Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
62

Dialekte, für die ich den Namen Alt-Prakrit Vorschlägen möchte i), bisher
außer in den buddhistischen Schriften nur in Inschriften nachweisen können.
Unsere Fragmente zeigen unwiderleglich, daß man sie in vorklassischer Zeit
auch in der eigentlichen schönen Literatur verwendete. Dasselbe geht aber
zum Teil auch aus den Inschriften hervor. Bühler hat längst darauf hin-
gewiesen-), daß uns in der Näsik-Inschrift No. 18, die dem zweiten Jahr-
hundert nach Chr. angehört, ein kleines in Alt-Prakrit erhalten
ist. Ein noch älteres ist die Prasasti des Khäravela von Kalinga
am Eingang der Hathtgumphä-Höhleß). Sie gehört dem zweiten Jahrhundert
vor Chr. an. Auch eine Lyrik in Alt-Prakrit muß es gegeben haben. In der
Sltäbengä-Höhle am Rämgarh-Hügel hat uns der Zufall eine Strophe in Alt-
Prakrit aufbewahrt, die, so große Schwierigkeiten sie auch dem Verständnis
noch bereitet, doch in ihrem Stil von späteren lyrischen Strophen nicht
abweicht4). Sie ist in ältester Brähml geschrieben. Hierher gehört schließ-
lich auch, wenn ich den metrischen Charakter der Inschrift richtig erkannt
habe, die oben (S. 41 f.) behandelte Alt-Mägadhi-Strophe über die Liebe des
Devadinna und der Sutanukä, so kümmerlich sie auch als poetisches Erzeugnis
erscheinen mag. Eine Dichtung in Alt-Prakrit hat also bis ins zweite Jahr-
hundert n. Chr. bestanden.
*) R. O. Franke hat in seinem Werke »Pali und Sanskrit« die Sprache der älteren, nicht
in Sanskrit abgefaßten Inschriften und die des literarischen Pali unter dem Namen Pali zusammen-
gefaßt. Ich kann die Wahl dieser Bezeichnung nicht glücklich finden, weil ein Name, der seit
langer Zeit mit einem bestimmten Dialekte verbunden ist, hier in einem ganz anderen Sinne ver-
wendet wird. Das kann nur zu Verwirrungen Anlaß geben. Pali bezeichnet die Sprache des
Kanons der Vibhajyavädins und der sich daran schließenden Literatur und sollte nie in einer
andern Bedeutung gebraucht werden. Ebensowenig kann ich übrigens den von Pischel (§ 7) vor-
geschlagenen Termini Lena- und Lät-Dialekt Geschmack abgewinnen, da sie an rein äußerliche
Umstände anknüpfen und die Ansicht, daß die meisten in »Lena-Dialekt« abgefaßten Inschriften
in Höhlen Vorkommen, nicht einmal richtig ist. Die meisten, allerdings nicht die umfangreichsten
derartigen Inschriften finden sich an den Stüpazäunen von Sänci, Bharaut usw. (in Sänci allein 490),
und man könnte daher mit demselben Recht von einem Stüpa-Dialekt reden. Den Ausdruck
Prakrit will Pischel nach dem Vorgänge späterer indischer Grammatiker und Rhetoriker auf die Literatur-
sprachen beschränken, während die eigentlichen Volkssprachen Apabhramsa seien. Von diesem
Standpunkte aus würde sich gegen die Bezeichnung Alt-Prakrit für das Pali, die Dialekte unserer
Fragmente und den am weitesten verbreiteten Inschriften-Dialekt, Pischel's »Lena-Dialekt«, nichts
einwenden lassen, denn wir werden sehen, daß auch der letztere zu literarischen Kompositionen
gebraucht wurde. Die in den Asoka-Inschriften vorkommenden Dialekte sind bisher als Literatur-
sprachen nicht nachgewiesen; ich glaube aber gezeigt zu haben, daß wenigstens die Ardhanrägadhl
der Asoka-Inschriften der literarischen Alt-Ardhamägadhi sehr nahe stand, und ich möchte es
daher für unbedenklich halten, den Namen Alt-Prakrit auch auf diese Dialekte auszudehnen. Wo
es nötig ist, mag man sie als Apabhramsa unterscheiden, und z. B. den Dialekt der Säulen-
inschriften als Alt-Ardhamägadhi-Apabhram§a bezeichnen. Dem Alt-Prakrit kann man, wo die
Deutlichkeit es erfordert, das Prakrit der Grammatiker als »Mittel-Prakrit« gegenüberstellen; das
Hauptmerkmal des Mittel-Prakrits würde der Übergang der Tenuis in die Media und der Kon-
sonantenausfall sein. Schließlich kann man die modernen indischen Sprachen als »Neu-Prakrit«
angliedern. Der ähnliche Ausdruck »tertiäres Prakrit« ist ja schon lange gebräuchlich.
Ü Die indischen Inschriften und das Alter der indischen Kunstpoesie, Sitz.-Ber. der Wiener
Ak. Phil. Hist. Kl. Bd. CXXII, Nr. XI, S. 56 ff.
3) Actes du Sixieme Congres Intern, des Orientalistes ä Leide, tome III, p. 152fr.
4) Zuletzt herausgegeben von Bloch, Arch. Surv. of India. Annual Report 1903—04, p. 124 h.
 
Annotationen