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Lüders, Heinrich
Philologica Indica: ausgewählte kleine Schriften von Heinrich Lüders ; Festgabe zum siebzigsten Geburtstage am 25. Juni 1939 dargebracht von Kollegen, Freunden und Schülern — Göttingen, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.37426#0062

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Zur Sage von Rsyasrnga

Sagenstoffe oder verschiedene Redaktionen einer und derselben Legende
waren von ihnen ineinander verarbeitet, verknüpft und verflochten worden,
so daß wir tatsächlich Fragmente unterschiedener Darstellungen, Produkte
verschiedener Pauränika vor uns haben. Aber darin lag eben das Wesen
der zyklischen Rhapsodie, daß sie bestrebt war, den immensen Legenden-
schatz der einzelnen Schulen und Familien immer enger und systematischer
zu vereinigen. Sammlung der verschiedenen Sagenstoffe war das
Hauptziel, nicht Ausgleich der unterschiedenen und wohl widersprechenden
Züge der verschiedenen Redaktionen. Die einheitliche Sammlung, d. h.
die von einer Hand bewerkstelligte Diaskeuase des im Mahäbhärata ver-
einigten Stoffes bedingt deswegen keinesfalls Ausschluß aller widersprechen-
den Sagenzüge. Und es ist kritisch ganz unzulässig, verschiedene und — sagen
wir einmal — widersprechende Redaktionen eines und desselben Sagen-
stoffes darum von einheitlicher und gleichzeitiger Sammlung innerhalb des
Mahäbhärata auszuschließen, weil sie diese Verschiedenheiten zeigen. Die
letzteren bezeugen das Vorhandensein verschiedener Redaktionen, wider-
streben aber nicht der gleichzeitigen Aufnahme in ein Mahägrantha.'
Bestimmt genug klingen diese Aussprüche über die Tätigkeit der
'Zykliker', über das Wesen und die Ziele der zyklischen Rhapsodie und die
Art der epischen Diaskeuase. Wenn uns Dahlmann nur auch die Beweise
dafür liefern wollte! So stellt er uns allerlei Möglichkeiten als gesicherte
Tatsachen hin. Denn daß es zum Beispiel möglich ist, daß verschiedene
oder gar widersprechende Redaktionen eines und desselben Sagenstoffes
in einer Sammlung erscheinen, wird niemand bestreiten wollen; ist es doch
in späteren, zweifellos von einer Hand herrührenden Sammelwerken tat-
sächlich der Fall. So erscheint zum Beispiel in Somadevas Kathäsarit-
sägara die Sage von Unmädinl an drei verschiedenen Stellen (III, 1, 63ff.;
VI, 7, 62ff.; XII, 24, 3ff.) in drei verschiedenen Fassungen. Die Möglich-
keit einer Annahme ist aber noch kein Beweis für ihre Richtigkeit, und den
Beweis, daß das Mahäbhärata den Charakter eines Sammelwerkes von
Anfang an besessen habe, hat Herr Dahlmann meines Erachtens bisher
nicht erbracht.
Indessen, diese Frage kommt in unserem speziellen Falle gar nicht in
Betracht, denn dieRsyasrnga-Sage wird im Mahäbhärata nicht mehrere Male
in abweichender Form erzählt, sondern nur einmal, in III, 110—113, hier
aber mit inneren Widersprüchen. Nach Dahlmann erklären sie sich so,
daß der Diaskeuast verschiedene Redaktionen der Sage ineinander ver-
arbeitete : 'Was Lüders Umarbeitung nennt, kann ebensogut von dem einen
Diaskeuasten des Mahäbhärata ausgegangen sein, der für seine Zwecke
verschiedene Redaktionen ergänzend vereinigte' (S. 286). Gewiß, an und
für sich 'könnte' es von dem Diaskeuasten ausgegangen sein. Glaubt denn
Dahlmann wirklich, daß andere Leute nicht auch schon an diese Möglich-
keit gedacht haben? Ich wenigstens habe mir an jener Stelle (S. 5f.)
 
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