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Zer auZ dcr Stallung kommt. Tausend Kameraden, die du
uie sahst und uie wieder sehen wirst, und die dir doch blut-
oerwaudt sind. Das Gepäck drückt, der Stahlhelm preßt den
Kops, der Spaten hinderl den Arm, das Eewehr, um den
HaLS geiraaen, cngt die Brilst. Tie Lieder sind längst wie
matte Tchwalben am Wege liegen gebliebeu. Aöer es geht
vorwärts. Vielleicht wird Lort in dem Ltädichen mit dem
scyönen roten Tnrm Halt gemacht, vielleicht wird erst das
nächsre oder überuächste zur «Blcibe. Wer weiß das?

llnd wieder atncet über die Fläche hin graue Einsamkeit.
Da, inr Aorden, aus dem Wäldchen, schiebt sich einc Masse
vor, cntsaitet sich, sprüht auseinander, Welle um Welle
menschlicher Leibcr spült heran, bewegter mit jcdem Cchritt,
der sie näher trägt', dann ein Wink, ein Hornruf, cin Hurrc
— schon brausen sie um dich her, lachende rote Gesichter. Tie
Sonne spielt in Stahlhelm und Bajonett, die Reihen sam-
nieln sich wieder; bald hat sie dic Ebene wieder aufgeschluckt:
Jnsantcrie.

Tas ist ihr Tagcwerk: Ansharren in dcr Stcllnng, oder,
wenn sie abgelost siud, Borbereitcn jenes Tages, da die Fron-
ten schmesten und der Sturmwind losbricht — schweig stille,
mein Herz! Tas ist ihr Sinn: mitreißende Macht, lcben-
digste Wucht verketteter Menschenleiber sein — nnd sind doch
Millionen cigcner Herzen darin, wie du eins hast und ich.

Da csr einer, eiu Sohn des bergischen Landes. Mit
dem Warvm des Krieges wird er nie fertig werden. Sein
Herz blutet Stunde um Stunde. Aber er solgt dem Heer-
bann.

Da ist eiuer, der sein Leben lang nichts anderes gesehen
hatte, als die Asphaltstraßen der Großstadt und die grauen
Berließe ihrer Hinterhöse. llnd mm atmet er den Hauch
der Wiesen und Wälder, hört den Häher schreien und sieht
die Sonns ausgehen.

Ta ist einer, dcr nur Mntter Grün zur Hcrberge ge-
habt hatte, der nach kcinem Gesetz fragte, von der Hand in
den Mund lebte — und nun hat das grotze Gesetz den Ent--
erbten doch gepackt, und er bindct den Stahlhelm fester und
schrcitet zn.

Einer ist da, der sich hinter Büchern und Bilderu ver-
grub — lebenslang — die stauben nnn zu Hause, und er
spaltet Holz, wäscht Rock und Mütze und solgt im grotzeu
Hanfem

Eincr lobie den Gott seiner Bäter alle Tage, aber der
Krieg kam, der alle Gewohnheiten dcs Leibes nnd des Her-
zens aufriß — nnd nnn ist er ein Haderer geworden und Hohn
seine Andacht.

Einer hatte mit dem Schweiß seincr Arbeit ein Häus-
chen gcbnut mit eincm kleinen Garten und einem Rosen-
strauch — und aks die Noseu zum crsten Male geblüht hat-
ten, kam der Krieg.

Ein anderer verriet sein Weib, brachte sich um seine
Kinder und schreitet als Cühnender zwischen Gerechten und
llngerechten; einem auderen zerfällt sein Haus, ein dritter
sand seine Liebste nicht, ein vierter ocrlor den Glauben an
die Heimat . . . und so haben alle ihr Leid und ihre Lust,
aber sie sind die vielen Namenlosen: JnfanLerie.

Lrommelfeuer.

Die frühlingsgrüne-Erd-e überflammt
Ler Sonne letzter, milder Abendkuß.

