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sie nach Pflicht und Gewissen thun müßten; sie würden
handeln, völlig wie cs im Buche steht. Erwarten wir
das in der Komödie ? Können dergleichen Vorstellungen
anziehend genug werden ? Wird der Nutzen, den wir da-
von hoffen dürfen, groß genug fern, daß es sich der Mühe
verlohnt, eine neue Gattung dafür fest zu setzen, und für
diese eine eigene Dichtkunst zu schreiben?
Die Klippe der vollkommenen Karaktere scheinet mir Di-
derot überhaupt nicht genug erkundiget zu haben. In seinen
Stücken steuert er ziemlich gerade darauf los : und in sei-
nen kritischen Seekarten findet sich durchaus keine Warnung
davor. Vielmehr finden sich Dinge darum, dre den Lauf
nach ihr hin zu lenken rarhen. Man erinnere sich nur,
was er, bey Gelegenheit des Kontrast» unter denKarakte-
ren, von den Brüdern des Terenz sagt?) " Die zwey kon-
trastirten Väter darinn sind mit so gleicher Stärke gezeich-
net, daß man dem feinsten Kunstrichter Trotz bieten kann,
die Hauptperson zu nennen ; ob eö Mieio oder ob es De-
mea seyn soll ? Fallt er sein Urtheil vor dem letzten Auf-
tritte , so dürfte er leicht mir Erstaunen wahrnehmen ,
daß der, den er ganzer fünf Aufzüge hindurch, für einen
verständigen Mann gehalten hat, nichts als ein Narr ist ,
und daß der, den er für einen Narren gehalten hat, wohl
gar der verständige Mann seyn könnte. Man sollte zu An-
fänge des fünften Aufzuges dieses Drama fast sagen , der
Verfasser sey durch den beschwerlichen Kontrast gezwungen
worden, seinen Zweck fahren zu lassen, und das ganze
Interesse des Stücks umzukehrem Was ist aber daraus
geworden? Dieses, -aß man gar nicht mehr weis, für
wen man sich intereßiren soll. Wvm Anfänge her ist man
für den Micio gegen den Demea gewesen, und am Ende
ist man für keinen von beyden. Beynahe sollte man einen
In der Dichtkunst hinter dem Hausvater, S. z>8. der usders.
sie nach Pflicht und Gewissen thun müßten; sie würden
handeln, völlig wie cs im Buche steht. Erwarten wir
das in der Komödie ? Können dergleichen Vorstellungen
anziehend genug werden ? Wird der Nutzen, den wir da-
von hoffen dürfen, groß genug fern, daß es sich der Mühe
verlohnt, eine neue Gattung dafür fest zu setzen, und für
diese eine eigene Dichtkunst zu schreiben?
Die Klippe der vollkommenen Karaktere scheinet mir Di-
derot überhaupt nicht genug erkundiget zu haben. In seinen
Stücken steuert er ziemlich gerade darauf los : und in sei-
nen kritischen Seekarten findet sich durchaus keine Warnung
davor. Vielmehr finden sich Dinge darum, dre den Lauf
nach ihr hin zu lenken rarhen. Man erinnere sich nur,
was er, bey Gelegenheit des Kontrast» unter denKarakte-
ren, von den Brüdern des Terenz sagt?) " Die zwey kon-
trastirten Väter darinn sind mit so gleicher Stärke gezeich-
net, daß man dem feinsten Kunstrichter Trotz bieten kann,
die Hauptperson zu nennen ; ob eö Mieio oder ob es De-
mea seyn soll ? Fallt er sein Urtheil vor dem letzten Auf-
tritte , so dürfte er leicht mir Erstaunen wahrnehmen ,
daß der, den er ganzer fünf Aufzüge hindurch, für einen
verständigen Mann gehalten hat, nichts als ein Narr ist ,
und daß der, den er für einen Narren gehalten hat, wohl
gar der verständige Mann seyn könnte. Man sollte zu An-
fänge des fünften Aufzuges dieses Drama fast sagen , der
Verfasser sey durch den beschwerlichen Kontrast gezwungen
worden, seinen Zweck fahren zu lassen, und das ganze
Interesse des Stücks umzukehrem Was ist aber daraus
geworden? Dieses, -aß man gar nicht mehr weis, für
wen man sich intereßiren soll. Wvm Anfänge her ist man
für den Micio gegen den Demea gewesen, und am Ende
ist man für keinen von beyden. Beynahe sollte man einen
In der Dichtkunst hinter dem Hausvater, S. z>8. der usders.