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Dritter Abschnitt. Lrstes Kapitel.

Er sagte, seine Thierlein wollten ihn nicht mehr für ihren Herrn aner-
kennen und so würde es wohl mit ihm bald zu Ende gehen. Jm Begriff,
sich nach Lochau zu wenden, um dort die Jagd fortzusetzen, ward er am
15. August vom Schlage getroffen, und als am folgenden Tage Luther,
Melanchthon und der Wittenberger Medicus Or. Augustin Schurf ankamen,
fanden sie ihn bereits mit dem Tode ringend. Schon am 18. früh 7 Uhr
wurde er in der Wittenberger Schloßkirche neben seinem Bruder Friedrich
mit großer Feierlichkeit beigesetzt. Da man ihn begrub, sagte Luther: „Die
Glocken klingen viel anders, wenn einem ein Freund stirbt, der uns lieb
ist!" Jn einer der zwei Leichenpredigten, die er an seinem Grabe hielt,
sagte er, „Jhr wißt, was für einen Tod der verblichene Churfürst auf dem
Reichstag gelitten hatT Jch will ihn nicht loben seiner hohen Tugenden
halber, sondern ihn auch lassen einen Sünder bleiben wie uns alle, die
wir diese Straße auch gedenken zu gehen und unserm Herrn Gott manche
starke Sünde, überliefern wollen, daß wir bei dem Artikel, der da heißt
Vergebung der Sünden, bleiben. Darum will ich unsern lieben Herrn nicht
so gar rein machen, wiewohl er ein sehr frommer und freundlicher Herr
gewesen ist, ohne allen Falsch, indem ich mein Lebenlang nie einigen Stolz,
Zorn noch Neid gespürt habe, der alles leichtlich tragen und vergeben
konnte und mehr denn zuviel mild gewesen ist. Jhr wisset alle, wie er
Christo noch vor zwei Jahren in Augsburg gestorben, und den rechten Tod
gelitten hat, nicht für sich alleine, sondern für uns alle, da er alle bösen
Suppen und Gift hat müssen ausessen, die ihm der Teufel eingeschenkt hat."
Wie in seiner Schrift „Warnung an meine lieben Deutschen" klingt auch
in diesen Worten der Schmerz der Tüuschung und Entsagung wieder, womit
Luther's heldenmuthiges Herz dem Ausgange jenes Reichstags gegenüber noch
zu ringen hatte, ein Schmerz, der um so bitterer war, je höher und gerechter die
Hoffnungen gewesen waren, die er dem Reichstage, vielleicht ohne es sich selbst
zu gestehen, entgegen gebracht, je unerschütterlicher der Muth gewesen war, der
sein Leben und Wirken auf der einsamen Coburger Veste beherrscht hatteR
Schwerere und ernstere Zeiten noch vererbte jedoch Churfürst Johann auf
seinen Nachfolger, Zeiten, welchen namentlich die seitherigen Mittel zur
Fördernng der Reformation nicht mehr gewachsen waren, und in welchen

i „Jch bin von Herzen erfreut, daß eure churfürstl. Gnaden aus der Hölle zu
Augsburg mit Gottes Gnaden kommen sind" hatte er am 3. Oct. 1530 von Coburg
aus an den Churfürsten geschrieben. S. S. 254.

^ Die „Warnung an feine liebcn Deutschen" erschien Anfang 1531 in Druck und
1546 kurz vor Ausbruch des Religionskrieges gab sie Melanchthon auf's neue mit einer
Vorrede heraus.
 
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