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Vorwort.

V

Förderer dessen, was sein Bruder erslrebt und erreicht, Johann Friedrich
der Großmüthige, der Mürtyrer seiner Treue, und neben diesem würdigen
Kleeblatt des edlen Wettinerstammes Luther selber, mit der sesten Hand
anf Gottes Wort, mit dem ernsten, energischen Blick des Mannes, „der
Bahn brechen muß und zurichten", und um ihn her all die Geister, die
mit eifernder Kraft oder läuternder Mäßigung in jenem Kampfe ihm zur
Seite standen, und mitten unter diesen der biedere Meister Lucas selber,
ein Reformator auf dem Gebiete der Kunst nicht bloß, sondern zugleich
der eigentliche Maler der Reformation, der kernfeste kräftige Meister der
Kunst und des Lebens, der namentlich auch durch seine Jllustrationen zu
Lutheüs Schriften zur Verbreitung der Reformation wesentlich beigetragen
und durch Pinsel und Griffel das Andenken seiner großen Zeitgenossen
in sprechenden Zügen auf die Nachwelt vererbt hat. —

Wir dürfen einen Künstler nicht bloß nach unserem Zeitgeschmack und
nach unseren gelüuterten Begriffen von üsthetischer Vollendung beurtheilen,
sondern miissen, wenn wir gerecht sein wollen, vor Allem auch darnach fragen,
inwieweit er seiner eigenen Zeit gerecht wurde und den Kunstgeschmack und
Kunstsinn seiner Zeit und seines Vaterlandes zu befriedigen oder zu wecken
und zu heben verstand, und wie er die eigene künstlerische Thätigkeit dazu
verwendete, den Jdeen und Erscheinungen, welche seine Zeit durchdrangen
und bewegten, Eingang, Verbreitung und anschauliche Verkörpernng zu
verschaffen. Und von solchem Standpunkte aus betrachtet, steht Lncas
Cranach den deutschen Kunstkoryphäen seines Zeitalters nicht bloß auf's
Würdigste zur Seite, sondern in mancher Beziehung vielleicht voran, weil
er mit Leib und Seele von dem Jmpulse ergriffen war, der sein Zeitalter
zum Ausgangspunkte eines neuen Geisteslebens der Völker und vor allem
des deutschen Volkes machte.

Es war weniger der Gegenstand oder die Bedeutung des Bildes in
der Galerie Sciarra, was solche Betrachtungen in mir erweckte, son-
dern vor allem der Name Cranach's selber; aber ich habe dem deutschen
Meister vor diesem Bilde in dankbarer Anerkennung des heimatlichen herz-
erwärmenden Eindruckes, den er an dieser fremden Stätte aus mich machte,
feierlich Abbitte gethan für die flüchtigen Seitenblicke, womit in seiner
Heimat die Mehrzahl selbst der eifrigsten Galeriewanderer an dem vorüber-
geht, was mit Recht oder Unrecht seinen Namen trügt, und es wurde mir
gewissermaßen zur Aufgabe der Pietät, mich zu überzeugen, ob ich seither
in anderen römischen Sammlungen, geblendet von dem Glanze fremder
Kunstgestirne, vielleicht hier und da das stille bescheidene Leuchten jenes
heimischen Lichtes übersehen hütte. Aber leider scheint das Madonnenbild
der Galerie Sciarra von den echten Werken des Cranach, die ihren Weg nach
Rom gefunden haben, wirklich das schönste und bedeutendste zu sein. Nur
 
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