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Kunstgeschichtliche Uebersicht.
Die Kirchen, soweit sie nicht Ueber-
setzungen aus dem gothischen sind, wie
die Marienk. zu AVolfenbütte! und der
Oberbau am Kiiiansthurm zu Heilbronn,
gelingen diesem Styl meist am wenigsten.
Uebrigens kommen sie besonders als Be-
standtheile von Schlossbauten vor, welche
seine Hauptleistungen bilden. Unter die-
sen sind der Otto-Hcinrichs-Bau im Hei-
delberger Schl., das Schloss zu Gade-
buscli, Theile der Schlösser zu Güstrow,
Schwerin u. Wismar, das Belvedere zu
Prag, die Burg Pürglitz, das Schl, zu Tor-
gau hervorzuheben, von anderen Bauten
der Schuhhof in Halberstadt, das Gast-
haus zum Ritter in Heidelberg, der lei-
der durch einen geschmacklosen Neubau
verdrängte Apothekerflügel am Rathhaus
zu Hannover, die Vorhalle am Rathhaus
zu Köln.
Bildende Künste.
Die bildenden Künste entwickelten sich
im Anschluss an die Baukunst, deren
Werke ihnen Grundlage und Obdach
boten. Wie die Malerei besonders in der
altchristlichen und romanischen Zeit an
den Wand - und Gewölbflächen, in der
gothischen vornehmlich in den Fenstern
mit ihren farbigen Darstellungen, so ent-
faltete die Sculptur an den Portalen in
plastischen Gebilden die heilige Geschichte
beider Testamente und zugleich das Ver-
hältniss der Menschheit zu der in Christo
geoffenbarten Wahrheit, zu der durch
seinen Kreuzestod gestifteten Versöhnung
mit Gott und die davon abhängige Selig-
keit oder Verdamnmiss *). Die Formen,
welche ihnen dazu im Anfang zu Gebote
standen, waren, wie in der Baukunst, die
des römischen Heidenthums im Stadium
der Verderbniss, mithin für den eben
angegebenen Zweck so ungeeignet als
möglich. Dieser Umstand und die ganze
Sinnesweise jener Zeit begünstigte eine
M Diese Darstellungen hatten ihren
guten Grund. Da viele Leute nicht lesen
konnten und noch viel weniger eine Bi-
bel besassen , so musste die Kenntniss
der hl. Geschichte durch die Gemälde
und lhldnereien der K. dem Volke ver-
mittelt werden. Die Kunstwerke der K.
waren für das Volk eine Hddcrbibel, die
zum Unterricht desselben diente, wie die
sogenannten Armenbibeln (bihlia pnupe-
rum) in den Handschriften u. Holzdrucken.
!n den grossen Kirchen waren daher das
alte und neue Testament im Zusammen-
hang ihrer Maupttheile abgebildet, in klei-
neren die hauptsächlichsten dogmatischen
Beziehungen dargestellt. Dazu kamen
freilich auch die Legenden der Kirchen-
patrone und anderer Heiligen, die durch
die Erklärungen der Geistlichkeit den)
Volke verständlich blieben. — Mone, Zeit-
schrift 1852, S. 7.
symbolische Form der Darstellung, wie
sie durch die vorbildlichen Begebenhei-
ten des alten Bundes und die Gleichniss-
reden des Heilandes und seiner Apostel
bereits gegeben war. Als Beispiele letz-
terer Art nennen wir das Bild des guten
Hirten, der seine Heerde weidet, tränkt,
das verlorene Schaf in der Wüste sucht
und, wenn er es gefunden, auf seine
Achsel legt mit Freuden. Im Gegensatz
zu ihm den Löwen, das Bild des Ver-
derbers, der umhergeht und sucht, wel-
chen er verschlinge. Als Beispiel erste-
rer Art die Opferung Isaacs durch Abra-
ham als Vorbild des Opfertodes Christi;
Jona, der vom Fisch verschlungen, nach
drei Tagen unversehrt wieder ausgespieen
wurde, als Vorbild der Auferstehung des
Llerrn.
Ausser den Gemälden kommen die für
den Cultus erforderlichen Bücher und
Geräthe in Betracht, welche die bilden-
den Künste auszuschmücken hatten. Da-
hin gehören die Elfenbeinschnitzwerke
der Buchdeckel und Diptychen (Biblio-
theken in Berlin, Frankfurt a. M., Go-
tha, S. Gallen, Würzburg), die maleri-
schen Ausschmückungen der hl. Bücher
(Miniaturen), die Prachtgeräthe, nament-
lich für den Altardienst (Emmerich, Es-
sen, Kremsmünster, Limburg a. d. Lahn).
Ausserdem sind noch die Erzthüren und
-Gitter des Aachener Münsters zu nen-
nen. Die Portal- und andere monumen-
tale Bildnerei kam erst später in Auf-
nahme. Ebenso die Tafelmalerei. Man
brachte über den Altären noch keine
Gemälde an. Ihre Stelle vertraten die
Mosaiken und Wandgemälde der Apsis
und des Triumphbogens (wovon nichts
erhalten ist) und die Elfenbeindiptychen,
welche die Bischöfe auf die Altäre stellten.
Der Styl dieser Werke ist in den äl-
testen Zeiten der römische; nur sind die
Formen zwar steifer und trockener, aber
Kunstgeschichtliche Uebersicht.