Bon großen, dunklen Wolken dann verhüllt,
Lie purpurn er umrandet, sinkt im West
Ter ungeheuer große Sonuenball.

Soldaten rings, soweit das Auge reicht,

Im Graben, wie im tiefen Umerstand.

Fm Zickzack, endlos, zieht dcr Drahtverhau
Sein rostbraun häßlich Band durch die Natur.
Zerstörte Dörfer, Weiler weit und breit,
Zerbrochen Radwerk, dort ein totes Pferd,
Zerschossne Wälder, wipfellos und kahl,

Das Landvolk ftüchtig, ungepflügt das Feld,
Zerstampft die Erde unb granatzerwühlt —
Ans manchem Trichtcr grüßt ein sttlles Kreuz.
Der vielen Helden allzufrühes Grab,

Bedeckt vom immcrgrünen Kranz des Ruhms,
Umwandclt zogernd die Unsterblichkeit.

Kein Abendläuten und kem Stundenschlag,
Kein Hornruf und kein froher Liederktang
ErkLingen in des Kriegsgotts -Würfelspicl,

Jm riesengroßen Ringen tobt dcr Kamps
Um Freiheit, Zukunft, nm die Weltherrschaft.
Bedrückend, feltsam, wirkt der schwere Bann,
Ter lanernd auf der ganzen Gegend liegt.
Gleich müden Kühen brüllt von Zeit zu Zcit
Fn weiter Ferne dumpf Kauonensang,
Rakcten treiben ihr Kometenspiel
Und hellen auf die fchicksalsschwere Nacht.

Ter ew'gen Sterne wunderbares Licht
Grüßt feierlich vom hohen Himmelsdom,

Es setzt wie eine Mutter sich die Nacht
An vieler müder Krteger Lagerstcrtt
Und senkt in manchen, ach, fo kurzen Traum
Dcr fernen Heimat wonnig trautes Bild.

Ta — hell aufblitzt cs vorn und links nnd rechts,

Granaten zicheu zischend ihre Bahn

Und haushoch fliegen brde, Ranch empor,

Tcr Würger t as geht beutesucheud um.

Ter Unsern Änttvort bleibt mcht lange aus.

Bou vorn nach hinten tief gesiasselt fteh'n
Geschütze aller Ärt und jonder Zahl,

Sie speien Feuer ohne Unlerlaß.

Uub immer lauter dröhnt dcs Donners Sang
Und schwillt zum Nieseutrommelfeuer air.

Mrt jeder Stunde wachst das Ungeheuer,

Das Erd' und Hunniel zu vernichten droht.

Ein finstrer Trcmmter lockt durch Nacht und Rauch,
Dem mancher Slreiter heute folgen muß,

Es klingt so dumps des Wirbels harter Schlag,

Ein höhnisch Lachen irrt durch scin Gesicht,

Er liebt sürwahr die muntre Eile nicht.

Bom Mondlicht sahl beschienen geht der Tod
Die erntenreise lange Front entlang.

Das ist Musik, die fast erslarren macht,
Wahnsinnig brüllt dle gcmze Hölle auf.

Das sind nicht staubgeborne Menschen mehr,

Dic mit des Tonners Herrschaft spielen hier.

Der Kriegsgott Tor wirft seinen Hammer
Fm Kampse grimmen Niesen ins Gcsicht.

So schlägt des Weltmeers ungebundne 5lraft
An öde, steile Felsenküsten an,

So ranscht im Riesenbrand entfeffelt Feuer,

Wenn es gefräßig neue Nahrung packt.

Es ist ein Lied von Haß, Verderben, Tod,

Toch anch von Mannesmut und Heldentum.

Die Krieger, ost bewährt in hcißer Schlacht
Aus beiden Fronten, lauschen lang nnd bang
Dem Trommelfener, wie man's nie gehört.

Ein jeder weiß: Hört dieses Feuer auf,

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