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Lönne, Petra
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 31): Das Mittelneolithikum im südlichen Niedersachsen :: Untersuchungen zum Kulturenkomplex Großgartach - Planig-Friedberg - Rössen und zur Stichbandkeramik — 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68368#0071
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Viehgeheges o.ä. gehandelt294. Aussagen zur ober-
tägigen Konstruktionsweise derartiger „Zäune“
müssen spekulativ bleiben - zieht man ethnogra-
phische Parallelen in die Überlegungen mit ein, darf
man wohl einen Zaun mit Flechtwerkkonstruktion
oder horizontal fixierten Hölzern annehmen295.
Entsprechende Pfostenreihen konnten in Bochum-
Hiltrop (Hillerberg Nord) (Abb. 13)296, und in der
lengyelzeitlichen Siedlung Bylany297, Bez. Kolin
(Tschechische Republik), dokumentiert werden.
4.5 Gruben
Von den insgesamt 754 in die mittelneolithische
Nutzungsphase datierbaren Befunde des Fundplat-
zes Großenrode-14 (Kat.-Nr. 132) konnten 80 als
eigentliche (größere) Gruben ausgesondert werden.
Diese verteilen sich über die gesamte Grabungsflä-
che, wobei Konzentrationen im Innenraum des
Erdwerks sowie südlich davon festgestellt werden
konnten. Nördlich des Erdwerks - auf der sied-
lungsungünstigeren Kuppe des bis zu 178 m (ü. NN)
hohen Feldberges - dünnen die Befunde deutlich
aus, so daß in diesem Bereich vermutlich die nörd-
liche Peripherie der Siedlung erfaßt werden konn-
te. Die Gruben können anhand ihrer Ausformung
in vier Hauptgruppen differenziert werden. Dabei
handelt es sich um die regelmäßiger geformten
„Silo- und Vorratsgruben“ (vor allem Kessel- bzw.
Kegelstumpfgruben), um häufig unregelmäßiger ge-
formte Gruben unklarer Funktion (vermutlich Ma-
terialentnahmegruben) sowie um die sogenannten
„Schlitzgruben“ und „Freistehenden Wände“298.
4.5.1 Silo- bzw. Vorratsgruben
Charakteristisch für diesen Grubentyp ist ein gleich-
mäßiger, meist runder oder leicht ovaler Grund-

riß, ein Profil mit senkrechter bis steil konischer
Wandung sowie eine flache bis schwach mulden-
förmige Sohle (vgl. z.B. Taf. 187-188, Taf. 191,
Taf. 205:906, Taf. 207:1080, Taf. 211:1147, Taf.
214.T191)299. Derartige Gruben dienten wahr-
scheinlich überwiegend als Erdspeicher zur Be-
vorratung von Nahrungsmitteln bzw. zur Lage-
rung des Getreidesaatgutes300. Darüber hinaus ist
aber auch eine Nutzung als Silo für Viehfutter, in
dem möglicherweise Blätter, Wildrüben (Knol-
len), Wurzeln (zur Einsäuerung) o.ä. als Winter-
vorrat gelagert wurden, denkbar301. Der gelegent-
liche Nachweis von verkohlten Pflanzenresten
und Getreidekörnern in der Verfüllung einiger Sied-
lungsgruben muß nicht zwangsläufig als Beleg für
eine Bevorratung von Getreide in diesen Gruben
gewertet werden, vielmehr darf wohl nach Aufga-
be der Gruben von einer sekundären Verfüllung
mit Siedlungsabfall ausgegangen werden. Die in
der Regel in verkohltem Zustand konservierten
Getreidekörner zeigen in der Mehrzahl für eine
starke Hitzeeinwirkung charakteristische Defor-
mierungen mit asymmetrischen Blasen, die darauf
schließen lassen, daß die Körner vermutlich dem
offenen Herdfeuer ausgesetzt waren und dann
zusammen mit der Herdasche als Abfall in die
Gruben gelangten302.
Die in Großenrode-14 mehrfach zu beobachten-
den, regelmäßig zylindrischen bzw. kegelstumpf-
förmigen Gruben dürften in ihrer ursprünglichen
Funktion vornehmlich zur Lagerung des Saatge-
treides gedient haben. Diese Vermutung wird
durch einen Befund im Bereich einer jungbronze-
zeitlichen Siedlung bei Rullstorf, Ldkr. Lüneburg,
bekräftigt, wo ein entsprechender Getreidesilo in
verkohltem Zustand erhalten geblieben war303.
Weitere archäologische Nachweise dieser Bevor-
ratungsart liegen besonders aus slawischen Sied-

294 Vgl. dazu Brandt 1960, bes. 419-420; K. Brandt 1967, 64-65.
295 Siehe auch Brandt 1960, 418-420; Kuper 1979, 135.
296 Brandt, Beck 1954, Beilage 5. Dohrn-Ihmig 1983, 244 (Haus VII) u. Abb. 2.
297 Luley 1992, Taf. 33.
298 Da die Übergänge fließend und zahlreiche Gruben nur noch in Resten erhalten sind, fällt die Zuweisung zu einem bestimm-
ten Grubentyp oftmals schwer und ist in einigen Fällen mit Unsicherheiten behaftet.
299 Buttler u. Haberey beschreiben diese Grubenform bereits ausführlich und stellen beispielhaft entsprechende neuzeitliche
Analogien vor; Buttler, Haberey 1936, 61-64.
300 Diese Interpretation konnte in experimentellen Versuchen verifiziert werden; siehe dazu Bowen, Wood 1968; Reynolds
1974; 1979; Willerding 1983, 213-214; Meurers-Balke, Lüning 1990, 91-92. Zur Funktion von Kegelstumpfgruben sie-
he auch Rosenstock 1979, 188-190.
301 Die frühesten Nachweise für Stallhaltung und die mutmaßliche Verwendung von Laub und Reisig als Viehfutter sind aus
den neolithischen Pfahlbausiedlungen, z.B. von Thayngen-Weier (Pfyner-Siedlung) bekanntgeworden; siehe dazu Wil-
lerding 1990, 112; 1996, 37-38, 41.
302 Knörzer 1971, 10, 29-31. Willerding 1992, 78. Reynolds 1993, bes. 193-197.
303 Gebers 1985.

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