Die Kirchen, soweit sie nicht Ueber-
setzungen aus dem gothischen sind, wie
die Marienk. zu AVolfenbütte! und der
Oberbau am Kiiiansthurm zu Heilbronn,
gelingen diesem Styl meist am wenigsten.
Uebrigens kommen sie besonders als Be-
standtheile von Schlossbauten vor, welche
seine Hauptleistungen bilden. Unter die-
sen sind der Otto-Hcinrichs-Bau im Hei-
delberger Schl., das Schloss zu Gade-
buscli, Theile der Schlösser zu Güstrow,
Schwerin u. Wismar, das Belvedere zu
Prag, die Burg Pürglitz, das Schl, zu Tor-
gau hervorzuheben, von anderen Bauten
der Schuhhof in Halberstadt, das Gast-
haus zum Ritter in Heidelberg, der lei-
der durch einen geschmacklosen Neubau
verdrängte Apothekerflügel am Rathhaus
zu Hannover, die Vorhalle am Rathhaus
zu Köln.
Bildende Künste.
Die bildenden Künste entwickelten sich
im Anschluss an die Baukunst, deren
Werke ihnen Grundlage und Obdach
boten. Wie die Malerei besonders in der
altchristlichen und romanischen Zeit an
den Wand - und Gewölbflächen, in der
gothischen vornehmlich in den Fenstern
mit ihren farbigen Darstellungen, so ent-
faltete die Sculptur an den Portalen in
plastischen Gebilden die heilige Geschichte
beider Testamente und zugleich das Ver-
hältniss der Menschheit zu der in Christo
geoffenbarten Wahrheit, zu der durch
seinen Kreuzestod gestifteten Versöhnung
mit Gott und die davon abhängige Selig-
keit oder Verdamnmiss *). Die Formen,
welche ihnen dazu im Anfang zu Gebote
standen, waren, wie in der Baukunst, die
des römischen Heidenthums im Stadium
der Verderbniss, mithin für den eben
angegebenen Zweck so ungeeignet als
möglich. Dieser Umstand und die ganze
Sinnesweise jener Zeit begünstigte eine
M Diese Darstellungen hatten ihren
guten Grund. Da viele Leute nicht lesen
konnten und noch viel weniger eine Bi-
bel besassen , so musste die Kenntniss
der hl. Geschichte durch die Gemälde
und lhldnereien der K. dem Volke ver-
mittelt werden. Die Kunstwerke der K.
waren für das Volk eine Hddcrbibel, die
zum Unterricht desselben diente, wie die
sogenannten Armenbibeln (bihlia pnupe-
rum) in den Handschriften u. Holzdrucken.
!n den grossen Kirchen waren daher das
alte und neue Testament im Zusammen-
hang ihrer Maupttheile abgebildet, in klei-
neren die hauptsächlichsten dogmatischen
Beziehungen dargestellt. Dazu kamen
freilich auch die Legenden der Kirchen-
patrone und anderer Heiligen, die durch
die Erklärungen der Geistlichkeit den)
Volke verständlich blieben. — Mone, Zeit-
schrift 1852, S. 7.
symbolische Form der Darstellung, wie
sie durch die vorbildlichen Begebenhei-
ten des alten Bundes und die Gleichniss-
reden des Heilandes und seiner Apostel
bereits gegeben war. Als Beispiele letz-
terer Art nennen wir das Bild des guten
Hirten, der seine Heerde weidet, tränkt,
das verlorene Schaf in der Wüste sucht
und, wenn er es gefunden, auf seine
Achsel legt mit Freuden. Im Gegensatz
zu ihm den Löwen, das Bild des Ver-
derbers, der umhergeht und sucht, wel-
chen er verschlinge. Als Beispiel erste-
rer Art die Opferung Isaacs durch Abra-
ham als Vorbild des Opfertodes Christi;
Jona, der vom Fisch verschlungen, nach
drei Tagen unversehrt wieder ausgespieen
wurde, als Vorbild der Auferstehung des
Llerrn.
Ausser den Gemälden kommen die für
den Cultus erforderlichen Bücher und
Geräthe in Betracht, welche die bilden-
den Künste auszuschmücken hatten. Da-
hin gehören die Elfenbeinschnitzwerke
der Buchdeckel und Diptychen (Biblio-
theken in Berlin, Frankfurt a. M., Go-
tha, S. Gallen, Würzburg), die maleri-
schen Ausschmückungen der hl. Bücher
(Miniaturen), die Prachtgeräthe, nament-
lich für den Altardienst (Emmerich, Es-
sen, Kremsmünster, Limburg a. d. Lahn).
Ausserdem sind noch die Erzthüren und
-Gitter des Aachener Münsters zu nen-
nen. Die Portal- und andere monumen-
tale Bildnerei kam erst später in Auf-
nahme. Ebenso die Tafelmalerei. Man
brachte über den Altären noch keine
Gemälde an. Ihre Stelle vertraten die
Mosaiken und Wandgemälde der Apsis
und des Triumphbogens (wovon nichts
erhalten ist) und die Elfenbeindiptychen,
welche die Bischöfe auf die Altäre stellten.
Der Styl dieser Werke ist in den äl-
testen Zeiten der römische; nur sind die
Formen zwar steifer und trockener, aber