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be; den Heuchler mit gesellschaftlichen Lugenden, da der
Rcligronsheuchler ziemlich aus der Mode sey. -Das
sind wahrlich nicht gemeine Aussichten, die sich einem Au-
ge, das gut itt die Ferne rrägt, bis ins Unendliche erwei-
tern. Da ist noch Erndte genug für die wenigen Schnit-
ter, die sich daran wagen dürfen l
Und wenn auch, sagt Palissot, der komischen Karaktcre
wirklich so wenige, und diese wenigen wirklich alle schon
bearbeitet waren : würden die Stände denn dieser Verle-
genheit abhelfen? Man wähle einmal einen; z. E. den
Grand des Richters. Werde ich ihm denn, dem Richter,
nicht einen Karakter geben müssen? Wird er nicht trau-
rig oder lustig, ernsthaft oder leichtsinnig, leutselig oder
stürmisch seyn müssen? Wird es nicht bloS dieser Karakter
seyn, der ihn aus der Klasse metaphysischer Abstrakte her-
ausbebt, und eine wirtliche Person aus ihm macht? Wird
nicht folglich die Grundlage der Jnrrigue und die Moral
des Stücks wiederum auf dem Karakrer beruhen? Wird
nicht folglich wiederum der Stand nur das Zufällige seyn ?
Zwar könnte Diderot hieraufantworten: Freylich muß
die Person, welche ich mit dem Stande bekleide, auch ih-
ren individuellen moralischen Karakrer haben; aber ich
will, daß es ein solcher seyn soll, der mit den Wichten
und Verhältnissen des Standes nicht streitet, sondern aufs
beste harmoniret. Also, wenn diese Person ein Richter
ist, so steht es mir nicht frcy , ob ich ihn ernsthaft oder
leichtsinnig, leutselig oder stürmisch machen will: er muß
nothwendig ernsthaft und leutselig seyn , und fedesmal es
iir dem Grade seyn, den das vorhabende Geschäfte erfodert.
Dieses, sage ich, könnte Diderot antworten: aber
zugleich hätte er sich einer andern Klippe genähert; Heim-
lich der Klippe der vollkommenen Karakterc. Die Perso-
nen seiner Stände würden nre etwas anders thun,als was
 
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