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Erstes Kapitel.

Die Kultur der italienischen Hochrenaissance.

Gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts schickt sich die Kunst in
Italien an, den Gipfel der Vollendung zu ersteigen. Die Malerei geht
von dem durchgebildeten Naturalismus, mittelst dessen sie fast ein
Jahrhundert lang daran gearbeitet hatte, sich die ganze Welt der
Erscheinungen zu unterwerfen, zu jener hohen freien Idealität über,
in welcher alles Einzelne zu stilvoller Grösse geadelt wird. Sie erreicht
dies Höchste durch die angespannte Thätigkeit einer Reihe der grössten
Meister, neben welchen selbst die bedeutendsten unter den Vorgängern
in zweite Linie zurücktreten müssen. Diese Entwicklung reicht bis
gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts, an einzelnen Orten selbst noch
über diese Zeit hinaus. Alles was innerhalb dieses Zeitraums geschaf-
fen wurde, ist wie mit dem glänzenden Wiederschein eines höheren
Daseins geweiht. Man erkennt, dass die gesammelte geistige Kraft
der Nation in diesen Schöpfungen ihren vollkommensten Ausdruck
gefunden hat.
Wo irgend wir sonst in der Geschichte einem hohen künstlerischen
Aufschwung begegnen, pflegt derselbe das Ergebniss eines kraftvollen
politischen Lebens, eines in Gesundheit blühenden Volksthums zu sein.
Anders im Cinquecento Italiens. Erwägen wir die damaligen poli-
tischen Verhältnisse des Landes, vor Allem die sittlichen Zustände des
öffentlichen Lebens, so gewinnen wir den Eindruck, dass die färben-
glühende Wunderblume jener Kunst aus dem giftgeschwängerten Boden
eines moralischen Sumpfes emporsteigt. Unser Staunen wächst, wenn
wir gewahren, dass diese Kunst im Ganzen und Grossen, mit ver-
 
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