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Lhurfürst Iohann Friedrich.

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die Entscheidung der Dinge, die seither mehr einem diplomatischen Ausgleiche
unterlegen hatten, mehr und mehr dem Schwerte anheimfiel. Es wurde
auf Jahrhunderte hinaus das Nnglück Deutschlands, daß auch diese Zeiten
in dem neuen Churfürsten, Johann Friedrich, als dem mächtigsten der
deutschen Fürsten, nicht den entsprechenden Mann fanden. Nicht auf seinem
makellosen Charakter, wohl aber auf seiner, der Entwicklung einer den Ver-
haltnissen entsprechenden großartigen, politischen Thätigkeit unfühigen Natur
ruht ein Theil der Schuld, daß das dentsche Volk auf Jahrhunderte die
politische Herrschast verlor, nachdem ihm Luther die Bahn zur geistigen
Herrschaft geebnet hatte. Das Schicksal hatte den neuen Churfürsten mehr
dazu ausersehen, duldend das Kreuz zu tragen, als siegend das Schwert zu
führen. Die Gewohnheit, dem Ernste der Verhältnifse unter Leitung und
Einfluß des Vaters in's Auge zu schauen, ließ ihn bei aller Biederkeit und
opfermuthigen Treue des Charakters einem gewissen Streben nach ruhigem
Lebensgenuß, wie es scheint, auch dann nicht untreu werden, als er in
voller Jugendkraft der Nothwendigkeit gegenüberstand, die Entscheidung in
der eigenen Willenskraft und in der Festigkeit und Entschlossenheit der eigenen
Hand zu suchen. Schicksal und Erziehnng — die Fürstenerziehung jener
Zeit — waren Hand in Hand gegangen; beide hatten ihn weniger zu einer
Muth und Entschlossenheit erfordernden Thatkraft, als zu jener befchanlichen
Hingebung organisirt, die nur zu leicht fremdem Einfluß erliegt. Sein
leiblicher nnd sein geistiger Vater, Johann der Beständige nnd Luther, beide
überschauten den Lauf seines Lebens mit prophetischem Blicke. „Der Könige
und Fürsten achtet Gott, wie die Kinder des Kartenspiels," sagt Luther,
„aber doch stirbt ein Fürst anders als ein Bauer, und doch gleichwohl
fterben sie beide. Mit Herzog Friedrichen ist die Weisheit, mit Herzog
Hansen die Frömmigkeit gestorben, und nun hinfort wird der Adel regieren,
so Weisheit und Frömmigkeit hinweg ist. Sie wissen, daß mein junger
Herr, Herzog Johann Friedrich, einen eigenen Sinn hat, und nicht viel auf
die Schreibfedern giebt, das gefüllt ihnen wohl. Er hat Klugheit genug,
so hat er anch Eigensinns genug, so wird ihm der Adel Mnths genug
predigen. Wenn er seines Vaters Weisheit und seines Vaters Frömmigkeit
Halb hätte, so wollte ich ihm seinen Sinn auch wohl halb gönnen, und
viel Glücks dazu wünschen. Unser lieber Herr Gott kann keinen Stolz
leiden und muß das Uebel strafen u. s. wü" Wenn diese Worte aus
Luther's Mnnde hart und zum Theil ungerecht klingen, so hat er sie spüter
oftmals, wenn er „den frommen Churfürsten" wegen seiner Hinneigung

Luther's Werke (Altenburg), "I'oiri. V, p. 1030.
 
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