Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Biider der Wittenberger Stadtkirche nnd ihre reformatorische Bedeutung.

Johannes 1526 zn Gevatter geladen hatte? Er ging auch nach dessen Tode
viel in seinem Hanse aus und ein und tröstete dessen Wittwe, die mit ihm in
demselben Jahre (1546) ihr Leben beschloß. Hohndorf genoß den Nachruhm,
daß er sich um Rath, Kirche und Schule hochverdient gemacht, und stiftete bei
seinem Tode ein Kapital von 300 sl., das seine Gattin um 100 sl. vermehrte
nnd von dessen Zinsen ein studirender Wittenberger Bürgerssohn drei Jahre
lang unterstützt werden sollte. „Wenn nun solcher Hohndorf allenthalben
ein so großes Lob hat", bemerkt Kettler in Bezug auf die Mittheilung
Lange'sZ „so möchte man wohl curiös sein, zu wissen, was er damals so
gröblich möge verbrochen haben, daß der damalige wittenbergische Pastor
Bugenhagen sich genöthigt gefunden, ihn vom Beichtstnhle abzuweisen."
Die „curiöse" Frage erledigt sich durch einen Blick auf das Bild, denn
hier ist allem Anschein nach der neben dem Priester knieende Rathsherr
derjenige, der die Absolution empfüngt, wührend derjenige, der vom Beicht-
stuhle zurückgewiesen wird, ein wilder trotziger Krieger ist, bei dessen An-
blick wir unwillkürlich an die Cranach'sche Darstellung der zehn Gebote im
Sitzungssaale des Wittenberger Rathhauses erinnert werden, auf welchem
Bilde ebenfalls überall, wo ein Uebelthüter vorkommt, ein Kriegsmann als
solcher dargestellt ist. Trotzdem lassen uns dergleichen Sagen erkennen,
daß ,sich an die Eranach'schen Darstellungen bestimmte stüdtische Traditionen
geknüpft haben, die im Laufe der Zeit auf Abwege gerathen sein mögen,
aber in der Hauptsache immer ihre charakteristische Bedeutung für die Bilder
selber behalten? Aus dem vierten Bilde endlich, dem unteren Quer- oder
Langbilde, womit der Künstler in treffender Weise den Kreis der dargestellten
heiligen Handlungen der evangelischen Kirche abschließt, erblicken wir Luther
selber auf der Kanzel, wie er, in jener würdigen Haltung, in welcher ihn
Cranach uns so vielfach vergegenwärtigt hat, mit der Linken fest aus das
Evangelium gestützt, die unter ihm versammelte andächtig lauschende Gemeinde
aus das in der Mitte aufgerichtete Bild des gekreuzigten Heilandes verweist,
durch dessen Opfertod und desjen Lehre allein allen Gläubigen die Erlösung
wird. „Der Ausdruck in dem Kopfe des Erlösers", sagt SchadowZ

^ Vergl. S. 219; (Spalatin's ^.nn. apucl NsiielLLQ, II, S. 659).

^ Kettler's Wittenberger Rathscollegio, S. 14.

b Ein Cranach'scher Holzschnitt (mit dem Monogramm, aber ohne Jahreszahl)
mit der oberhalb angebrachten Schrift: „Des würdigen Herrn Or. Johanns Bugen-
hagen Pommerani, Pastoris der Kirche zu Wittenberg wahrhaftige Abcontrafactum —
daselbs gemacht" (Abdruck s. in Derschau's Sammlung, Liefg. 2) — gehört möglicher-
weise derselben Zeit an.

^ Schadow: Denkmäler der Bildnerei, Baukunst und Malerei, S. 108.
 
Annotationen