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für die Favart gearbeitet. Er hat die komische Oper, An-
nette und Lubin, gemacht; und nicht Sie, die Aktrice,
von der er sagt/ daß sie kaum lesen könne. Sein Beweis
ist ein Gassenhauer / der in Paris darüber herumgegangen;
und es ist allerdings wahr, daß dre Gassenhauer in der
französischen Geschichte überhaupt unter die glaubwürdig-
sten Dokumente gehören.
Warum ein Geistlicher ein sehr verliebtes Singspiel
unter fremden Namen in die Welt schicke, ließe sich end-
lich noch begreifen. Aber warum er sich zu einer Cenie
nicht bekennen wolle, der ich nicht viele Predigten vorzie-
hen möchte / ist schwerlich abzusehen. Dieser Abt hat ja
sonst mehr als ein Stück aufführm und drucken lassen ,
von welchen ihn jedermann als dm Verfasser kennet, und
die der Cenie bey weiten nicht gleich kommen. Wenn er
einer Frau von vier und fünfzig Jahren eine Galanterie
machen wollte, ist es wahrscheinlich, daß er eS gerade mit
seinem besten Werke würde gethan haben ? -—
Den zwey und vierzigsten Abend (Montags den iztm
Julius) ward die Frauenschule von Moliere aufgeführt.
Moliere hatte bereits seine Männerschule gemacht, als
er im Jahre 1662 diese Frauenschule darauf folgen ließ.
Wer beyde Stücke nicht kennet, würde sich sehr irren,
wenn er glaubte, daß hier den Frauen, wie dort den Män-
nern, ihre Schuldigkeit geprediget würde. Essindbeydes
witzige Possenspiele, in welchen ein Paar junge Mädchen,
wovon das eine in aller Strenge erzogen und das andere
in aller Einfalt aufgewachsen, ein Paar alte Lassen hinter-
gehen, und die beyde die Männerschule heissen müßten,
wenn Moliere weiter nichts darinn hätte lehren wollen, als
daß das dümmste Mädchen noch immer Verstand genug ha-
be zu betrügen, und daß Zwang und Aufsicht weit weni-
ger fruchte und nutze, als Nachsicht und Freyheit. Wirk-
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