfters auf ein einzelnes Dichtwerk sammeln möchte, er wird
wider Willen zurückhaltender. Nur wenige seinesgleichen werden
mit dem sondernd scharfen Blick soviel ausdauernde Gutmütigkeit
vereinen, daß sie ihrer Begeisterung treubleiben, auf die Gefahr hin,
sich zuweilen im Maß des Lobes, nur des Lobes, zu übernehmen.
Nnd der Dichter gerät in gefährliche Gesellschaft. Nur wenn er von
den Allerstärksten ist, kann er die angenehmen Folgen des Riesen-

s. Oktoberheft WO 5
 
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