Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
264

Aweiter Abschnitt. Neuntes Rapitel.

„zeugt von dem tiefen Gefühl des Meisters, der durch diesen Kopf allein
sich einen bleibenden Namen unter den ersten dentschen Künstlern bewahren
würde; es ist darin der überwundene Schmerz eines selig Verklärten auf
die edelste Weise ausgedrückt." Unter den unterhalb der Kanzel ver-
sammelten Männern fehlt es nicht an friich aus dem Leben gegrifsenen
Cranach'schen Portraitköpfen mit natürlichem kernigen Ausdrucke frommer
Andacht, und im Vordergrunde der Frauengruppe sitzt Luther's Gattin
selber, voll Andacht der Predigt lauschend; vor ihr steht „Hünschen" von
der Mutter am Arm gehalten, ein Knabe von 5—6 Jahren (er war, wie
erwähnt, 1526 geboren), in seinen Zügen ein ganzer kleiner Luther und so
ernst und gespannt anfblickend, als erwartete er, daß sich „der .hübsche
lustige Garten" aufthun sollte, „in welchem die Kinder in güldnen Röcklein
einhergehen, unter den Bäumen Aepfel und Birnen auslesen, singen, scherzen
und fröhlich sind" — derselbe Garten, von welchem der Vater in seinem
lieblichen Briefe twn Coburg aus ihm geschrieben hatte, daß er sich ihm
aufthun würde, wenn er fleißig beten lerne. Fast möchte man glauben,
daß auch das nackte, kaum mehr als einjährige Knäblein, das eine un-
mittelbar hinter Katharina sitzende Frau aus dem Schooße hält, Luther's
Hause angehöre; vielleicht sollte es Lnther's zweiten am 7. November 1531
geborenen Sohn Martin darstellen? — Unter den in dieser Zeit entstandenen
Portraits echt Cranach'schen Ursprnngs sind besonders die vortrefflichen
kleinen Brustbilder zu erwähnen, womit Cranach im Jahre 1532 seine
beiden Frennde Luther und Melanchthon, mit besonderer Knndgebung
seiner Meisterschaft als Portraitmaler, verewigt hat. Die zwei vorzüg-
lichsten Bildchen dieser Art besitzt die Dresdener Galerie; beide sind von
gleicher Größe und von gleich schöner Ausführnng; unter Luther's Bilde

^ Sem Pathe war der churf. sächs. Kämuierer Johann von Rietesel, wie aus
einem Briefe Luthers an denselben vom Jahre 1532 hervorgeht. — „Lnther hatte diesen
Sohn sehr lieb. Nachher aber soll er nicht bestens von ihm geurtheilt und gefürchtet
haben, cr dürfe sich nicht nach seinem Willen richten. Martinus legte sich auf die
Gottesgelahrtheit, aber er hat in keiner öfsentlichen Bedienung gestanden, vielmehr lebte
er für sich, heirathete des Wittenberger Bürgermeisters Thomas Heilinger's Tochter
Anna (1560) und starb 1565." Von seinen Lebensumständen ist wenig bekannt; auch
in der Einladungsschrift, welche die Wittenberger Akademie bei seinem Ableben erließ,
ist davon nichts enthalten. Er wohnte im Augustinerkloster seines Baters und scheint
vom Vermiethen der Lokalitäten an Studirende gelebt zu haben. Erst durch spätere
Mittheilungen ist über sein Leben rc, mancherlei bekannt geworden, was allerdings
nicht dafür spricht, daß er dem Namen und Andenken seines Baters besondere Ehre
gemacht habe. Paul Luther, der bekannte Leibarzt des sächs. Chnrfürsten, wurde
geboren 1533, den 28. Januar. Vergl. von Medem: Von der Nniversität Wittenberg
im Zeitalter der Reformation, 1867.
 
Annotationen