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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,1.1910

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1910)
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Avenarius, Ferdinand: Der Alkohol und wir
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Avenarius, Ferdinand: Karl Haider
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https://doi.org/10.11588/diglit.9031#0405
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Buch zum Erregen für einen notwendigen Kampf. Wir Deutschen
sind kein so junges Volk mehr, daß wir aus unsre Gesundheit weiter
wüsten könnten, und die Gegenwart stellt schon ob des gesteigerten
internationalen Wettbewerbs die Forderung, unsre und unsrer Kinder
Kraft zum Höchstmaß der Leistungsfähigkeit zu steigern. Wer echte
Kultur ohne Volkskraft verlangt, der verlangt, nach dem sehr banal
klingenden aber sehr treffenden Vergleich eines bekannten Politikers,
Leuchtgas in den Straßen ohne Gasanstalt. Die Kultur, der wir
im besondern unsre Arbeit gewidmet haben, ist der Ausdruck, die Ver--
mittlung, die Anregung und die Pflege der höchsten Werte, es ist die
Kultur der „inneren Assoziationen". Aber nicht nur, weil er diese
lähmt, ist der Alkohol auch unser und gerade unser besonderer Feind.
Wo immer wir ihm begegnen, er ist es überall und ist es stets, als
Verblöder wie als Entsittlicher, als Krankmacher und Töter wie als
Wegfresser der Mittel zum Aufstieg. Er ist, um altvorderlich zu
sprechen, nicht der einzige „Teufel« im Land, aber einer der schlimm--
sten und zudem der treue Verbündete und wackere Förderer all seiner
verehrlichen Kollegen. A

Karl Haider

anz langsam, wie der Eichbaum wächst (er, dessen Holz s i ch
S H^Hält) ist die Liebe zur Haiderschen Kunst in unserm Volke her«
^^aufgewachsen. Zu den „Neusten", die selber oder deren Ausrufer
sich „erdreusten", hat er nie gehört, auch nie zu denen, die durch ihr
unbewußtes Wesen Mode oder auch wirklich Epoche machen, auch nie
zu den Kämpfern im Vordergrund, immer zu den Stillen abseits.
Seit langer Zeit geehrt hat ihn eine kleine Zahl von Künstlern
(sreilich, es waren große darunter) und von Kunstfreunden mit Sonn-
tags-Kinderaugen. Den andern wäre der Sinn für ihn vielleicht
immer noch nicht erschlossen worden, wenn nicht Böcklin, Feuerbach,
Leibl und Thoma allmählich berühmt geworden wären, Meister, die,
wie verschieden untereinander, doch der einen oder der andern Seite
auch der Haiderschen Kunst wenigstens das Befremdliche nahmen und
so Haiders Verständnis förderten. Sein „Verständnis" förderten. . .
wer Haider den Maler und den Menschen in sich nacherlebt, wie
sonderbar klingt dem dieses Wort! Er begreift nicht, was viel zu
„verstehen" sei bei einem, der zu ihm so unmittelbar spricht, wie ein
blühender Mai- oder ein leuchtender Oktobertag im Gebirg, den man
doch auch nicht erst zu „verstehen" braucht, um ihn zu genießen.

Am mitzuteilen, was sein fühlend Auge schaut, malt der Maler. Zum
mindesten: der Maler von Haiders Art. Es ist heiße Arbeit des Er-
werbens in seiner Kunst, wir sprechen später noch kurz davon. Ist
aber der Leser noch nicht im Innersten bei ihm, so bitten wir ihn,
all das zunächst beiseitezulassen. Beiseit alles Vergleichen und Zer-
legen und Verstehenwollen, alles Denken an alte und neue Kunst-
geschichte, alles Denken an alte und neue Kunst überhaupt. Als
gälte es, reine Naturzu genießen. Nur, wer aus unsrer Zivilisation
hinaus und ganz unbefangen vor Haiders Bilder treten kann, mit
keinem andern Gedanken als dem: sprecht zu mir, ich warte — nur
dem werden sie ihr Letztes sagen.

(. Dezemberheft (9>0 3V
 
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