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Nur wenigen der tapstren KronPrinzeMvisionen war
es vergönnt, an der siegreichen Schlacht der Armee v. Hmier
teilznnehmen. Aber nicht nur alle, die von Verdun bis an
die Oise sehnsüchtig den Kampf der Brüder am rechten Flügel

Jm Ehrenfriedhof unter Föhren und Eichen eiu Grab.
Peri elkte Kränze, bunte Schleifen!

Bergänglichkeit! Des Lebens letzter Gruß!

Doch nein. Ta schimniert's weiß, ein Brief!
Berwaschne Zeichen:

„Auf's Grab zu legen meinem Jungen."

„Einziger Du! Bift nun bei Gott!

Jch bleib' allein mit meinem Leid.

Glaub nicht, daß ich Dich ie vergesfen könnt'

Immer sorg rch um Tich wie sonst
ur > n Dir nah, als ob Du um mich wärst.

Ldeun Teine Ceele dieses Grab umschwebt
W' -'st Du ihn finden. Deiner Mutter Brief.

Heißt Du es noch, wie nachts ich um Dein
Bettchen schlich und Deinen Schlaf bewachte?

Jch tu's auch ietzt Weißt Du auch noch
wie ich gebangt, wenn tollend Du im

Auf em-em Glube im Ehrensriedhof livgt ein Brief, ven
Me Mutter an ihren toten Sohn schrieb.

verfolgt haben, nein, das ganze deutsche Heer verernigt fich
am 6. Mai in dem auf die Person des geliebten künftigen
Trägers der deutschen Kaiserkrone gehäuften Wunsch:

Sieg deu deutschen Waffen!

Jugeudspiel mit Funkelaugen keuchend
vor mich trcttst? Wenn ich den Schweiß
Dir von der Stirn. die wilden Locken aus
der Schläfe strich, als Du Soldat gespielt, Dein
Lieblingsspiel? — Dein Lieblingsspiel!

Dein letztes auch. Es ward zum Ernst ....

Doch nein, ich will nicht klagen, ich weiß es ja.

Du fchlummerst nur im fremdeu Land und bald
werd' ich Tich wiederfeh'n. Schlaf wohl. mein Junge!"
Welch eigen Ding ist doch ein Mutterherz.

Es keuni nicht Nacht, nicht Tod. Sein frommer
Kindergtaube Pflanzt auf Grabeshügeln noch
die Hofsnung auf. Hoch zu den Sternen rankt
es seiner Sehnsucht Träume.

Der Mutter Liebe leiht Uustcrblichkeit dem Sohn ....
Und Tu, beneidenswerter Held, ruh' aus.

Bist wohl bewahrt. Die Föhrenwipfel wiegen fanft Dich em,
und immer neu harft Dir der Sturm sein Lied!

Ruh' aus, bis man Dich ruft dereinst
zum großen Wecken. Volley.

Der Vrief der Mukker?

