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Die Architektur hat sich auf dreierlei Art an dem Wiener Ausstellungswerke
betheiligt: in der Sammlung von Plänen und Modellen, welche in den Räumen
der Kunslhalle und zum Theil in der Rotunde ausgestellt sind, entrollt sich uns ein
umsassendes Bild von dem architektonischen Schafsen der Gegenwart; weite Aus-
blicke auf die Baukunst der Vergangenheit und in die bunte Mannichfaltigkeit
nationaler Stylweisen gewährt sodann die kleine Weltstadt von Bauernhäusern,
Pavillons, Kiosken, Brunnen und Heiligthümern, welche rings durch den Park
verstreut ist und namentlich im Gebiete der orientalischen Architektur viel ausser-
ordentlich Schönes und Lehrreiches bietet; endlich ist es die glänzende architek-
tonische Improvisation der Hauptgebäude selbst, welche unser Interesse in Anspruch
nimmt, — und von dieser soll hier zunächst die Rede sein.
Eine Improvisation ist es, und insofern allerdings von vornherein das Gegen-
theil dessen, was die Architektur, diese Mutterkunst alles Monumentalen, in erster
Linie zu leisten berufen ist; aber zugleich eine Schöpfung, die uns durch die
Würde ihrer Erscheinung, durch die feierliche Grossartigkeit ihrer architektonischen
Prologe den ephemeren Charakter der ganzen Schaustellung vergessen machen
kann: eine Verbindung von Vorübergehendem und Bleibendem, eine Umhüllung
des Modernden, das von dem Gebote der Nützlichkeit aus dem spröden Eisen-
stoff der Construction erzeugt worden, mit den Formen einer altehrwürdigen
Triumphal-Baukunst.
-Bei ihrem Entstehen hielten die Weltausstellungen, diese characteristischen
Lebensäusserungen der Gegenwart, auch in ihrer äusseren Erscheinung das eigen-
tümliche Gepräge der Neuzeit fest. Das Eisen-Glashaus war die erste Form
der Weltausstellungs-Architektur. England ist seine Geburtsstätte; die Krystall-
paläste von Sydenham und München sind seine Hauptbeispiele. Ein Stolz der
Mechanik, ein allumfassender Mikrokosmus, kühn, licht und sreundlich in seiner
Erscheinung, ist diese erste Form des Ausstellungsgebäudes ein treues Spiegelbild
der menschensreundlichen Gedanken, welche jene ersten sriedlichen Wettkämpse
der Nationen in's Leben riefen.
In Frankreich, und zwar schon bei der Ausstellung des Jahres 1855, nahm
das Ausstellungswesen einen stark egoistischen Charakter an, zugleich aber machte
sich ein Zug zu künstlerischer und monumentaler Umgestaltung des Paxton'schen
Eisen-Glaspalastes geltend. So entstand der Ausstellungsbau der Champs Elysees
von Vieile, ein in seinen Umsassungswänden aus Werksteinen aufgeführtes Ge-
 
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