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Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0058
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weiss und eure Worte, was er weiss, viel unvollkommener darstellen, als
ein Glas Wasser einen grossen Strom, werden doch die kleinen, ohn-
mächtigen Redensarten, die aus Menschenmunde fallen, einen Augenblick
den Ocean, das Licht und das schattige Blattwerk erleuchten, die inmitten
der Finsternis unter seinen toten Lidern schliefen.
DieGesichter dieses„transcendentalen Ich", von demNovalis spricht,sind
vielleicht unzählig, und keinem der mystischen Moralisten gelang es, das
nämliche zu erforschen; Swedenborg, Pascal, Novalis, Hello und einige
andere prüfen unsre Beziehungen zu einer abstrakten Unendlichkeit, die
sehr fern und zart ist. Sie führen uns auf Berge, deren Gipfel uns samt
und sonders nicht natürlich und bewohnbar scheinen, und auf denen wir
oft nur mühsam atmen. Goethe begleitet unsre Seele an den Gestaden
des Meeres der Heiterkeit. Mark Aurel heisst sie niedersitzen am Hange
der menschlichen Hügel von vollkommener und müder Güte und unter dem
zu schweren Blätterdache hoffnungslosen Verzichtens. Carlyle,Emersons
Geistesbrüder, der uns in diesem Jahrhundert am andern Ende des Thaies
winkt, lässt allein die heroischen Augenblicke unsres Lebens wie Blitze
auf dem düsteren Gewittergrunde eines unaufhörlich ungeheuerlichen
Unbekannten vorüberziehen. Er führt uns wie eine tolle Herde durch
Unwetter zu unbekannten,schwefeligen\^biden. Erstösstuns in die tiefste
Finsternis, die er mit Freuden entdeckt hat, und die allein der gewaltsame,
aussetzende Stern der Helden erleuchtet,und überlässt uns dort mit bösem
Lächeln der ungeheuren Rache der Mysterien.
Aber da ist zur gleichen Zeit Emerson, der gute, morgendliche Hirte der
fehlen und grünenWiesen, von einem neuen, natürlichen und annehmbaren
Optimismus erfüllt. Er führt uns nicht an Abgründen vorüber. Er lässt
uns nicht aus dem engen, vertrauten Gehege heraus, denn der Gletscher,
das Meer, die ewigen Gestirne, der Palast, der Stall, der erloschene Ofen
des Armen und das Bett des Kranken liegen alle unter dem gleichen
Himmel, geläutert von denselben Sternen und denselben unendlichen
Gewalten unterthan.
Er ist vielen in dem Augenblicke gekommen, wo er kommen musste, in
dem Augenblicke, wo sie für ihr Leben gern neue Erklärungen haben
wollten. Die heroischen Stunden treten weniger in die Erscheinung, die
der Verneinung sind noch nicht wiedergekehrt; es bleibt uns also nichts
mehr als das alltägliche Leben, und doch können wir nicht ohne Grösse 5**
 
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