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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,1.1910

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Heft 3 (1. Novemberheft 1910)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9031#0260
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Allgemeineres

De voß, de sick mitterwile dal eduked harre, kam nu weer nöger un
nöger. Do räip Gerdmann täon twäiten male:

„Alheid!

Sühst du nich, wat dar in der fore geit?"

Awerst Alheid keek sick nich ümme un antwore nix ans:

„Tatterattatt, tatterattatt!

Ette wat, ette wat!"

Dat schölle säo viäl HLiten ans: kör hen, kör her! ek säie nix!

Mit dessen was de voß ganz dichte herbi ekuomen; un Gerdmann räip
täon drüdden male:

„Alheid!

Sühst du nich, wat dar in der fore geit?" An de goos antwore weer:

„Tatterattatt, tatterattatt!

Ette wat, ette wat!"

In densülbigen ogenblicke sprung de voß täo un packe mine läiben
goos bi'n hals. Do fong se an täo schräin un räip: „Gerdmann, Gerd-
mann, help mi doch! Sühste nich, wo häi mi ritt, wo häi mi tüht?!"

„Recht di dat, recht di da—-at!" räip Gerdmann, breede sine flitke ut
un streek aber dat feeld hen na sinen dörpe hentäo.

Dat, min junge, is de geschichte van den kläoken ganten Gerdmann un
der dummen goos Alheid.

Rundschau

Ein niederdeutsches Mu-
seum!

en Reichtum an Ausdruck, den
niederdeutsche Wesensart sich
geschaffen, im ganzen Umfange
zusammenzustellen, ist bisher noch
nicht versucht worden. And doch
könnte ein solches Unternehmen
nicht nur einem historisch-senti-
mentalen Bedürfnis Befriedigung
gewähren, sondern auch eine
lebendige Kulturarbeit leisten und
der Entwicklung unsrer Zeit eine
nicht unerwünschte Hilfe bedeuten.
Eine solche Sammlung, die ein
umfassendes Bild von der Ge-
schichte niederdeutschen Ausdrucks-
lebens böte, würde sich bald als
mehr erweisen denn als bloßes
Material für das rückwärtsschau-
ende Studium, es würde eine
Quelle der Anregungen werden
für den Gestaltungswillen unsrer
Tage. Die eigenartige Wurzel-
strebigkeit unsrer Zeit, die überall

an die abgerissene Tradition der
Vergangenheit wieder anzuknüpfen
sucht, die eine neue Formensprache
auf der Grundlage eines urtümlich
nationalen Geistes zu schaffen sich
müht, die den Begriff der „Heimat-
kunst" geschaffen hat, ist nicht die
konservative Sentimentalität einer
unproduktiven Zeit, sondern im
Gegenteil der gesunde Drang eines
Entwicklungswillens, der nur tief
wurzeln, der nur bodenständig sein
will, um in dieser organischen
Gebundenheit um so freier, reicher
und charakteristischer sich entfalten
zu können. Den Wurzeln solchen
Willens Nahrung zuzuführen, ist
wohl eine Kulturarbeit. And in
der Möglichkeit, diese zu leisten,
dünkt mich, liegt auch erst die
tiefere Legitimation für die Idee
dieses Museums begründet.

Wie stark und nachdrücklich nie-
derdeutsches Wesensgefühl noch
heute, oder richtiger, heute wieder

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Kunstwart XXIV, 3
 
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