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Lranach als Bürgermeister.

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stürbe — denn es war dieselben Tage ein solcher Mangel, daß man weder
Semmel noch Brod unüs Geld bekommen konnte — gab also Heimlich und
überquer dem Rath einen Filz um der Nachlässigkeit willen."* Der Rath
mit Cranach an der Spitze mochte sich, wie aus diesen Worten hervorgehtz
hinsichtlich der nöthigen Getreidezufuhr allerdings eine Nachlüssigkeit haben
zu schulden kommen lassen, denn er wußte sich, Luther's gefürchteter nnd
wahrscheinlich auch gerechter Mahnung und Strafpredigt gegenüber, nicht
besser zu wehren und zu rechtfertigen, als durch die persönliche Vermittelnng
und Fürsprache Cranach's, von welchem das ganze Rathskollegium wußte,
„wie er bei Luther angeschrieben stand und was er bei ihm vermochte."
Cranach sprach zu diesem Zwecke auch noch am Abend desselben Tages bei
Luther ein und that ihm dar, daß der Rath an der Noth unschuldig sei,
da ihm zu seinem Kummer das Getreide durch einen Arrest in der Mark
ausgehalten worden, woraus sich Luther's Zorn vom Rathe ab und gegen
den Adel wendete, von dem er sagte, „daß derselbe großen Muthwillen
und Untreue treibe, von den Bauern alles Getreide aufkaufe und hinlege,
also das Landkorn hemme, eine muthwillige Theuerung mache, da denn
noch keine Gottes Strafe da sei: da gehöre ein Fürst zu, der mit solchen
Junkern rede." Jn seinem Eifer für dies allgemeine Wohl unterließ Luther
auch nicht, sich unmittelbar an den Churfürsten selber zu wenden. Er
ermahnte ihn in einem Schreiben, Maßregeln zu treffen, „daß die von
Adel hinfort das Getreide nicht allein für sich kauften und wegführten und
damit so unverschämt wucherten zum Verderben von Land und Leuten seiner
churfürstlichen Gnaden; wären sie doch ohnedies reich genug, daß nicht noth
sei, armer Leute Leben durch Hunger zu nehmen, um ihres Geizes willen."
Aus den weiteren Mittheilungen in Betreff dieser Angelegenheit geht hervor,
daß Luther ihretwegen noch weiter mit Cranach Berathung pslog. „Es
wurden zween bei vr. Martino angegeben, daß sie Theuerung machten mit
dem Korn, als Friedrich B. und Tylo D. und ward gefragt, ob sie auch
Macht hätten, das Landkorn dem gemeinen Markt zu hemmen? Da ant-
wortete Luther: Es ist nur jMenschenbosheit, was wollte werden, wenn
Gottes Strafe kommen würde? Ach lieber Herr Gott, ist diese Welt so
böse, so will ich gern sterben, auch Hungers, daß ich nur wegkomme.
Danach sprach er zum Bürgermeister (Cranach): Der Landvoigt ist's eine
Ursache; der etlich Getreide auf Schiffen hat lassen wegführen; wie er
einmal gesagt hat: „würden die Bürger uicht gut Bier machen und wohlfeil

i Luther's Colloquien und Tischreden, S. 328 ff.; Kettner's Nachrichten
S. 26 ff.

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