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Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0063
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Bewusstsein nur, um das Unerklärliche rings um uns zu vermehren. Wir
suchen zu erkennen, um das Nicht-Erkennen zu lernen. Wir vergrössern
uns nur, um die Mysterien zu vergrössern, die uns niederdrücken; und
wir sind wie Sklaven, die den Wunsch, zu leben, nur unter der Bedingung
in sich erhalten können, das Gewicht ihrer Ketten, ohne je mutlos zu
werden, sonder Erbarmen zu mehren . . .
Die Geschichte dieser wundersamen Ketten ist die einzige Geschichte
unsrer selbst; denn wir sind nur ein Mysterium, und was wir wissen,
geht uns nichts mehr an. Sie ist nicht lang bis dahin; sie steht auf ein
paar Seiten, und man kann sagen, dass die Besten sich furchten, daran zu
denken. Wie wenige wagten, bis zu den Endpunkten des menschlichen
Denkens vorzudringen! Und man nenne uns die Zahl derer, die dort nur
ein paar Stunden weilten ... Mehr als Einer hat sie uns versprochen und
einige wenige sie zuweilen unternommen, aber bald hernach verloren sie
nach und nach die Kraft, deren es bedarf, um hier zu leben; sie fielen auf
die Seite des äusseren Lebens und in die bekannten Thäler der mensch-
lichen Vernunft zurück; „und alles floss von neuem, wie ehedem, vor
ihren Augen."
In Wahrheit ist es sehr schwer, seine Seele zu befragen und ihre schwache
Kinderstimme inmitten der unnützen Schreier zu vernehmen, die sie um-
geben. Und doch: wie wenig machen die andern Bestrebungen des Geistes
aus, wenn man darüber nachdenkt; und wie weit von uns geht unser
gewöhnliches Leben vor sich! Man könnte sagen, dort unten erschienen
nur die Ebenbilder unsrer öden, zerstreuten und unfruchtbaren Stunden;
aber hier ist der einzige feste Pol unsres Wesens und der Ort des Lebens
selbst. Dorthin muss man sich unaufhörlich flüchten. Den gesamten Rest
wissen wir, ehe man ihn uns gesagt hat; aber hier lernen wir weit mehr, als
alles, was sich sagen lässt; und im Augenblicke, wo die Phrase Halt macht
und die Worte sich verstecken, trifft unser ungeduldiger Blick plötzlich
durch Jahre und Zeiten hindurch auf einen andren Blick, der ihn geduldig
auf dem Wege zu Gott erwartete. Die Lider zucken zur selben Zeit, die
Augen werden feucht vom süssen und fruchtbaren Thau eines gleichen
Mysteriums, und wir wissen, dass wir nicht mehr allein sind auf der
grenzenlosen Strasse . . .
B-a Aber welche Bücher sprechen uns von diesem Orte des Lebens? Die
v 1 Metaphysikergehen kaumbisan seineGrenzen-undwasbleibtinWthrheit
 
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