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Deutschland <Deutsches Reich> / Reichs-Limeskommission [Hrsg.]
Limesblatt: Mitteilungen der Streckenkommissare bei der Reichslimeskommission — 3.1894-1895

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Nr. 13 (20. Dezember 1894)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8931#0034
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— 379 —

Limesblatt.

— 380 —

Das Studium der Flur- und Ortskarten
sowie eingehende Lokaluntersuchungen
Hessen als Ziel aller erkannten und ver-
muteten Wege den nördlichen Teil des
Dorfes und dessen westliche Umgebung
erkennen. Das Verdienst, die Stelle nach-
gewiesen zu haben, an welcher zuerst der
Spaten mit Erfolg angesetzt werden konnte,
gebührt Herrn Rudolf Welcker aus Frank-
furt, der wie sein Vater, Herr Pfarrer
Welcker, in Okarben den Streckenkommis-
sar überhaupt ebenso eifrig wie sachver-
ständig unterstützt hat. Er wies zuerst
auf eine wallartige Böschung in den Feld-
g&rten westlich des Dorfes hin, in der
nach Beginn der Ausgrabungen die Süd-
westecke eines Kastells erkannt wurde,
dessen vier Seiten dann verhältnismässig
leicht festgestellt werden konnten, Das
Kastell Okarben nimmt mit 294 m Länge
und 204 m Breite unter allen östlich vom
Rhein nachgewiesenen Kastellen die zweite
Stelle (nächst Kesselstadt) ein und über-
trifft alle Limesbefestigungen, selbst Nie-
derbieber, sowie das jüngst aufgefundene
Friedberger Kastell an Flächenraum er-
heblich. Ebenso ist die Stärke der Mauern
(2,20 m im Fundament) eine aussergewöhn-
liche. Wie bei Grosskrotzenburg, Kessel-
stadt, Marköbel u. a. ist die römische An-
lage von bestimmendem Einfluss auf die
Gestalt des heutigen Dorfes gewesen, der-
gestalt, dass die heutige südnördliche
Hauptstrasse in ihrer Richtung genau der
einstigen via principalis entspricht und
auch die vier Fronten sich mit Häuser-
fluchten und Dorfgassen decken. Dasselbe
galt bis vor wenigen Jahren auch von einer
Anzahl von Feldwegen und Ackergrenzen,
die freilich durch die Zusammenlcgungs-
arbeiten beute fast sämtlich verschwunden
sind. Der letztere Umstand erschwert
auch die Aufsuchung der röm. Strassen
in Oberhessen in hohem Grade. Für eine
grössere Anzahl derselben ist nun aber
durch die Auffindung des Kastells eine
weit sicherere Grundlage geboten, als sie
selbst die ältesten „allen Wege" zu bieten
vermögen.

Aufgrund der angedeuteten Anhalts-
punkte lassen sich nämlich schon jetzt die
Raumdispositionen des Kastells mit voll-

kommener Sicherheit bestimmen. Das-
selbe ist nicht, wie man vielleicht erwar-
ten könnte, von Süden nach Norden, son-
dern von Westen nach Osten orientiert,
so dass also seine Längenachse gegen die
Nidda und den Taunus gerichtet ist. Es
entspricht in dieser Hinsicht dem in diesem
Herbste aufgedeckten Kastell Hofheim mit
dem es auch die Entstehungszeit während
des Chattenkrieges oder unmittelbar nach
demselben gemein haben dürfte. Dafür
spricht die Auffindung von Ziegelstempeln
der 2t. und 14. Legion, die wie auch ein
gefundenes Exemplar der 22. Legion sämt-
lich aus den Nieder Ziegeleien stammen.
Diese Funde in Verbindung mit der Grösse
der Anlage sichern der Entdeckung des
Okarbener Kastells schon jetzt eine her-
vorragende Bedeutung für das Verständnis
der Okkupation der Wetterau und des im
Zusammenhange damit angelegten und
später ergänzten Strassennetzes. Die ein-
zige früher bei Okarben mit Sicherheit
nachgewiesene Strasse,, die ,,Steinstrasse"
umgeht nicht, wie man bisher geglaubt
hat, das Dorf in einem westlich gerichte-
ten Bogen, der sg. „alten Strasse" folgend,
sondern verläuft in schnurgerader Fort-
setzung des Hauptabschnittes von Heddern-
heim her auf das südliche Prinzipalthor
des Kastells, durchschneidet dieses senk-
recht gegen die Längenachse, der Ilaupt-
strasse des heutigen Dorfes entsprechend,
um in geradliniger Verlängerung der letz-
teren und der via principalis nördlich auf
Friedborg zu verlaufen. Sowohl vor dem
südlichen als vor dem nördlichen Thore
konnte die Strasse durch Querschnitte fest-
gestellt werden, die deutliche Profile er-
gaben. Während aber vor dem Südthore
der Schnitt einen einfachen Strassenkör-
per von den an der Stein- und Elisabethen-
strasso auch anderwärts beobachteten Di-
mensionen ergab, liegt vor dem Nordthore
unter der 7 m breiten Strasse, die sich im
Felde noch als flachgewölbter Damm be-
merklich macht, ein nur 4,50 m breiter
Kiesweg. Es wiederholt sich hier die-
selbe Erscheinung wie bei Hofheim, dass
eine mit dem Kastell gleichzeitig ange-
legte Militärstrasse durch die erheblich
jüngere vom Rhein nach der Grenze füh-
 
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