Pflicht

Skizze von Günkh«

Jch hatte Urlaub. Jch hatte Besuch; Besuch hatte ich ja
täglich, aber diesmal war es ein ganz besonders lieber. Meiüe
Tantv, mein Onkel und ihr zukünftiges Schwivgertöchterchen
Aennchen. Ich hatte so manches zu berichteu gewußt, und
während des Crzöhlens war es fast dunkel geworden, fo daß
st^t eine trauliche Dämmerung über dem Zimmer lag. Jch
hatte im Erzählen innegehalten und träumend spannen sich
die Gedanken sort. Ja, in dem Augenblick fühlte ich mich so
rechl von Herzen glücklich, duß ich nur wünschte, es möchte
rmmer so bleiben. Da rch gerade vor meinem Flügel saß,
grifi ich aber wie in gewisser Abwehr in die Tasten und seh-
nend klagte es durch die Dämmerung: „Bchüt' Dich Gott, es
wär so schön gewefen, behüt Tich Gott, es hat nicht sollen
fem." Aber da —? Ein unerwarteter Vorfall ließ mich im
Cpiel inuehalten. Leise weinend lehnte Aennchen an wciner
Tante. Tiese schlang tief ergriffen ihren Arm um den Nacken
des Viädchens und führte sie hinaus. Fragend blickte ich mei-
nen Onkel an. Zu sagen wagte ich nichts, denn obwohl er
ein alter, fester Soldat ist, schien er doch tief gerührt. Toch
er bemerkte meine stumme Frage und erwiderte sie, indem er
mir winkte, auf dem Tivan Platz zu nehmen, auf dem die
Damen eben gefessen hatten. „Es geschieht in unserer Zeit
so viel Gewaltiges, Unerhörtes und Ueberwältigendes, begann
er, daß ein kleincs Eeschehnis, wie das, was ich dir erzählen
will, woh! vollständig verschwindci unter den tausend Beispie-
len von selbstverachtender Tapferkeit und von todüberwinden-
dem Heldenmut. Marum aber soll ich dir, als einem der
uächsten Angehörigen, das kleine Ereignis vorenthalten, birgt
es doch für unseren kleinen Kreis auch in seiner Unscheinbar-
keit einen tiefen Schmerz. Du weißt, daß unser Bernhard
trotz seiner 19 Jahre vor einigen Tagen zum Leutnant besör-
dert worde.i ist. Von seiner Batterie hatte er während der
hestigsten Kämpse in Flandern sechsundzwanzig Mann verlo-
ven. Wie sehr Eltern in solchen Tagen um ihr Kind bangen,
Wirst du verstehen, da du auch als Einziger in Feindesland
pehst. -- Denke dir aber unsere Freude, als am Sonntag
abeud ein Telegramm aus Köln eintrifst mit dem Wortlaut:
„Nach Rußland ausgetauscht. Hannöderscher Bahnhof Aufent-
halt. Telephongespräch folgt. Bernharo."

S

Kern 3/XI J.-E.-T. B.

Ten Zusammenhang des folgenden habe ich n-atürlich'
erst aus spätereu Briefen ersehen können. Ter Zug kommt
hier an und Bernhard schickte sofort seinen Burschen zum Tele-
phonieren, da er selbst den Transport nicht verlassen durste.
Ter kommt zurück mit dem Bescheid, der Besehl sei ausge-

fuhrt — Bei mir ist aber kein Gespräch angekommen.-

Tu kennst unser kleines Häuschen an der Elbe. Von der
Elbbrücke auZ mußte er es auf der Herfahrt sehen, und so
erleuchtete ich sämtliche Fenster der Wasserseite.

Auf dem Bahnhose wartete Bernhard nun eine halbe,
eine ganze Stunde. Niemand kam. Er wußte, daß Aennchen
bei uns war nnd konnte sich unser Ausbleiben um so weniger
erklären Von einer inneren Unruhe getricben, geht er zum
Hauptmann,. mit dem er recht gut befreundet ist und bittet,
noch einen Mann schicken zu dürfen. Ter Hauptmann schlägt
es ab, deun jedcn Augenblick kann der Transport weitergehen.
Toch er blcibt noch eine halbe, noch eine ganze Stunde liegen.
-- — Eiu Iahr in den schwersten Kämpfen und dann den
Eltern, der Geliebten so nahe — wie sehnsüchtig mag der arme
Iunge gewartct haben.

Nach zwei Stunden suhr der Zug ab, und er hatte nie-
manüen von uns gesehen. Mit schwcrem Herzen wartete er
auf den Augenblick, wo die Fenster seines Vaterhauses noch
einm.al zu ihm herausblicken sollte, um auf lange Zeit, viel-
leicht auf ewig wieder zu vcrschwinden. Näher und näher
rollteu sie der Elbe und sahen schon die dunklen Schatten
der gewaltigen Brückenbogen, die Mntter Erde wie eherne
Arme von Ufer zu Ufer schlingt, um die Menschenkindlein irr
ihreu winzigen Wägelchen sichcr vor dem rauschenden Strom
durch die Lust zu heben. Dumpf rollt der Zug auf die Brücke.
Bernhard sieht das hell erleuchtete Haus. Ta harren die, die
ihn lieben, ouf den Wink, der sie zu ihm rufen soll. Kaum
zweihundert Meter entfernt. Plötzlich hält der Zug mitten
auf der Brücke. Er stürzt zum Haupttnann, bittel, fleht. Es
sind nur zwei Minuten. Er hätte es in einer, in einer halben
geschafft Es gi^t nicht! Die Pflicht will befolgt sein, und
sollten Menschenherzen unter ihr zermalmen. — Träge schlägt
der Strom gegen die granitenen Pfeiler, helles Mondlicht
flutrt silbern durch das Eisenweri und zeichnet schwarze,
 
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